Wolfgang Ischinger: "Den Ankündigungen des vergangenen Jahres müssen jetzt Taten folgen"
Aber welche? Themen und Teilnehmer der 46. Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt / Reichlich Prominenz erwartet / Neue NATO-Strategie als ein Schwerpunktthema
Anfang Februar findet wieder die "Sicherheitskonferenz" in München statt. Deren Leiter, der Diplomat Wolfgang Ischinger, gab auf einer Pressekonferenz am 21. Januar 2001 einen Überblick über die Themen der Konferenz und nannte schon einmal die Namen der wichtigsten Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Militär, Politik und Wirtschaft.
Im Folgenden dokumentieren wir zwei Berichte über die Pressekonferenz.
"No more excuses - keine Ausreden mehr!"
Von Oliver Rolofs *
Auf einer Pressekonferenz gab der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, einen Ausblick auf die Themen und Teilnehmer der 46. Münchner Sicherheitskonferenz.
Neue Akzente mit erweitertem Themen- und Teilnehmerkreis
Zur 46. Münchner Sicherheitskonferenz vom 5. bis 7. Februar 2010 werden wieder eine Vielzahl hochrangiger Staats- und Regierungschefs, Minister sowie Chefs Internationaler Organisationen aus aller Welt erwartet. Unter den Rednern ist wie bereits im vergangenen Jahr Afghanistans Präsident Hamid Karsai. Erstmals nehmen neben NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und Chinas Außenminister Yang Jiechi auch hochkarätige Vertreter der Wirtschaft an der Tagung teil. Dies gab der Konferenzvorsitzende Botschafter Wolfgang Ischinger diese Woche in Berlin und München bekannt.
Das Motto der diesjährigen 46. Münchner Sicherheitskonferenz lautet: "No more excuses - Keine Ausreden mehr!" Damit will Ischinger auf dem wichtigsten globalen Forum der Außen- und Sicherheitspolitik die rund 300 hochrangigen Teilnehmer zum Handeln bewegen. Dabei will der deutsche Top-Diplomat eine Bilanz nach einem Jahr Regierungszeit von US-Präsident Barack Obama ziehen. Nach dem im vergangenen Jahr eingeleiteten "politischen Frühling" sei in vielen Bereichen wie Afghanistan, Nahost bis hin zum Thema Abrüstung und nuklearer Nichtverbreitung der Erwartungsdruck auf die Verantwortlichen in der internationalen Außen- und Sicherheitspolitik in den vergangenen Monaten weiter gestiegen. "Den Ankündigungen des vergangenen Jahres müssen jetzt Taten folgen, die keine Ausflüchte mehr dulden", betonte Ischinger.
Afghanistan und Abrüstung sind zentrale Themen
Neben den auf der Konferenz traditionell diskutierten Fragen der transatlantischen und europäischen Sicherheitsarchitektur, die mit Grundsatzreden von Bundesaußenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle sowie dem russischen Außenminister Sergej Lavrow eingeleitet werden sollen, stehen die Themen Sicherheit und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten sowie Abrüstung, Rüstungskontrolle und nukleare Nichtverbreitung im Fokus der diesjährigen Konferenz. Ischinger erhofft sich dabei neue Erkenntnisse hinsichtlich des russischen Vorschlags zur europäischen Sicherheitsarchitektur und der offenbar bevorstehenden Unterzeichnung des amerikanisch-russischen Vertrages über die Reduzierung strategischer Kernwaffen (START II). Auch sind die Themen Afghanistan und die neue Strategie der NATO ein Schwerpunkt der diesjährigen Debatte. Hier werden Reden von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der ehemaligen US-Außenministerin und Vorsitzenden der NATO-Strategiegruppe Madeleine Albright, sowie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erwartet. Afghanistans Präsident Hamid Karsai wird unter anderem mit einem Vertreter der pakistanischen Regierung und dem US-Sondergesandten für Pakistan und Afghanistan, Richard Holbrooke, über die Zukunft des internationalen Engagements am Hindukusch diskutieren. Traditionell wird wieder eine zahlenmäßig starke Delegation aus den USA nach München reisen. Sie ist mit den ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten und Senatoren John McCain, Joseph Lieberman und John Kerry sowie US-Vizeaußenminister James Steinberg und dem Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, General James Jones, erneut hochkarätig besetzt.
