Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Töten darf nicht als normal gelten"

Kriegsgegner wollen bei Bochumer Ausbildungsmesse gegen die Bundeswehr protestieren. Ein Gespräch mit Martin Budich *


Martin Budich ist seit mehr als 20 Jahren Aktivist des Bochumer Friedensplenums.


Am Mittwoch und Donnerstag findet in der städtischen Veranstaltungshalle »RuhrCongress« in Bochum erneut eine Berufsbildungsmesse für junge Menschen statt. Dort wird auch die Bundeswehr um Nachwuchs werben. Sie rufen zum Protest dagegen auf. Warum?

Wir protestieren seit Jahren gegen die Präsenz der Bundeswehr auf der Messe. Wir haben es auch geschafft, daß dies von den Medien und den Schülerinnen und Schülern wahrgenommen wird. Wir sorgen dafür, daß die Anwesenheit des Militärs nicht als »normal« angesehen wird. Im letzten Jahr hat das Jugendamt der Stadt – von unserem Protest genervt – die Bundeswehr sogar ausgeladen. CDU, SPD und Grüne haben dann im Rat der Stadt einen Beschluß herbeigeführt, daß die Bundeswehr doch wieder eingeladen wird, aber nur für zivile Berufe werben darf, was natürlich Quatsch ist.

Und Sie wollen deutlich machen, daß die Bundeswehr kein Arbeitgeber wie jeder andere ist?

Kein normaler Arbeitgeber hat es nötig, mit einem derartigen Millionen-Euro-Aufwand um Nachwuchs zu werben, wie die Bundeswehr. Sie weiß also selbst, daß sie keine normale Arbeitgeberin ist. Nirgendwo sonst ist Nachwuchswerbung so verlogen. Kriegsdienst als Abenteuer- und Eventerlebnisse darzustellen, ist obszön. In einer sich als zivilisiert verstehenden Gesellschaft darf die Ausbildung zum Töten nicht als normal gelten.

Können Sie es jungen Menschen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, tatsächlich verdenken, wenn sie über eine berufliche Perspektive bei der Armee nachdenken?

Wir protestieren nicht gegen die Jugendlichen, die sich für die Bundeswehr interessieren. Wir demonstrieren gegen die Propaganda des Militärs. Natürlich hat der gigantische Werbeaufwand auch eine Wirkung – und die Karriereversprechen der Bundeswehr locken. Es ist aber ein Erfolg der antimilitaristischen Kräfte, daß die Bundeswehr dennoch massive Nachwuchsprobleme hat.

Und doch entscheiden sich nicht wenige Männer und Frauen für den Soldatenberuf. Wie argumentieren Sie dagegen?

Diejenigen, die die Bundeswehr toll finden oder sich entschieden haben, zumindest dort ihr Geld zu verdienen, erreichen wir kaum. Wir wollen die 10000 Schülerinnen und Schüler erreichen, die sich orientieren wollen. Ihnen machen wir mit unserem Protest klar, daß der Soldatenberuf nichts Normales ist. Wir zeigen ihnen auf, welche persönlichen Risiken sie eingehen, wenn sie in Kriegseinsätzen Täter und Opfer sein können. Wir werben vor allem auch für eine bewußte politische Entscheidung gegen die Bundeswehr und gegen die Militarisierung der deutschen Politik. Eine wichtige Zielgruppe unserer Aktion sehen wir auch in den Lehrerinnen und Lehrern, die mit ihren Klassen auf der Messe unterwegs sind. An sie verteilen wir eine Broschüre von GEW und terre des hommes mit guten Argumenten gegen Bundeswehrauftritte: zum Beispiel, daß deren Werbung an Schulen gegen die Kinderrechtskonvention der UN verstößt.

Bei vergangenen Protesten gegen Auftritte der Bundeswehr war ein ziemlich großes Aufgebot an Polizeibeamten und Securitykräften zugegen. Ist antimilitaristischer Protest vor diesem Hintergrund überhaupt möglich?

Gegen unseren Protest vor dem Eingang der Halle ist das Jugendamt machtlos. Mit einem Infostand, Transparenten und Flyern sprechen wir die Besucherinnen und Besucher an. Im letzten Jahr waren die Veranstalter so dumm, den Schülerinnen und Schülern die Flyer am Eingang der Halle aus der Hand zu reißen. Das machte die Flyer nur interessanter.

Innerhalb der Halle wurde allerdings jeder kleinste Protest sofort unterbunden. Wer ein Transparent ausrollte oder Flyer verteilte, wurde sofort festgenommen und erhielt Hausverbot. Es gab mehr als 30 Hausverbote. Mitglieder der Linke-Ratsfraktion wurden von der Polizei aus der Halle geführt, weil sie den Schriftzug »Kein Werben fürs Sterben« auf dem T-Shirt trugen.

Wir haben jetzt 100 solcher T-Shirts drucken lassen. Wenn alle paar Minuten jemand von der Polizei mit diesem T-Shirt aus der Halle geführt wird, dann hat das sicherlich aufklärerischen Charakter. Wenn anderenfalls viele Menschen auf der Messe vor dem Bundeswehrstand mit dem T-Shirt zu sehen sind, ist dies auch ein gutes Zeichen

Interview: Markus Bernhardt

* Aus: junge Welt, Dienstag 9. September 2014


Zurück zur Seite "Bundeswehr an Schulen und Hochschulen"

Zur Seite "Bundeswehr an Schulen und Hochschulen" (Beiträge vor 2014)

Zur Friedensbewegungs-Seite

Zur Friedensbewegungs-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage