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Bundeswehr: In der Kyritz-Ruppiner Heide sollen Bombenabwürfe geprobt werden

Klagen, Unruhe und Widerstand in der Bevölkerung

Nachdem am 9. Juli Verteidigungsminister Peter Struck die "Inbetriebnahme" des seit Jahren am heftigsten umstrittenen Truppenübungsplatzes, des sog. "Bombodroms" in der Kyritz-Ruppiner Heide angekündigt hat, bereitet sich die Bevölkerung der umliegenden Orte und Landkreise auf einen heißen Sommer vor. Im Folgenden dokumentieren wir ein paar Stellungnahmen, die uns in den letzten Tagen erreicht haben, von der Bürgerinitiative "FREIeHEIDe", der PDS und den Bündnisgrünen.


Hallo Freunde der FREIenHEIDe!

Gestern hat Verteidigungsminister Struck seinen Sprecher verkünden lassen, dass er das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide für die Bundeswehr für unverzichtbar hält. Er selbst war schon im Urlaub...

Diese Tatsache hat für die Proteste der Region eine neue Dimension eröffnet - der zivile Ungehorsam wird zukünftig ein verstärktes Mittel sein müssen.

Am 1.7. habe ich angekündigt, das ich im Fall der ministeriellen Genehmigung am folgenden Abend auf dem Platz friedlich protestieren werde. Dieser Fall ist nun eingetreten.

Heute ab 19 Uhr werde ich auf FREIen WEGen wandern, die immernoch den Kommunen am Platz zugeordnet sind. Was andere machen liegt nicht in meiner Macht.

Für die in der nächsten Woche einzureichenden Klagen sammelt die Bürgerinitiative FREIeHEIDe weiter Spenden, die vom Finanzamt als steuerbegünstigt anerkannt werden (Bitte Spendername und Adresse angeben).

BI FREIeHEIDe e.V.
Sparkasse Ostprignitz-Ruppin
Konto: 162 101 20 22
BLZ 160 502 02

Mit FREIHEIDlichen Grüssen
Kay Noeske-Heisinger

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Aktiver Widerstand gegen Bundeswehrpläne - vor Ort und bundesweit!

Thomas Domres, Mitglied des Landtages, und Wolfgang Gehrcke, PDS-Bundesvorstand, bitten bundesweite Friedensbewegung um Solidarität im Kampf gegen das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide und fordern eindeutige Stellungnahmen von Ministerpräsident Platzeck und der Brandenburger SPD.

Die Genehmigung von Verteidigungsminister Peter Struck, militärische Übungen in der Kyritz-Ruppiner Heide (Bombodrom) wieder aufzunehmen, ist ein Schlag gegen die anliegenden Gemeinden, die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Region und die bundesdeutsche Friedensbewegung. Geplant sind Luft-Boden-Übungen, Tiefflüge und Bombenabwürfe, Artillerie- und Panzermanöver. 12 Jahre hatte der Widerstand der Bürgerinnen und Bürger der Region nach Abzug der Roten Armee die Option auf eine zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide offen gehalten.

Rot-Grün vollendet jetzt, was Bundeskanzler Kohl eingeleitet hatte, aber nicht durchsetzen konnte. Mehrfacher Wortbruch und Täuschung der Öffentlichkeit sind dabei mehr als kritikwürdige Begleitumstände. Verteidigungsminister Struck hat zu Bombenübungen Ja gesagt, aber die Auseinandersetzungen sind noch lange nicht am Ende. Bürgerinitiativen, bundesweite Friedensbewegung, Gemeinden der Region, viele der dort lebenden Menschen und die PDS werden mit Kreativität, Entschlossenheit und zivilem Ungehorsam, in den Parlamenten einschließlich der Landtage von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, juristisch und vor Ort Widerstand organisieren. Daran werden wir uns wie in der Vergangenheit aktiv beteiligen.

Wir fordern Ministerpräsident Platzeck auf, sich auf seinen Amtseid zu besinnen: seine ganze Kraft dem Wohle der Menschen des Landes Brandenburg zu widmen, ihren Nutzen zu mehren und Schaden von ihnen abzuwenden. Die Zeit vornehmer Zurückhaltung ist vorbei! Wir appellieren an die Brandenburger SPD, ihre eigenen Beschlüsse ernst zu nehmen und den Plänen des Bundesverteidigungsministers eine Abfuhr zu erteilen.

Wir laden die bundesdeutsche Friedensbewegung ein, am 1. September, dem Antikriegstag, im ganzen Land Protest gegen die Bundeswehrpläne zu organisieren und bitten um ihre aktive Solidarität.

f. d. R.:
Ramona Dittrich
Wahlkreisbüro MdL Thomas Domres

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PRESSEDIENST Nr. 89/03

Offener Brief an Minister Struck

Offener Brief von Angelika Beer, Bundesvorsitzende von BUENDNIS 90/DIE GRUENEN, an Verteidigungsminister Peter Struck zum Beschluss, den Luft-/Boden-Schiessplatz Wittstock militaerisch zu nutzen:

Sehr geehrter Herr Minister Struck,

Sie beabsichtigen, den Luft-/Boden-Schiessplatz Wittstock weiterhin militaerisch zu nutzen. Wir, BUENDNIS 90/DIE GRUENEN halten Ihre Begruendungen fuer die Wiederinbetriebnahme fuer nicht tragfaehig - die von uns vorgetragenen Gruende gegen die Nutzung durch die Bundeswehr sind von Ihnen nicht entkraeftet worden.

Im Mai diesen Jahres hat der Parteirat von BUENDNIS 90/DIE GRUENEN dieses Thema erneut diskutiert und die buendnisgruene Ablehnung nochmals bekraeftigt (Beschluss siehe Anlage). In dieser kritischen Haltung sind wir uns mit den Menschen vor Ort einig.

