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"Friedensgruppen sind in die Falle getappt"

Rheinland-Pfalz: Pazifisten schließen Kooperationsvereinbarung mit Landesregierung. Gespräch mit Markus Pflüger *


Markus Pflüger ist Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V. in Trier.

Im Februar 2010 hat die Bundeswehr in Rheinland-Pfalz mit dem Kultusministerium eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. Diese gewährt Jugendoffizieren der Bundeswehr den Zugang zu Schülern, um sie von der Notwendigkeit der Armee und ihrer Einsätze zu überzeugen. Friedensorganisationen kritisieren die einseitige Einflußnahme auf die jungen Leute. Daher wurde in Rheinland-Pfalz vor einer Woche auch ein Kooperationsabkommen mit Friedensgruppen geschlossen. Warum hat sich Ihre Organisation daran nicht beteiligt?

Aus unserer Sicht ist das der falsche Weg. Wir wollen, daß die Bundeswehr nicht mehr an Schulen kommt und nicht nur, daß neben der Armee auch Friedensgruppen eine Vereinbarung besitzen – dieses Abkommen ist nur ein Feigenblatt für die Landesregierung, um die Armee-Schuleinsätze zu legitimieren. Nun kann sie behaupten, daß ein kontroverser Schulunterricht stattfinde, bei dem sowohl die Meinung der Bundeswehr als auch die von Friedensaktivisten widergespiegelt werde. Während die Bundeswehr aber jährlich Millionen Euro für ihre Werbung an Schulen ausgibt, soll es für die Friedensaktivisten in Rheinland-Pfalz nur Reisekosten geben – von 10000 Euro ist die Rede. Die Jugendoffiziere werden zudem rhetorisch und didaktisch für ihre Einsätze von der Armee geschult und sind nur für diese Auftritte da. Friedensgruppen haben hingegen kaum Ressourcen zur Verfügung – die meisten Friedensaktivisten arbeiten ehrenamtlich, es gibt nur sehr wenige hauptamtliche Mitarbeiter, die haben auch noch anderes zu tun. Zudem ist die Friedensbewegung heute und auf absehbare Zeit kaum in der Lage, den Jugendoffizieren quantitativ etwas entgegenzusetzen – die Soldaten führen jährlich Hunderte Vorträge in Rheinland-Pfalz durch und organisieren sogar Klassenausflüge. Von Ausgewogenheit oder Diskussionen auf Augenhöhe kann überhaupt keine Rede sein.

Zuvor konnte die Bundeswehr ganz allein und ungestört Einfluß auf Schüler nehmen. Ist es also nicht wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung, wenn nun auch Friedensgruppen an Schulen kommen dürfen?

Genau in diese Falle sind die an der Kooperationsvereinbarung mit dem Ministerium beteiligten Friedensgruppen getappt. Auch konnten die Gruppen bisher jederzeit an Schulen aktiv werden und dort Friedensbildung leisten. Der beste Zugang dazu sind persönliche Kontakte zu Schülern, Eltern und Lehrern – das funktioniert nach meinen Erfahrungen auch gut, dafür braucht man keine offizielle Bestätigung des Ministeriums. Natürlich macht es auch Sinn, sich zu vernetzen, um sich als friedensbewegte Menschen auszutauschen und gemeinsam fortzubilden. Doch dafür ist ebenfalls kein Wappen der Obrigkeit nötig. Inhaltlich kann die Friedensbewegung sehr wohl gegen die Bundeswehr-Werber bestehen. Wir haben gute Argumente und fähige Leute. Es ist wichtig, die Menschen über den Werbefeldzug der Bundeswehr aufzuklären, und ihnen zu erklären wofür die Armee steht: weltweite Kriegs- und Militäreinsätze für Macht- und Wirtschaftsinteressen. Es geht eben nicht um humanitäre Einsätze wie es Armee und Politik vorgeben. Gerade jungen Leuten müssen wir erklären, was es heißt, Soldat zu sein: im Zweifel zu töten oder selbst getötet zu werden, aber in jedem Fall einer falschen Sache zu dienen. Eigene Kooperationsvereinbarungen mit dem Kultusministerium brauchen wir nicht, um unsere Ansichten an junge Menschen heranzutragen, vor allem wenn es deswegen bei der Bundeswehr-Kooperationen bleibt.

Auch andere Friedensgruppen in Rheinland-Pfalz kritisieren die Kooperation mit dem Ministerium. Sind die Kritiker oder die Befürworter des Abkommens in der Mehrheit?

Die fünfzehn Gruppen, die die Kooperationsvereinbarung abgeschlossen haben, würde ich als gut ein Drittel der Friedensbewegung in Rheinland-Pfalz bezeichnen. Es sind überwiegend kirchlich-christliche Gruppen, zum Teil sogar nur Arbeitsstellen. Es gibt aber auch christliche Gruppen, die eindeutig gegen dieses Kooperationsabkommen sind wie beispielsweise das Ökumenische Netz oder Pax Christi Trier. Die Befürworter sehen nicht die politische Dimension, die diese eigene Vereinbarung hat. Diese ist natürlich von der Rot-Grünen-Landesregierung ein Pseudoausgleich, um nicht gegen die mittlerweile von vielen Seiten kritisierten Einsätze der Bundeswehr an Schulen vorzugehen. In der Unterzeichnung der Kooperation sehe ich eine Schwächung der Bewegung gegen Armee-Einsätze an Schulen.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

* Aus: junge Welt, 22. August 2011


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