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Der Anfang vom Ende der Münchner Sicherheitskonferenz?

Der Rückzug von Rumsfeld und die Absagen weiterer Verteidigungsminister und die Anwesenheit von Koffi Annan machen aber noch keinen Frieden

Am 23. Januar meldeten die Nachrichtenagenturen:
Nach US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld haben einem Pressebericht zufolge nun auch dessen Kollegen aus Großbritannien und Frankreich, Geoff Hoon und Michčle Alliot-Marie, ihre Teilnahme an der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar abgesagt. Gastgeber Horst Teltschik sei über Rumsfelds Absage enttäuscht, weil es wegen des Iran-Konflikts "erheblichen Gesprächsbedarf" gebe, berichtete der "Focus" am Sonntag aus seiner aktuellen Ausgabe. Eine Iran-Delegation habe aber "ihr Kommen zugesichert". Zudem kämen 22 Verteidigungs- und 13 Außenminister sowie UN-Generalsekretär Kofi Annan, der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und Bundespräsident Horst Köhler nach München. (AFP)

Nun ist es aus Sicht der Veranstalter immer schmerzlich, wenn ihnen Referenten absagen, noch dazu so prominente Zugpferde wie Rumsfeld, Hoon oder Alliot-Marie. Mitleid ist in diesem Fall indessen nicht angebracht. Wer mit dem Teufel isst, muss einen langen Löffel haben, sagt ein Sprichwort, und möglicherweise hat Rumsfeld anderes zu tun, als sich in München mit Militärexperten oder solchen, die sich dafür halten, über die Weltlage zu diskutieren. Schließlich gilt es die Informationen auszuwerten, welche die eigenen Geheimdienste etwa aus dem Iran mitgebracht haben. Es wäre doch nicht schlecht, mag sich Rumsfeld denken, wenn der nächste Krieg etwas besser vorbereitet würde als der Irakkrieg, der sich nun schon über fast zwei Jahre hinzieht.

Auch die Gegner der Sicherheitskonferenz werden - jenseits der offiziellen Begrüßung der Absage - bedauert haben, dass der derzeit aggressivste "Verteidigungsminister" der Welt nicht nach München kommt. Demonstrationsstrategisch ist es nämlich immer ganz gut, wenn das Objekt des Protestes in unmittelbarer Nähe ist. Das bringt erfahrungsgemäß mehr Menschen auf die Straße. Auf der anderen Seite ist zu verbuchen, dass die Absage die Konferenzgegner einen Schritt näher an ihr Ziel gebracht haben könnte: die Konferenz ganz abzuschaffen. Veranstalter Teltschik hat auch sein Teil dazu beigetragen, die Konferenz zu entschärfen und sie damit gerade für die Hardliner unter den Militärexperten uninteressant zu machen. Der geladene Kofi Annan in dieser Runde ist einfach ein Fremdkörper, und ihm auch noch einen Friedenspreis zu verleihen, verträgt sich nun einmal nicht mit dem "Geist" der Konferenz und stiehlt obendrein dem Abgesandten der US-Administration die Schau. Möglich also, dass das Jahr 2005 den Beginn des Niedergangs der Münchner Sicherheitskonferenz markiert.
Dem Frieden kann das nur recht sein.

Pst

Im Folgenden dokumentieren wir neue Medien-Informationen über den aktuellen Stand der Vorbereitung der Münchner Sicherheitskonferenz.

Rumsfeld spielt den Beleidigten

Hier wie da: Vorbereitungen auf die Münchner Sicherheitskonferenz

Zum 41. Mal werden sich ab 12. Februar in München Außen- und Verteidigungsminister, Militärs und Rüstungslobbyisten der NATO-Staaten zur so genannten »Konferenz für Sicherheitspolitik« versammeln.


München (ND-Brauns). Erstmals werden an der Sicherheitskonferenz Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundespräsident Horst Köhler und UN-Generalsekretär Kofi Annan teilnehmen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat dagegen seine Teilnahme abgesagt. Medienberichten zufolge ist Rumsfeld über eine Anzeige der New Yorker Menschenrechtsorganisation Center for Constitutional Rights beim deutschen Generalbundesanwalt wegen Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg erbost. Mit Douglas J. Feith, der »Nummer Drei im Pentagon«, werden die USA weiterhin durch einen der schärfsten Falken der US-Administration vertreten sein.

