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"Unsicherheitskonferenz" im Bayerischen Hof

Auch in diesem Jahr gibt es wieder Proteste, wenn sich Politiker, Militärs und Rüstungsexperten im Münchner Luxushotel treffen

Von Claudia Wangerin *

Als Schirmherr der alljährlichen »Münchner Sicherheitskonferenz« und Generalbevollmächtigter des Allianz-Konzerns für Regierungsbeziehungen ist Wolfgang Ischinger zur Zeit ein gefragter Interviewpartner. Einem Welt-Reporter antwortete der ehemalige Spitzendiplomat kürzlich auf die Frage, was Deutschland von den USA lernen könne: »Die Rolle des gutmütigen Hegemons. Dessen Erkennungsmerkmal ist der Doppelbegriff von Solidarität und Großzügigkeit.« Dafür dürfe er »nicht bei jedem Schritt Dankbarkeit erwarten, statt dessen wird er in der Regel von den Kleinen kritisiert.«

Zu »den Kleinen« gehört Deutschland nicht mehr. Seine machtpolitische Rolle in der EU ist einer der inhaltlichen Schwerpunkte der 48. »Münchner Sicherheitskonferenz« zu der am kommenden Wochenende rund 350 Teilnehmer aus 60 Staaten erwartet werden. Darunter hochrangige Politiker, Militärs und Wirtschaftsvertreter. Die Bundesregierung schickt Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), aus den USA reisen ihre Amtskollegen Hillary Clinton und Leon Panetta an. Doch genaugenommen ist die »Sicherheitskonferenz« im Münchner Luxushotel Bayerischer Hof eine Privatveranstaltung, die zwar vom Bund alle Jahre wieder mit mehreren hunderttausend Euro subventioniert wird, deren Leiter aber nach Gutsherrenart bestimmen kann, wer eingeladen wird. Kritiker werden entweder vollständig ausgrenzt oder vereinzelt geduldet, aber nicht mit viel Redezeit ausgestattet. So versuchte der ehemalige Europa-Abgeordnete Tobias Pflüger (Die Linke) schon mehrfach vergeblich, als kritische Stimme bei der »Siko« zugelassen zu werden, sein Parteifreund Wolfgang Gehrcke schaffte es im Jahr 2010 auf die Gästeliste, hatte aber kaum Gelegenheit, seine ablehnende Haltung zu Kriegseinsätzen einzubringen. Die Gästeliste für dieses Jahr stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Die Linksfraktion im Bundestag stellte bereits eine parlamentarische Anfrage zu den Kosten, die dem Bund in diesem Jahr durch die Konferenz entstehen.

Ein Pressesprecher der »Siko« wollte am Montag (30. Jan.) die Frage, ob auch Teilnehmer aus dem Iran eingeladen sind, nicht beantworten. Der Atomkonflikt westlicher Staaten mit dem Iran ist allerdings ein weiterer thematischer Schwerpunkt der Konferenz. Wohin die Reise gehen soll, machte Ischinger bereits im Vorfeld klar: »Wir müssen auch realistisch sehen, daß die seit Jahren eskalierende Sanktionspolitik die iranische Führung nicht zum gewünschten Kurswechsel in der Atompolitik gebracht hat. Deshalb ist die Zeit gekommen, mit einem Tabu aufzuräumen«, sagte Ischinger der Welt. Bisher habe man immer gesagt, ein nuklear bewaffneter Iran sei undenkbar. »Ich stelle die Frage: Was ist denn, wenn es passiert? Was machen wir dann? Wir müssen auch unseren israelischen Freunden eine Antwort auf diese Frage geben.« Sätze wie diese lassen bei der Friedensbewegung die Alarmglocken klingeln, zumal UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sich der Lesart der USA und Israels angeschlossen hat, das die Beweislast für die ausschließlich zivile Nutzung der Atomenergie bei Teheran liege.

»Während sie über die Spielregeln ihrer ›Weltordnung‹ beraten, werden wir auf die Straße gehen und demonstrieren«, heißt es im Protestaufruf des »Aktionsbündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz«. Hauptforderungen sind der sofortige Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und die Beendigung aller Auslandseinsätze sowie der Austritt Deutschlands aus dem NATO-Militärbündis – oder besser noch, dessen Auflösung. Ischingers Veranstaltung wird als »Unsicherheitskonferenz« bezeichnet. Die Gegendemonstration kann wie gewohnt nicht in Hör- und Sichtweite der Konferenzteilnehmer stattfinden, da die Polizei eine weiträumige »Sicherheitszone« um das Tagungshotel errichtet. So trifft sich das Protestbündnis am Samstag, den 4. Februar 2012 um 13 Uhr auf dem Marienplatz. Rund 30 Jugendliche veranstalteten bereits am vergangenen Samstag eine parodistische Jubeldemo unter dem Motto »gestern noch am Ballermann, heut’ schon in Afghanistan«

* Aus: junge Welt, 31. Januar 2012


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