"Diese Regelung ändert nichts an unserer grundsätzlichen Kritik an den Schulbesuchen der Bundeswehr"
Friedensgruppen in NRW fordern Kündigung des Kooperationsabkommen mit der Bundeswehr - Offener Brief
Im Folgenden dokumentieren wir einen Offenen Brief eines Friedensbündnisses in NRW an das Ministerium für Schule und Weiterbildung.
Offener Brief des Bündnis „Schule ohne Bundeswehr NRW“ an das Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW
Ministerium für Schule und Weiterbildung
des Landes Nordrhein-Westfalen
- Die Ministerin -
Frau Silvia Löhrmann
Trotz Erlass fordern Friedensgruppen ersatzlose Kündigung des
Kooperationsabkommen mit der Bundeswehr
Dortmund, im Dezember 2011
Sehr geehrte Frau Löhrmann,
mit Interesse hat das Bündnis „Schule ohne Bundeswehr NRW“ den Ministeriums-Erlass „Beteiligung von
Organisationen der Friedensbewegung am Unterricht“ vom 29.09.2011 zur Kenntnis genommen. Er greift
erste Punkte unserer Kritik an dem zunehmenden Einfluss der Bundeswehr auf die Schulen auf, ohne
allerdings zum Kern vorzudringen.
Im Oktober 2008 hat die damalige Ministerin für Schule und Weiterbildung Frau Sommer mit der
Bundeswehr ein sogenanntes
Kooperationsabkommen geschlossen. Dieses Abkommen verschafft der
Bundeswehr einen priviligierten Zugang zur Schule und zur Aus- und Fortbildung von ReferendarInnen und
Lehrkräften.
Das Abkommen, das später zum Vorbild für mehrere weitere Abkommen anderer Bundesländer mit der
Bundeswehr diente, wird von Friedens- und Antikriegsgruppen, der LehrerInnengewerkschaft GEW,
SchülerInnenvertretungen, kirchlichen Gruppen, Jugendverbänden und vielen anderen kritisiert. Sie sehen in diesem Abkommen vor allem den Versuch der Bundeswehr mit Unterstützung des
Ministeriums, auf diesem Wege für eine Militärpolitik zu werben, die von großen Teilen der Bevölkerung
abgelehnt wird.
Auch sehen die KritikerInnen hierin verbotene Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen der Bundeswehr. Sie fordern deshalb von der Landesregierung die ersatzlose Streichung des Abkommens und ein Verbot der Bundeswehr-Werbung in Schulen und Universitäten.
Die aktuelle rot-grüne Landesregierung hat sich jedoch hinter das Abkommen mit der Bundeswehr gestellt
und lediglich eine sogenannte „Modifikation“ angekündigt.
Mit Erlass vom 29.09.2011 hat das Ministerium nun auf die Kritik reagiert und einige Aspekte geregelt, die
eigentlich Selbstverständlichkeiten sein sollten, darunter den möglichen Zugang von Friedensreferenten/
innen zum Schulunterricht.
Das Ministerium erklärt, daß die Verantwortung für die Durchführung des Unterrichts bei der Lehrkraft liegt
und diese während der gesamten Unterrichtszeit anwesend sein muß. Daß dieses vom Ministerium in einem
Erlaß ausdrücklich betont werden muß, bestätigt unsere Kritik, daß die Jugendoffiziere der Bundeswehr sehr
wohl gegen die Grundsätze politischer Bildung – v.a. auch das Überwältigungsverbot und das Verbot der
Indoktrination, wie sie im sogen. „Beutelsbacher Konsens“ formuliert sind – verstoßen.
Wir begrüßen, daß Referentinnen aus der Friedensbewegung für ihre Tätigkeit im Schulunterricht nunmehr
eine Aufwandsentschädigung erhalten, zumal es sich bei ihnen i.d.R. um ehrenamtliche Referentinnen
handelt. Daß hierdurch die vom Ministerium geforderte „gebotene Ausgewogenheit“ und „gleichgewichtige
Einbeziehung der in Gesellschaft und Politik kontrovers diskutierten Positionen“ im Unterricht
gewährleistet würde, sehen wir jedoch nicht. Die wenigen oft ehrenamtlichen ReferentInnen aus der
Friedensbewegung haben auch mit (bescheidener) Auswandsentschädigung nicht die Möglichkeiten, über die
die Bundeswehr mit 94 hauptamtlichen Jugendoffizieren und ihren Millionen-Etats verfügt. Daher ändert
diese Regelung nichts an unserer grundsätzlichen Kritik an den Schulbesuchen der Bundeswehr.
Wir begrüßen, daß das Ministerium nunmehr die Teilnahme an Truppenbesuchen grundsätzlich zur
„freiwilligen Schulveranstaltung“ erklärt, v.a. weil die SchülerInnen auch dort den direkten Rekrutierungsbemühungen
der Bundeswehr ausgesetzt werden. Doch ist auch dieser Schritt bestenfalls ein „Feigenblatt“,
da die wesentlichen Auftritte der Bundeswehr eben in den Schulen stattfinden. Die Truppenbesuche sollten
prinzipiell eingestellt werden, da hier vor allem mit der Faszination der Technik die Einstellung der
Schülerinnen und Schüler manipuliert wird.
Das Ministerium hat mehrfach angekündigt, daß sie den Passus des Kooperationsabkommens, der der
Bundeswehr den Zugang zur Aus- und Fortbildung von ReferendarInnen und Lehrkräften ermöglicht,
kündigen wolle (so Staatssekretär Hecke auf einer Podiumsdiskussion am 02.09.11 in Aachen).
Hierzu stehe das Ministerium mit der Bundeswehr in Verhandlungen, die aber von der Bundeswehr
verschleppt würden.
Wir erwarten und fordern vom Ministerium, daß diese Kündigung nunmehr endlich durchgeführt wird.
Wir sehen nicht, daß eine Streichung dieses Privilegs der Bundeswehr der Zustimmung derselben bedarf.
Wenn das Ministerium die Kündigung wirklich will, soll es der Bundeswehr mitteilen, daß die
Jugendoffiziere ab sofort keinen Zugang mehr zur Aus- und Fortbildung haben.
Insgesamt dokumentiert der Erlaß vom 29.09.2011, daß auch das Ministerium für Schule und Weiterbildung
NRW die Kritik am Auftreten der Bundeswehr in den Schulen teilt.
Es dokumentiert aber ebenfalls, daß ihm die Kraft und der Mut fehlen, hieraus den einzig richtigen Schluß zu
ziehen, im Interesse der SchülerInnen und Lehrkräfte, im Interesse einer zukunftsorientierten Schule, die laut
Schulgesetz des Landes NRW u.a. auch zur „Friedensgesinnung“ erziehen soll:
-
die ersatzlose Kündigung des Kooperationsabkommens mit der Bundeswehr
Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Schramm
Bündnis „Schule ohne Bundeswehr NRW“
Quelle: www.schule-ohne-bundeswehr-nrw.de
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