Mehr als 60 Organisationen – von kommunistischen Gruppen über die PDS und den ver.di-Bezirk München bis zu Pax Christi – haben sich gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen. Geplant ist unter anderem eine Großdemonstration am Sonnabend dem 12. Februar sowie eine Friedenskonferenz unter der Schirmherrschaft des alternativen Nobelpreisträgers Professor Hans-Peter Dürr.

Mittlerweile bestimmten die Kritiker der Konferenz offensichtlich die Agenda, erklärte der PDS-Europaabgeordnete Tobias Pflüger auf einer Pressekonferenz des Aktionsbündnisses am Montag in München. So habe Organisator Horst Teltschik mit dem Motto »Frieden durch Dialog« und der geplanten Verleihung einer Friedensplakette an UN-Generalsekretär Kofi Annan die Konferenz in »Friedenswatte« gehüllt. Trotz dieser Friedensrhetorik ginge es weiterhin um die Planung laufender und zukünftiger Kriege, warnte Pflüger, der als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament an der Konferenz teilnehmen möchte.

Im Mittelpunkt der diesjährigen Konferenz werden die jüngsten US-Drohungen gegen den Iran, die Lage im Irak und die weitere Militarisierung der EU stehen. Die Proteste des Aktionsbündnisses richteten sich ausdrücklich nicht gegen UN-Generalsekretär Kofi Annan, erklärte Demo-Organisator Claus Schreer. Zusammen mit verschiedenen Friedensorganisationen fordert er Annan dazu auf, seine Zusage für die Teilnahme an der Konferenz zurückzuziehen. »Im Ergebnis würde Ihre Teilnahme an dieser Konferenz, sowohl von den Veranstaltern als auch in der Öffentlichkeit, als Billigung der militär- und machtpolitischen Ziele der NATO interpretiert werden«, heißt es in einem offenen Brief. Einmütig habe der Vorstand des ver.di-Bezirks München die Teilnahme der Gewerkschaft an den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz beschlossen, berichtete der stellvertretende Münchner ver.di-Vorsitzende Ernst Antoni.

Auch Liedermacher Konstantin Wecker, der bereits in den letzten Jahren gegen die Sicherheitskonferenz protestierte, hofft, durch die Demonstration wieder ein Klima zu schaffen, in dem »die Bürger wachgerüttelt« werden und Kriegsgegner nicht als »Außenseiter« erscheinen.

Neues Deutschland, 25. Januar 2005

Kriegskonferenz in Friedenswatte gepackt

Kritiker fordern UN-Generalsekretär auf, nicht an Münchner NATO-Tagung teilzunehmen

Während Horst Teltschik, der Veranstalter der sogenannten 41. Münchner Sicherheitskonferenz vom 11. bis 13. Februar, mit »höchster politischer Prominenz« für das Treffen der Kriegsstrategen wirbt, bereitet die Antikriegsbewegung sich auf Proteste vor.

Erstmals werden Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundespräsident Horst Köhler sowie der Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan an der Tagung von Verteidigungsministern, hochrangigen Militärs und Rüstungslobbyisten teilnehmen, hatte Teltschik angekündigt. Die Gegner der Konferenz können dagegen auf die stolze Zahl von über 60 Organisationen von kommunistischen Gruppen über die PDS bis zu Pax Christi und dem ver.di-Bezirk München verweisen, die sich im Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz zusammengeschlossen haben.

Inzwischen bestimmten die Kritiker sogar die Agenda der Sicherheitskonferenz, mutmaßte der parteilose Abgeordnete der europäischen Linksfraktion Tobias Pflüger auf einer Pressekonferenz des Bündnisses am Montag in München. Teltschik sei durch die Proteste der Friedensbewegung gezwungen worden, die Kriegskonferenz in »Friedenswatte« zu verhüllen. So steht das Treffen unter dem Motto »Frieden durch Dialog« und UN-Generalsekretär Kofi Annan soll mit einer Friedensplakette ausgezeichnet werden. Trotz dieser geänderten Außendarstellung gehe es um die Planung derzeitiger und zukünftiger Kriege, so Pflüger.

