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Kritik an Bundeswehr verboten

Sachsen-Anhalt: Landesregierung schließt Friedensinitiative aus politischen Gründen von Festumzug aus

Von Susan Bonath*

Wie lebten die Menschen in der Region zwischen Magdeburg und Halle früher – und wie leben sie heute? Das sollen Vereine, Initiativen, Musik- und Trachtengruppen auch in diesem Jahr beim Festumzug auf dem Sachsen-Anhalt-Tag nachstellen. Nur politisch darf es bei der Geschichtsschau Ende Juni in Gommern nicht zugehen. Diese Bedingung sahen Stadt und Land bei der Friedensinitiative »Offene Heide« nicht erfüllt und erteilten ihr eine Absage. Eigentlich wollte die Gruppe, die sich seit zwei Jahrzehnten für eine zivile Nutzung des Naturschutzgebietes Colbitz-Letzlinger Heide einsetzt, über den dortigen europaweit modernsten Truppenübungsplatz informieren – ein militärisches Areal, auf dem schon Hitlers Armee trainierte.

Dabei hatte die Bürgerinitiative in der Vergangenheit bereits an mehreren Festumzügen teilgenommen. 2012 in Dessau etwa schmückten unter anderem Friedenstauben ihren Wagen. Auf einem Transparent waren ein Soldatenhelm, eine riesige Euromünze und der Spruch: »Wir lassen uns keinen Bären aufbinden« zu bewundern.

»Wir befinden uns hier in einer Region, in der Soldaten, die auf Kriege vorbereitet werden, mit Panzern durch Orte fahren«, kritisiert ein Sprecher der Bürgerinitiative gegenüber jW. In der Colbitz-Letzlinger Heide wird derzeit auf sechseinhalb Quadratkilometern eine militärische Übungsstadt gebaut, in der deutsche Soldaten den Städtekampf trainieren sollen. Die Kosten werden sich auf über 100 Millionen Euro belaufen. Darüber wollte die Bürgerinitiative beim Festumzug informieren.

Aber auch die regelmäßigen Rekrutierungsversuche der Bundeswehr in der Region stoßen bei den Friedensaktivisten auf Ablehnung. »Die Bundeswehr wirbt massiv um Nachwuchs, wegen der hohen Arbeitslosigkeit ist sie damit leider recht erfolgreich«, so der Sprecher weiter.

Die Rekrutierung erfolgt nicht nur in Schulen, sondern auch regelmäßig bei den Sachsen-Anhalt-Tagen. Mit Infomobilen, »Karrieretrucks« und einem Stand des Reservistenverbandes besetzte sie dort in den vergangenen Jahren teils ganze Straßenzüge. Auch für das diesjährige Event kündigt sich das Militär bereits an. Die Mitglieder der »Offenen Heide« sprechen lieber von »Werben für’s Sterben«.

Genau wegen solcher Sprüche habe seine Behörde die Beteiligung der Bürgerinitiative verboten, erklärte Rainer Metke, Sprecher der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, auf jW-Nachfrage. Damit hätten die Aktivisten das Militär »verunglimpft«. »Es geht der BI offensichtlich darum, die Aufgaben der staatlichen Institution Bundeswehr in einer nicht angemessenen Art und vor großem Publikum zu diskreditieren, und dies mit zunehmender Schärfe«, sagte Metke weiter.

Ähnlich argumentiert auch Wolfgang Rauls, einer der Organisatoren des Festumzugs. Und außerdem, legte der FDP-Politiker und ehemalige Landtagsabgeordnete nach, könne er sich nicht erinnern, »daß Ihre Zeitung (Anm. d. Red.: junge Welt) mit der Nationalen Volksarmee der DDR je ein Problem hatte«.

Beide Sprecher wiesen darauf hin, daß das Friedensbündnis wegen »unerwünschter politischer Agitation« bereits im Jahr 2009 vom Festumzug in Thale (Landkreis Harz) ausgeschlossen worden war. Mit dem Förderverein für das militärhistorische Museum Dessau-Roßlau hatten die Behörden damals – und auch später – offenbar wesentlich weniger Probleme. Der Verein hatte in Thale für einen Eklat gesorgt, der kurzzeitig den Staatsschutz auf den Plan gerufen hatte: Mitglieder waren in Uniformen der Wehrmacht und der Waffen-SS mitmarschiert, angeblich, um den Zweiten Weltkrieg bildlich darzustellen. Am Ende rechtfertigten Polizei und Verein in verschiedenen Medien, die derart Kostümierten hätten verfassungswidrige Kennzeichen sauber abgeklebt. Einen Grund, von solchen Auftritten abzusehen, sahen die Militärfans somit nicht: Im vergangenen Jahr in Dessau rollten sie erneut als Osteroberer der Wehrmacht auf Kübelwagen und alten Motorrädern mit. Allerdings wurde der Förderverein in diesem Jahr ebenso wie die Bürgerinitiative vom Umzug ausgeschlossen, hieß es aus der Staatskanzlei.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 24. April 2013


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