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Rekrutenfang in Nürnberg

Protest gegen Werbetruck der Bundeswehr

Von Leonhard Seidl, Nürnberg *

Während Unions-Politiker über die Zukunft der Wehrpflicht diskutieren, rollt der Werbe-Truck der Bundeswehr munter weiter. Am Wochenende machte er Halt in Nürnberg. Kritiker, darunter LINKEN-Stadtrat Hans-Joachim Patzelt, wurden ausgesperrt.

Schon am Freitag (23. Juli) lockte der moderne Bundeswehrtruck auf der Technikmeile des Verbandes Deutscher Ingenieure (VDI) zwischen Zelten von Siemens, MAN und anderen mit einem Glücksrad. Während sich ein paar junge Soldaten darüber unterhielten, wo in Nürnberg die Prostituierten zu finden seien, machte der Wehrdienstbeauftrage Peter Zeininger einem Jugendlichen einen Truppenbesuch schmackhaft: »Fahrtkosten und Verpflegung zahlt die Bundeswehr.«

Der Truck strotzt vor teurem Equipment: Über mehrere Breitbandbildschirme flimmern Bilder, in denen Soldaten Einheimischen im Kongo fröhlich zuwinken – einem Land, wo das deutsche Militär vielleicht keine Kindersoldaten und Rebellen ausbildet, wie mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in Somalia. Hochglanzprospekte und Zeitschriften werben für eine Karriere mit vielen Perspektiven. Zeininger pries auch den Flugsimulator auf der anderen Seite des Platzes an, in dem man zynischerweise auch über Sarajevo fliegen kann: »Macht Spaß und kostet ja nix!«

Zutritt verwehrt

Neben dem Flugsimulator lief ein »Quiz mit Zack«. Dort hatten sich Rekruten der Rebel Clown Army an den Mikrofonen eingefunden und wollten ebenfalls rekrutiert werden. Auf die Frage, wo die Bundeswehr Universitäten unterhalte, antwortete ein Clown mit »Afghanistan«, was der Moderator nicht so lustig fand, wie auch die Tatsache, dass die Clowns mit Konfetti und Luftschlangen warfen. Die Polizei wurde geholt, worauf sich die Spaßarmee zum Truck gesellte und dort Füße, Arme und Kopf einer Puppe – »Wie in Afghanistan!« – herumfliegen ließ.

Für den Samstag hatten ver.di und andere zu einer Kundgebung aufgerufen, Motto: »Unser Sparpaket, kein Cent und keine Jugendlichen für euren Krieg!«. Diese Kundgebung konnte allerdings nur weiter entfernt und unter der Auflage stattfinden, nicht auf Stahlfässern zu trommeln und auch ansonsten keinen Lärm zu machen. Was die Aktivisten auf einem Transparent mitteilten: »Rekrutierten für den Krieg erlaubt, trommeln dagegen verboten.« Laut Helmut Doser von ver.di konnte dieses Verbot erteilt werden, weil »die Technikmeile den Bereich gemietet und bezahlt hat«.

Christian Schmidt, Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, sprach schließlich auf der Bühne des VDI von der Bundeswehr als Teil der »äußeren Sicherheit« sowie vom demokratischen Dialog. Der blieb allerdings aus, als Schmidt dann den Bundeswehrtruck betrat, dem ND-Autoren aber der Zutritt strikt verwehrt wurde – unter Verweis auf das Hausrecht. Auch auf Nachfrage wurde der Schritt nicht weiter begründet, der CSU-Staatssekretär war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Als sich der anwesende LINKEN-Stadtrat Hans-Joachim Patzelt einschaltete, erhielt auch er von der Polizei einen Truckverweis.

CSU sträubt sich

»Es ist unerhört, mit welchem Aufwand die Bundeswehr Werbung von unseren Steuergeldern betreibt, um junge Menschen für den Krieg zu gewinnen. Aber da ist kritische Presse eben nicht gefragt«, sagte Patzelt gegenüber dem ND.

Im Nürnberger Schulausschuss hatten sich LINKE, Grüne, SPD und FDP erst in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen, dass über die Propaganda-Schulbesuche der Bundeswehr in Zukunft das Schulforum aus Schulleiter, Eltern, Lehrern und Schülervertretung entscheiden soll. Dies geschah gegen die Stimmen der CSU, und deren Schulbürgermeister Klemens Gsell will den Beschluss nun gesetzlich prüfen lassen. Schließlich haben Bundeswehr und Bayerns Kultusministerium Anfang Juni ein Kooperationsabkommen abgeschlossen, damit Schule und Bundeswehr intensiver zusammenarbeiten.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Juli 2010


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