Diesjährige Konferenz setzt neue Akzente
Im Lichte der weltpolitischen Änderungen, will Ischinger neue inhaltliche Akzente zum bisherigen Konferenzformat in München setzen. Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie Fragen der Versorgungssicherheit haben laut Veranstalter die Bedeutung des Sicherheitsbegriffes merkbar verändert. So wird sich die Auftaktveranstaltung diesmal dem Thema Ressourcensicherheit und globaler Machtveränderung widmen, auf der im Rahmen der „Vernetzten Sicherheit“ wirtschaftspolitische und sicherheitspolitische Expertise verbunden werden soll. "Eine ganze Reihe außen- und sicherheitspolitischer Fragestellungen können nicht mehr ausschließlich durch Außen- und Sicherheitspolitiker gelöst werden, sondern erfordern auch wirtschaftspolitischen Sachverstand, um geopolitischen Änderungen zu begegnen", erklärte Ischinger, der für diese Diskussion mehrere Chefs internationaler Wirtschaftskonzerne nach München geladen hat. Gemeinsam mit dem Präsidenten von Aserbaidschan, Ilham Aliyev, und dem chinesischen Außenminister Yang Jiechi werden sie Fragen der Versorgungssicherheit erörtern. Mit der Teilnahme Jiechis solle insbesondere die welt- und wirtschaftspolitisch zunehmende Rolle Chinas zukünftig stärker berücksichtigt werden, so Ischinger.
München wird "Kristallisationspunkt" der Sicherheitspolitik
Erfreut zeigte sich Ischinger darüber, dass sich die Münchner Sicherheitskonferenz aufgrund ihrer weltweit anerkannten Stellung zu einem "Kristallisationspunkt" der Sicherheitspolitik entwickle: "Eine Vielzahl an sicherheitspolitischen Veranstaltungen wie die unter anderem durch den ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger gegründete Nuclear Threat Initiative zur nuklearen Abrüstung, werden sich dieses Jahr um die Konferenz gruppieren." Mit der zum zweiten Mal parallel stattfindenden Tagung der Munich Young Leaders will Ischinger zudem daran festhalten, die Münchner Sicherheitskonferenz zu verjüngen. So soll dem außen- und sicherheitspolitischen Nachwuchs eine Plattform gegeben werden, um neue Impulse in den sicherheitspolitischen Diskurs einzubringen.
Dialogbereitschaft gegenüber den Konferenzgegnern
Im Hinblick auf die Anschuldigungen und Vorwürfe seitens der Konferenzgegner betonte der Veranstalter erneut, dass er weiter sein Angebot zum Dialog mit den Kritikern aufrechterhalte. Ischinger wies darauf hin, dass er sich über die erneute Benennung eines Vertreters der Konferenzgegner sehr gefreut habe, und betonte außerdem, dass er darüber hinaus die Linkspartei zur Konferenz eingeladen habe, um zu gewährleisten, dass auch kritische Stimmen ihren legitimen Platz im außen- und sicherheitspolitischen Diskurs zur Geltung bringen können. Gleichzeitig sei er es leid, sich jedes Mal "liebgewonnene Klischees und Verunglimpfungen" anhören zu müssen. "Die Konferenz ist nicht die Jahreshauptversammlung der Rüstungsindustrie oder der 'Kriegstreibergewerkschaft', sondern ein zentraler Ort, um sich mit Strategien zur Verhinderung von Kriegen und Beilegung von Konflikten zu befassen", wies er derartige Vorwürfe zurück. Die 46. Münchner Sicherheitskonferenz soll dabei entscheidende Impulse geben, diese Strategien nun in die Tat umzusetzen. "2010 soll ein Jahr des Handelns werden", so der Appell von Wolfgang Ischinger an die Elite der internationalen Außen- und Sicherheitspolitik, sich der globalen Problemen anzunehmen.
