"Militärpropaganda in der Fläche"
Die Abgeordnete Kathrin Vogler über die Zusammenarbeit von Kommunen und Bundeswehr
Die Bundestagsabgeordnete der LINKEN ist in der Friedensbewegung aktiv,
unter anderem in der DFG-VK.
Neues Deutschland: Die Bundesregierung hat auf Ihre Anfrage zu
Patenschaften von Gemeinden oder Städten mit Einheiten der Bundeswehr
geantwortet. Sind Sie jetzt schlauer?
Vogler: Mich hat vor allem überrascht, dass es so viele Patenschaften
sind. 700 gibt es derzeit, fast 200 weitere wurden nach einer Zeit
wieder aufgehoben. Außerdem fällt auf, dass vor allem kleinere Städte
und Gemeinden beteiligt sind. Für die Bundeswehr sind die Patenschaften
offensichtlich ein Mittel, um Militärpropaganda in der Fläche
sicherzustellen.
Die Patenschaften sollen das Verständnis der Bürger für die Bundeswehr
»als Instrument einer wehrhaften Demokratie zur Friedenssicherung
fördern«, wie die Bundesregierung betont. Demokratie und Frieden also
ein gegenseitiges Interesse?
Das gegenseitige Verständnis zwischen Bürgern und Soldaten wird immer
gerne betont. Tatsächlich werden die Patenschaften genutzt, um die
Bevölkerung für den Kriegskurs in Afghanistan zu gewinnen. Dass in der
Bundeswehr Verständnis für die ablehnende Haltung der Bevölkerung
geschaffen werden soll das kann doch niemand ernsthaft glauben.
Inwieweit geht es bei den Patenschaften um aktuelle Streitfragen wie
Afghanistan?
In Gammertingen wurden die Soldaten offiziell verabschiedet, die nach
Afghanistan geschickt wurden. Die Botschaft: Die Stadt steht hinter dem
Einsatz. Das mag für die Mehrheit im Stadtrat stimmen, aber sicher nicht
für die Bürger.
Ist das der Regelfall?
Nein, meistens bedeuten die Patenschaften einfach, dass die Stadt bei
Veranstaltungen von der Bundeswehr unterstützt wird. Viele
Kulturveranstaltungen, Feste, Feierlichkeiten wären ohne die Logistik
der Bundeswehr nicht denkbar. Nachzulesen ist das beispielsweise auf der
offiziellen Internetseite von Berlin-Reinickendorf.
Da müssten Sie sich doch freuen: Die Bundeswehr hilft bei Stadtfesten ...
Die Bundeswehr tut das nicht aus Nächstenliebe. Sie darf im Gegenzug
Werbung machen. Beim evangelischen Kirchentag in Bremen zum Beispiel war
der »Karriere-Truck« vor Ort, an dem wurden Jugendliche rekrutiert.
Militär gehört so zum Alltag, wird zum Normalen. Das Normale ruft kaum
Widerstand hervor.
Laut Bundesregierung sind Unterstützungsleistungen nicht Teil von
Patenschaften. Außerdem helfe die Bundeswehr nur, wo sie nicht in
Konkurrenz zur gewerblichen Wirtschaft stehe.
Vor Ort wird aber viel gemauschelt. Die Soldaten sind da, das Material
ist da dann nutzt man das halt. Gerade, wenn die Kassen knapp sind. In
Nordrhein-Westfalen sind die Kommunen so verschuldet, dass nur noch jede
vierte selbstständig über ihren Haushalt entscheiden darf.
Die Kooperationen werden aus Geldnot eingegangen?
Nicht unbedingt, denn es gibt keine Zahlen darüber, wie viel die
Gemeinden und Städte dafür zahlen. Es könnte sich bei dieser Annahme um
eine Milchmädchenrechnung handeln.
Wenn das Motiv von Gemeinden für solche Patenschaften verschwindet, was
dann?
Patenschaften sind ein Mittel, den Arbeitgeber Bundeswehr an den
Standort zu binden. Wenn die Gemeinde aber die Zusammenarbeit nicht mehr
will, dann kann sie die das hat nun auch die Bundesregierung noch
einmal schwarz auf weiß bestätigt jederzeit einseitig aufkündigen.
Fragen: Felix Werdermann
* Aus: Neues Deutschland, 23. August 2010
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