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Kriegsspiele im Käfig

Sachsen-Anhalt: Altmarkkreis Salzwedel verbietet erneut Antikriegsproteste rund um das Gefechtsübungszentrum

Von Susan Bonath *

Der Landkreis erklärt fast die halbe Colbitz-Letzlinger Heide zum Sperrgebiet, Sachsen-Anhalts Polizei rüstet sich für einen einwöchigen Großeinsatz. Ein privates Wiesengrundstück zwischen den Altmarkdörfern Parleib und Potzehne wird ab Sonntag vermutlich zum bestbewachten Ort an der Mittelelbe.

Antimilitaristen planen auf der Wiese wie im Vorjahr ihr internationales Antikriegscamp »War starts here« durchzuführen. Vorgesehen sind Vorträge, Diskussionsrunden, Mahnwachen und Aktionen. Kriegsgegner aus nah und fern können sich beteiligen. Pünktlich zum Campbeginn wird am Sonntag ein »Antikriegsschiff« den Magdeburger Elbhafen erreichen. Die Frauencrew war vor einer Woche in Hamburg gestartet. Sie beschäftigen sich vor allem mit der Frage, was die weltweite Unterdrückung von Frauen mit Kriegen zu tun hat. Auch seien Soldatinnen in der Armee kein Fortschritt, sondern ein Zeichen zunehmender Militarisierung.

Wenige Kilometer vom Camport entfernt befindet sich das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark der Bundeswehr. Auf dem 232 Quadratkilometer großen und europaweit modernsten Truppenübungsplatz erhalten jährlich rund 20000 NATO-Soldaten den letzten Schliff für Kriegseinsätze. Trotz eines verhängten Demoverbots soll der Militärbetrieb »kreativ gestört« werden. Die Organisatoren rufen zu einem zentralen Aktionstag am 27. Juli auf. Sie empfehlen, unbedingt eine Karte vom Gelände und einen Kompaß mitzubringen. Von Vorteil seien auch Fahrräder. Ausgangspunkt ist das rund 50 Kilometer nördlich von Magdeburg gelegene Letzlingen, wo sich das Kontrollzentrum des GÜZ befindet.

»Kaum ein Tag vergeht ohne Übungsmanöver mit dem extra für das GÜZ entwickelten lasergestützten Waffen-Übungs-System AGDUS«, heißt es im Aufruf. Ab etwa 2016 werden Soldaten zudem in einer 6,5 Quadratkilometer großen Modellmetropole für Kampfeinsätze in modernen Großstädten trainieren. Die mehr als 100 Millionen Euro teure »City« wird seit November auf dem vom Waffenkonzern Rheinmetall betriebenen Übungsplatz gebaut. Ihr Name »Schnöggersburg« gehörte einst einem Ort in der Region, den die Nazis 1936 für ihre Militärübungen abgerissen hatten.

Im vorigen Jahr standen mehr als 1000 Polizisten sowie Feldjäger der Bundeswehr rund 400 Kriegsgegnern beim Aktionstag gegenüber. Demonstranten wurden massiv kontrolliert und etliche nicht zur einzigen in GÜZ-Nähe genehmigten Kundgebung durchgelassen. Wie viele Beamte in diesem Jahr anrücken werden, stand am Donnerstag nachmittag noch nicht fest. Vor Herausgabe einer Pressemitteilung wollte sich eine Sprecherin auf jW-Nachfrage nicht äußern. Gegenüber der Magdeburger Volksstimme hieß es vor einigen Tagen, die Größe des Einsatzes hänge davon ab, »wie viele Leute der Szene sich über das Camp austauschten oder dafür anmeldeten«. Dies wolle die Polizei beobachten.

Der Altmarkkreis Salzwedel hat erneut per Allgemeinverfügung, die jW vorliegt, zwischen dem 20. und 30. Juli sämtliche Versammlungen unter freiem Himmel rund um das GÜZ untersagt. Einschließlich des Truppenübungsplatzes umfaßt die Verbotszone rund 400 Quadratkilometer. Der Kreis begründet dies mit »Ordnungswidrigkeiten und Straftaten« im vorigen Jahr. Die gelte es zu verhindern, um »die öffentliche Sicherheit nicht zu gefährden«. Damals sei es »40 bis 50 Personen gelungen, den militärischen Sicherheitsbereich zu betreten«. Weitere Gesetzesverstöße hätten in einer »Störpropaganda«, in der »Ausspähung« der Bundeswehr, der Vermummung, dem Anbringen von Transparenten, dem Besprühen von Militäreinrichtungen mit Farbe und letztlich im Zelten auf dem Letzlinger Marktplatz bestanden.

Der Veranstalter des Camps kritisierte gegenüber jW, daß der Landkreis ihn und weitere Akteure in der Verfügung namentlich aufführt. Er sei ein »bekannter, gewaltbereiter, linksmotivierter Straftäter«, behauptet die Kreisverwaltung. Als »Fakten« nennt sie lediglich, daß der Veranstalter »über Erfahrungen mit Großdemonstrationen« verfüge und 2007 an den G-8-Protesten in Heiligendamm teilgenommen habe. Der Angesprochene sieht sich verunglimpft und den Schutz seiner Daten verletzt, zumal der Kreis die Verfügung öffentlich aushängen muß. Dieser Zeitung hat die Behörde das Schreiben bereits mit ungeschwärzten Personendaten übermittelt. Auf Nachfrage, warum sie diese diskreditierenden Auskünfte an die Presse weiterleitet, bekam jW bisher keine Antwort.

* Aus: junge Welt, Freitag, 19. Juli 2013


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