Da Sie trotz allem Ihre Entscheidung zu Gunsten der Wiederinbetriebnahme gefasst haben, bitte ich Sie eindringlich, auf den sofortigen Vollzug zu verzichten und den Ausgang des Klageverfahrens bis zur ersten Instanz abzuwarten.

Ich bin mir sicher, dass die Oeffentlichkeit gerade in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern dieses als Zeichen von Staerke und nicht von Schwaeche werten wuerde.

Mit freundlichen Gruessen
Angelika Beer

Anlage:
Beschluss des Parteirats vom 19. Mai 2003, Berlin

Sanfter Tourismus statt laute Bomben - Fuer eine zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide

Seit ueber 10 Jahren streiten die Menschen aus der Region phantasievoll und friedlich fuer eine zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide. Buendnis 90/Die Gruenen unterstuetzen sie dabei seit Jahren.

Die Nutzungsintensitaet der innerdeutschen Luft-Boden-Schiessplaetze durch die Bundeswehr und die Alliierten Streitkraefte in Deutschland hat deutlich abgenommen. In den letzten 10 Jahren hat sich die Anzahl der UEbungsfluege um ca. zwei Drittel verringert.

Der 1993 prognostizierte Bedarf, als die Entscheidung ueber die Einrichtung dieses UEbungsplatzes fiel, ist heute nicht mehr gegeben. Die Befuerworter begruenden den Bedarf nun deshalb mit der Groesse des Platzes. Es koennten Einsatzverfahren trainiert werden, die bisher nur im Ausland geuebt werden. In Zeiten einer multinationalen Sicherheitspolitik kann dies jedoch kein hinreichendes Argument fuer die Einrichtung eines zusaetzlichen UEbungsplatzes sein. Mit dem Verweis auf die Existenz der westdeutschen Luft-Boden-Schiessplaetze in Nordhorn und Siegenburg wird von einigen auch ein Platz in Ostdeutschland eingefordert. Der Truppenuebungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide koennte laut den Planungen zukuenftig den gesamten Bedarf von UEbungsfluegen der Bundeswehr in Deutschland abdecken. Statt einer innerdeutschen Gleichverteilung lassen solche Zahlen perspektivisch eine Konzentration von militaerischem Fluglaerm in Ostdeutschland vermuten. Buendnis 90/Die Gruenen wenden sich gegen solch eine Ost-West Solidaritaet.

Die Kyritz-Ruppiner Heide liegt in einer strukturschwachen Region mit einer einmaligen Naturausstattung. Durch den UEbungsplatz wuerden viele der privaten und oeffentlichen Investitionen im Tourismusgewerbe bedroht. Ein Wegbrechen des regionalen Wachstumsmotors Tourismus wuerde die regionale Arbeitsmarktsituation weiter verduestern. Die positiven Arbeitsplatzeffekte durch eine moegliche Garnison werden mehr als aufgehoben, durch den resultierenden Wegfall von Arbeitsplaetzen in der Tourismusbranche. Zukuenftig wuerden Kampfjets die Mecklenburgische Seenplatte auf dem Weg zum Zielgebiet bei Tag und Nacht ueberqueren. Eine Verlaermung der Region waere die Folge. Aus Haftungsgruenden muessten die Tourismusanbieter bei der Werbung auf den Uebungsplatz verweisen, damit bekaeme die Gesamtregion ein massives Imageproblem. Wer moechte schon Ferien in einer Tiefflugregion machen!

Die Anwohner waeren erneut dem Tieffluglaerm ausgeliefert. Dieser tritt schlagartig auf und wirkt schockartig, deshalb ist er eine besondere Gefaehrdung fuer die menschliche Gesundheit, insbesondere von Kindern, Alten und Kranken. Der Mueritz-Nationalpark ist ein Vogelschutzgebiet. Das Gelaende des eigentlichen UEbungsplatzes ist als FFH-Gebiet angemeldet. All dies laeuft einer militaerischen Nutzung zu wieder.

Bereits heute schreckt der ungeklaerte Status der Kyritz-Ruppiner Heide moegliche Investoren ab. Anliegende Gemeinden haben mit weiteren Klagen gegen den Truppenuebungsplatz gedroht. Eine juristische Auseinandersetzung wuerde fuer weitere Jahre Unsicherheit schaffen und damit die Entwicklung der Gesamtregion behindern. Wir wollen deshalb eine zuegige Entscheidung, die moegliche Klagen hinfaellig werden laesst.

Der Uebungsbedarf der Luftwaffe steht den Anspruechen der Bevoelkerung auf Laermschutz, den Belangen des Umweltschutzes und einer oekonomisch tragfaehigen Regionalentwicklung gegenueber. Buendnis 90/Die Gruenen erkennen den zweifellos vorhandenen UEbungsbedarf der Luftwaffe an. Allerdings war die Einsatzfaehigkeit der Luftwaffe in den letzten 10 Jahren auch ohne diesen Uebungsplatz gegeben. Da bei einer Gegenueberstellung von Nutzen und Kosten eines militaerischen Uebungsgelaendes die Nachteile fuer die Region eindeutig ueberwiegen, lehnen Buendnis 90/Die Gruenen die Einrichtung eines Luft-Boden-Schiessplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide ab. Der Parteirat unterstuetzt die Bundestagsfraktion in ihren Bemuehungen, eine zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide durchzusetzen.

PRESSEDIENST BUENDNIS 90/DIE GRUENEN Bundesvorstand
Sigrid Wolff, Pressesprecherin


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