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Gauck will mehr Einsatz

Bundespräsident predigt auf Sicherheitskonferenz globale deutsche Verantwortung *

Wir Deutschen haben es gut, und daran soll sich nichts ändern, meint Joachim Gauck. Dazu sei es wichtig, sagte der Bundespräsident am Freitag in seiner Eröffnungsrede zur 50. Sicherheitskonferenz in München, das Ordnungsgefüge in der Welt aufrechtzuerhalten. Und darum müsse sich Deutschland seiner globalen Verantwortung bewusst werden und sich stärker in Auslandseinsätzen engagieren. »Deutschland ist eine stabile Demokratie, wohlhabend und weltoffen«, so Gauck. In der internationalen Politik werde das Land als gleichberechtigter Partner angesehen, habe deshalb jedoch auch die gleichen Pflichten wie andere europäische Staaten und dürfe nicht seine »historische Schuld benutzen, um dahinter Bequemlichkeit und Weltabgewandtheit zu verstecken«.

Den Großteil seiner Auftaktrede für das Treffen zahlreicher Staats- und Regierungschefs sowie Top-Militärs nutzte Gauck für einen Kommentar zur aktuellen Debatte um das Engagement der Bundeswehr im Ausland. Die reichte in der vergangenen Woche von der klaren Forderung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) für eine größere militärische Verantwortung Deutschlands bis hin zu Kanzlerin Angela Merkels vagem Zugeständnis, es müsse in der Regierung Übereinstimmung in der Frage geben, dass Deutschland seiner Rolle in der Welt gerecht werde.

Auch Gauck wollte sich in seiner Rede nicht recht positionieren. »Engagieren wir uns schon ausreichend dort, wo wir Kompetenzen entwickelt haben: bei der Prävention von Krisen?« fragte er und schloss direkt an: »Ich meine, Deutschland sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen.« Doch bei der Krisenprävention dürfe Deutschland es nicht belassen: »Manchmal kann auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein.« Schließlich könnten die Folgen des Unterlassens genauso gravierend sein wie die Folgen des Eingreifens, so Gauck, manchmal sogar gravierender.

Die Mehrheit der Deutschen sieht das laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov anders. 61 Prozent der Bundesbürger lehnen einen Ausbau der Bundeswehr-Auslandseinsätze in internationalen Krisengebieten ab. Nur jeder Dritte befürwortet das Vorhaben von der Leyens. Und 58 Prozent sagten, das Land solle Konflikte lieber mit Diplomatie und Geld lösen als mit Waffen.

Die Sicherheitskonferenz tagt in diesem Jahr zum 50. Mal. Neben der transatlantischen Zusammenarbeit sind weitere Themen der Bürgerkrieg in Syrien und der Machtkampf in der Ukraine. Insgesamt werden rund 20 Staats- und Regierungschefs sowie mindestens 50 Außen- und Verteidigungsminister in der bayerischen Landeshauptstadt erwartet. Zu den prominentesten Teilnehmern zählen UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und US-Außenminister John Kerry, der bereits am Freitagvormittag Kanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier traf. Die wollten als die von Gauck gepriesenen »guten Partner« der USA gelten und hielten sich mit expliziter Kritik zur NSA-Spähaffäre zurück. Kerry rief seinerseits zur Überwindung der Irritationen auf und erklärte, Deutschland und die USA würden auch künftig in Sicherheitsfragen eng zusammenarbeiten.

Wie diese Zusammenarbeit aussieht, haben die Regierungen beider Länder in den vergangenen Monaten immer wieder bewiesen: im Herunterspielen der Spähaffäre, der Ignorierung – vorsichtiger – Kritik aus Deutschland und schließlich dem Kleinbeigeben der Bundesregierung.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 1. Februar 2014


Gauck erklärt den Krieg

Extremismus von oben: Im Luxushotel Bayerischer Hof tagt die 50. Münchner Sicherheitskonferenz. Bundespräsident fordert »aktivere Rolle Deutschlands«. Eigentlicher »Star« ist aber Witali Klitschko aus Kiew

Von Claudia Wangerin, München **


Unterstützt sowohl von Rüstungsfirmen wie Europas führendem Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann als auch von der Bundesregierung findet an diesem Wochenende die 50. »Münchner Sicherheitskonferenz« im Luxushotel Bayerischer Hof statt. Die polizeiliche »Sicherheitszone« rund um den Tagungsort dürfen normale Passanten nicht betreten. Mehrere Trambahnhaltestellen in der Innenstadt können bis Sonntag nachmittag nicht angefahren werden. Doch diese Einschränkungen sind nicht der Hauptgrund, warum Kriegsgegner zum Protest gegen die Konferenz aufrufen. »Schon immer war sie der Friedensbewegung ein Dorn im Auge, weil dort die Anwendung militärischer Gewalt wie ein selbstverständliches Mittel der Politik gehandelt wurde und wird«, erklärte der Bundesausschuß Friedensratschlag zum runden Geburtstag der früher als »Wehrkundetagung« bekannten »Siko«.