* Originalbeitrag auf der offiziellen Website der Münchner Sicherheitskonferenz, 22. Januar 2010; www.securityconference.de
Reichlich Promis auf Münchener Sicherheitskonferenz
Drei ehemalige US-Präsidentschaftskandidaten erwartet / Neue NATO-Strategie als ein Schwerpunktthema
Von Rolf-Henning Hintze, München **
Ein Schwerpunkt der 46. Münchener Sicherheitskonferenz (SiKo) wird die künftige Strategie der NATO sein. Das gab ihr Vorsitzender Wolfgang Ischinger bekannt. Ein Friedensbündnis hat bereits Proteste angekündigt.
Hochrangige Politiker und Militärs sowie mehrere Vorstandsmitglieder deutscher Unternehmen werden Anfang Februar an der Sicherheitskonferenz teilnehmen. Zugesagt haben mit John McCaine, Joe Liebermann und John Kerry drei frühere US-Präsidentschaftskandidaten sowie der Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama und frühere NATO-Oberbefehlshaber, Jim Jones, so der Vorsitzende der SiKo, Wolfgang Ischinger, gestern vor Journalisten. Neben Afghanistans Präsident Hamid Karsai werden auch die Präsidenten Aserbaidschans und Mazedoniens erwartet. Die Bundesregierung werde durch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) vertreten sein.
Wichtigste Themen der 46. Sicherheitskonferenz werden u. a. die Ressourcensicherheit und eine künftige NATO-Strategie sein. Neben der Konferenz werde eine Gruppe von etwa zwei Dutzend »young leaders« (jungen Führungspersönlichkeiten) aus »Partnerstaaten« zusammenkommen und ein eigenes Programm haben, so Ischinger.
Mit Nachdruck betonte er, bei der Konferenz handele es sich um eine »private, unabhängige Veranstaltung«. Auf die Frage, in welcher Höhe die Bundesregierung die Kosten für die SiKo übernehme, antwortete Ischinger vage: »Mehrere 100 000 Euro«. Die Unabhängigkeit der Konferenz sehe er dadurch gewährleistet, dass er sich als Beamter beurlauben ließ und damit nicht an Weisungen gebunden sei.
Erstmals hat auch die Linksfraktion im Bundestag eine Einladung zu der Konferenz erhalten. Nachdem der frühere Bundestagsabgeordnete Norman Paech die Einladung nicht angenommen habe, habe Ischinger eine an den Fraktionsvorsitzenden der LINKEN geschickt. Unter den 300 Eingeladenen sei auch ein Vertreter der Zivilgesellschaft, sagte der SiKo-Vorsitzende.
Vor Beginn der Pressekonferenz im Hotel »Bayerischer Hof« verteilte das »Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz« einen Offenen Brief an Ischinger. Darin wird aus einem Beitrag auf der Webseite der Konferenz zitiert, in dem Ischinger für eine Aufstockung der Bundeswehrtruppen in Afghanistan plädiert, weil die deutsche Politik ein Scheitern der Mission und eine Schwächung der NATO nicht zulassen dürfe. Die Folge eines Scheiterns wäre nach Ischinger ein »Reputationsverlust Deutschlands in der NATO«. In dem Offenen Brief heißt es, damit werde deutlich, dass es bei dem deutschen Kriegseinsatz darum gehe, das militärische Ansehen Deutschlands in der NATO zu fördern. »Auf dieses kriegerische Ansehen pfeifen wir und mit uns rund 70 Prozent der Bevölkerung,« heißt es in dem Brief. Mehr Truppen bedeuteten noch mehr Krieg in Afghanistan.
Das Bündnis, hinter dem über 80 Gruppen stehen, darunter die »Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft« (GEW) sowie die »Deutsche Friedensgesellschaft« (DFG-VK), hat eine Demonstration gegen die Konferenz angekündigt.
** Aus: Neues Deutschland, 22. Januar 2010
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