Begegnung der anderen Art
SPD-Generalsekretär Heil trifft verärgerte Bürgerinitiativen in Rheinsberg
Von Fabian Lambeck *
Ein Brief des Generalsekretärs sorgte am Anfang des Monats für Unmut bei den Gegnern des geplanten Bundeswehr-Übungsplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide. Am Donnerstag versuchte Heil vor Ort, die Wogen zu glätten.
Ein idyllischer Abend am Ufer des Rheinsberger Sees: Das berühmte Schloss liegt still und verlassen da, ältere Damen sitzen plaudernd vor ihren Häusern und ein paar Touristen spazieren durch das kleine Zentrum des Ortes. Doch mit der Ruhe in Rheinsberg könnte es bald vorbei sein. Unweit der Stadt, in der Kyritz-Ruppiner Heide, befindet sich ein ehemaliger Truppenübungsplatz der Roten Armee – das sogenannte Bombodrom. Ginge es nach Verteidigungsminister Jung (CDU), würden hier demnächst Tiefflieger der Bundeswehr ihre Übungsbomben abwerfen. Gegen diese Pläne laufen die Anwohner seit Jahren Sturm. Die Lobbyarbeit der Bürger war so erfolgreich, dass sich sogar im Koalitionsvertrag der Brandenburger Regierungsparteien eine Klausel wiederfindet, die sich für eine zivile Nutzung der Heide ausspricht.
Auch auf Bundesebene trug die Überzeugungsarbeit erste Früchte. So beschloss die SPD auf ihrem Hamburger Bundesparteitag 2007, »ohne Zeitverzug auf einen künftigen ... Schießplatz ... zu verzichten«. Um so höher schlugen die Wellen, als der Inhalt eines Briefes des SPD-Generalsekretärs Hubertus Heil bekannt wurde. Der Sozialdemokrat hatte der Bürgerinitiative »Freier Himmel« geschrieben, dass er zurzeit keine Möglichkeit sehe, den Bombodrom-Beschluss seiner Partei gegen den Koalitionspartner von der CDU durchzusetzen. »Würden wir allein regieren, sähe die Sachlage anders aus«, behauptete Heil allen Ernstes.
Die Bürgerinitiative reagierte erbost auf das Schreiben. Immerhin stellte die SPD zwischen 1998 und 2005 den Bundesverteidigungsminister, ohne dass es zu einer endgültigen Entscheidung gekommen wäre. Im Gegenteil: Manche Rheinsberger erinnern sich noch an einen gewissen Rudolf Scharping, der vor der Bundestagswahl 1998 durch Nordbrandenburg tourte und den besorgten Anwohnern versprach, mit der SPD würde es keinen Bombenabwurfplatz geben. Kaum war Scharping dann Verteidigungsminister, trieb er die Planungen zum Ausbau des Truppenübungsplatzes voran.
Dementsprechend hämisch fielen auch die Reaktionen auf Heils Brief aus. Gerhard Schneider, Sprecher der Bürgerinitiative »Freier Himmel«, hielt das Statement des Generalsekretärs für »eine echte Frechheit«. Anscheinend sei der Parteitagsbeschluss nur verabschiedet worden, »um Gegner ruhig zu stellen«. Vielleicht wäre sein Protest ungehört verpufft, wenn nicht im Herbst dieses Jahres die Brandenburger Kommunalwahlen anstünden. Da die SPD sowohl den Bürgermeister von Rheinsberg als auch den Landrat des Kreises stellt, machte sich der Generalsekretär am Donnerstag auf den Weg in die Provinz. Im Rathaus zu Rheinsberg trafen die Abgesandten dreier Bürgerinitiativen auf Heil und seine SPD-Genossen. Hinter verschlossenen Türen beriet man anderthalb Stunden. Dann stellte sich Hubertus Heil den Fragen der Presse.
Er sei nach Rheinsberg gekommen, so Heil, weil er es ernst meine. Womit, verriet der Generalsekretär dann doch nicht. Sein Brief, der für so große Verstimmung sorgte, sei »zu kurz« und »nicht gut formuliert« gewesen, entschuldigte sich Heil. Er wolle nun aber, so der Generalsekretär, seine Fraktion für das Anliegen der Bürgerinitiativen gewinnen. Dass er da noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten muss, bewies der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold. Just an diesem Donnerstag hatte dieser dem RBB-Inforadio gesagt, dass die Kyritz-Ruppiner Heide optimale Bedingungen für eine militärische Nutzung böte. Auf die Äußerungen seines Parteigenossen angesprochen, reagierte Heil mit der Standardfloskel, dass es sich bei der Meinung von Herrn Arnold um dessen »persönliche Meinung« handele. Es gebe einen Parteitagsbeschluss und der sei für alle Genossen bindend.
Doch Rainer Arnold ist nicht der einzige Bombodrom-Befürworter innerhalb der SPD-Fraktion, auch der ehemalige Verteidigungsminister Struck hat sich mehrmals für die Inbetriebnahme des Übungsplatzes ausgesprochen. Darauf angesprochen, verwies Hubertus Heil auf seine eigene Vergangenheit als jugendlicher Demonstrant gegen das Bombodrom und »Lernprozesse« innerhalb der Partei. Auch Struck hat augenscheinlich dazugelernt, denn als Oppositionspolitiker forderte er einst vom damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU), den Truppenübungsplatz zu schließen. Man wird im September sehen, ob die Wähler in Rheinsberg und Umgebung auch dazugelernt haben – noch hat die Stadt einen SPD-Bürgermeister.
* Aus: Neues Deutschland, 19. Juli 2008
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