Rund 20 Staats- und Regierungschefs sowie 50 Außen- und Verteidigungsminister nehmen in diesem Jahr teil. 3100 Polizisten sind im Einsatz. Geleitet wird die Veranstaltung vom früheren Spitzendiplomaten Wolfgang Ischinger, der nach Gutherrenart entscheidet, welche »Experten« und ausländischen Oppositionsführer neben Spitzenpolitikern, NATO-Militärs und Konzernvertretern eingeladen werden.

Eröffnet hat die Konferenz am Freitag Bundespräsident Joachim Gauck. Der forderte von Deutschland mehr »Engagement« in der Welt. Die Bundesrepublik solle sich »früher, entschiedener und substantieller einbringen«. Jahrzehntelang habe die Politik mit dem Hinweis auf die »historische Schuld« die eigene, vor allem militärische »Zurückhaltung« begründet. Jetzt sei aber wieder eine »aktivere Rolle nötig«.

Zum »Star« der diesjährigen Sicherheitskonferenz haben der Tagesspiegel und der Fernsehsender n-tv aber den ukrainischen Oppositionspolitiker und früheren Boxer Witali Klitschko erklärt – der US-Analysedienst Stratfor bezeichnet ihn als »Berlins Mann in Kiew«. Er soll in München unter anderem mit US-Außenminister John Kerry zusammentreffen.

Eine Demonstration zahlreicher Friedensgruppen, Parteien und Organisationen beginnt am Samstag um 13.30 Uhr auf dem Münchner Marienplatz. Eine für Freitag abend geplante Protestkunstaktion, deren Hauptdarsteller vor dem nahe am Tagungshotel gelegenen Literaturhaus als Bundespräsident Gauck mit der Attrappe eines Maschinengewehrs auftreten sollte, ist durch polizeiliche Auflagen faktisch verboten worden: Ohne die »Anscheinswaffe«, an der die Polizei Anstoß nimmt, habe die Performance keinen Sinn, erklärte der Künstler Günter Wangerin.

** Aus: junge Welt, Samstag, 1. Februar 2014


Edel sei der Befragte

Uwe Kalbe hofft auf allein friedfertige Motive jener Mehrheit, die sich konstant gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr ausspricht ***

Als Kommentar zur Münchner Sicherheitskonferenz kommt die Umfrage gerade recht, nach der 61 Prozent der Bundesbürger eine Ausweitung der Bundeswehreinsätze im Ausland ablehnen. Sie darf und wird allen als Argument dienen, die entsprechende Ankündigungen in der Bundesregierung für Begleittöne einer verhängnisvollen Entwicklung halten.

Zugleich kann man die Konstanz, mit der solche Umfragen seit Jahren immer gleich enden, auch ein wenig verwunderlich finden. Sie zeugt von seltener Resistenz gegenüber der Verklärung der Einsätze durch öffentliche Meinung und politische Mehrheiten. Als Deutschland sich vor 15 Jahren am Krieg gegen Jugoslawien beteiligte, mussten noch Skrupel gewälzt und historische Bedenken entkräftet werden, inzwischen kommen Einsätze längst ohne so etwas aus. Erfolgsaussicht und Risiken für deutsche Soldaten sind noch Gründe für öffentliche Abwägungen.

Außerdem stehen die Umfragen in seltsamem Widerspruch zur Einsamkeit der Friedensbewegung. Sie findet für ihre edlen Ziele kaum noch Zulauf. Man kann nur hoffen, dass Empathie gegenüber dem Leid ferner Kriegsopfer der wahre Antrieb für die Abneigung der Bevölkerungsmehrheit gegen Auslandseinsätze ist. Nicht also die Ferne jener Kriege.

*** Aus: neues deutschland, Samstag, 1. Februar 2014 (Kommentar)


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