Der Liedermacher Konstantin Wecker erinnerte in diesem Zusammenhang insbesondere an die jüngsten Drohungen der US-Regierung gegen den Iran. Nach dem Abklingen der Proteste gegen den Irak-Krieg käme man sich heute als Kriegsgegner wieder wie ein »Außenseiter« vor beklagte Wecker. Es gelte, die Kriegsgefahr wieder ins Bewußtsein der Bürger zu tragen und ein Diskussionsklima über Wege zum Frieden zu schaffen, warb Wecker für eine von pazifistischen Gruppen organisierte Friedenskonferenz am 11. Februar in der bayrischen Landeshauptstadt und die Großdemonstration am folgenden Tag. Obwohl der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) die städtische Unterstützung für die Friedenskonferenz davon abhängig machte, daß die DKP als Mitveranstalter sowie ein Satz, der die Angriffskriege der Bundesregierung thematisierte, aus dem Aufruf gestrichen wurde, sieht Wecker in Ude »durchaus einen Verbündeten«.

Eine Reihe pazifistischer Gruppen, darunter das Munich-American Peace Committee, fordern den UN-Generalsekretär auf, seine Teilnahme an der Sicherheitskonferenz zu überdenken: »Im Ergebnis würde Ihre Teilnahme an dieser Konferenz, sowohl von den Veranstaltern als auch in der Öffentlichkeit, als Billigung der militär- und machtpolitischen Ziele der NATO interpretiert werden«, heißt es im Brief des Bündnisses »München gegen Krieg«.

Als weiteren Erfolg der Antikriegsbewegung bezeichnete Pflüger die Ankündigung Donald Rumsfelds, nicht wie in den Vorjahren an der Sicherheitskonferenz teilzunehmen. Offensichtlich ist der US-Verteidigungsminister wegen einer gegen ihn laufenden Strafanzeige beim Generalbundesanwalt wegen seiner mutmaßlichen Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg verstimmt. Das Ermittlungsverfahren, dessen Stichhaltigkeit noch von der Bundesanwaltschaft überprüft wird, geht auf eine Strafanzeige der Menschenrechtsorganisation »Center for Constitutional Rights« in New York zurück. Die USA werden auf der Münchner Konferenz durch die Nummer drei des Pentagon Douglas J. Feith vertreten sein. Der neokonservative Hardliner Feith gilt als der zentrale Planer des Angriffs auf den Irak.

Aus: junge Welt (Nick Brauns), 25. Januar 2005

Demos gegen Kriegstreiber – nicht gegen den UN-Generalsekretär

Presseerklärung des AKTIONSBÜNDNISSES GEGEN DIE NATO-SICHERHEITSKONFERENZ

Kofi Annan ist selbstverständlich nicht die Zielscheibe unserer Proteste am 11. und 12. Februar. Wenn Horst Teltschik jetzt dieses Märchen verbreitet, dann gehört das offensichtlich zu seinen verzweifelten Versuchen, selbst aus der Schusslinie zu kommen und vom eigentlichen Anlass der Kritik abzulenken. Die Teilnahme Kofi Annans an der "Sicherheitskonferenz" ändert nämlich rein gar nichts am militärpolitischen Charakter dieser NATO-Tagung. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer.

Wir fänden es nicht nur besser, Kofi Annan würde nicht kommen, wir raten ihm sogar dringendst ab, an einer Veranstaltung teilzunehmen, bei der es nicht im Entferntesten um Völkerverständigung und Friedenssicherung geht.

Es ist auch nicht der Tagungsort "Bayerischer Hof", der Jahr für Jahr Massenproteste provoziert, sondern die Tatsache, das bei diesen Treffen Militärinterventionen und völkerrechtswidrige Angriffskriege propagandistisch vorbereitet und abgesprochen werden. Wir wollen derartige Kriegskonferenzen weder in München noch anderswo. Und erst recht wollen wir nicht, dass notorische Kriegsverbrecher wie Donald Rumsfeld und Condoleeza Rice in München willkommen geheißen werden.

München, den 14. Januar 2005

Claus Schreer
für das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz, ein Zusammenschluss von inzwischen 60 Organisationen und Initiativen

Quelle: www.muenchner-friedensbuendnis.de


Zu anderen Berichten von der Sicherheitskonferenz

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