"Kein Werben fürs Sterben"
Am Wochenende wurde in Stuttgart gegen das Engagement der Bundeswehr an Schulen demonstriert
Von Gesa von Leesen, Stuttgart *
Unter dem Slogan »Schulfrei für die Bundeswehr« haben am Samstag rund 350 Menschen gegen Werbeauftritte von Soldaten an Schulen protestiert. Aufgerufen zu der landesweiten Demo hatte ein breites Netz von Initiativen, das von der Deutschen Friedensgesellschaft über Pax Christi und Linkspartei bis zu den Jugendverbänden von DGB und Grünen reicht.
Seit die Wehrpflicht abgeschafft worden ist, hat die Bundeswehr ihr Engagement an Schulen für die Nachwuchswerbung deutlich verstärkt. Dem Bündnis »Schulfrei für die Bundeswehr« ist das ein Dorn im Auge. Soldat sei kein Beruf wie jeder andere - das war in den diversen Reden während der Demonstration am Samstag in Stuttgart immer wieder zu hören. Rund 16 Millionen Euro habe die Bundeswehr im vergangenen Jahr für Nachwuchserbung veranschlagt, so das Bündnis, für dieses Jahr seien 29 Millionen Euro vorgesehen. Die LINKE-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel sieht im verstärkten Auftreten der Bundeswehr in Schulen den Versuch, Akzeptanz für militärische Einsätze zu schaffen. Das wolle man nicht hinnehmen.
Vor dem baden-württembergischen Kultusministerium in der Stuttgarter Innenstadt stoppte der Demo-Zug für eine Zwischenkundgebung. Denn dort sitzt Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD). Sie ist zuständig für die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land und der Bundeswehr, die den Auftritt der Wehrdienstberater in Schulen ermöglicht. Bereits mehrmals wurde die Ministerin von den Grünen im Landtag - die größere der beiden Regierungsfraktionen - gedrängt, diese Kooperationsvereinbarung von 2009 zu kündigen.
Doch Warminski-Leitheußer will nicht. Drei Grünen-Abgeordnete hatten die Ministerin im Juli dieses Jahres zum wiederholten Male schriftlich aufgefordert, die Vereinbarung zu beenden, denn das wäre ein klarer Beitrag zur Stärkung der Friedenserziehung in den Schulen. In ihrem Antwortbrief erklärte Warminski-Leitheußer jedoch, die Bundeswehr-Werber seien »außerschulische Fachleute«, deren Einbindung in den Unterricht sinnvoll sei. Das möchte sie auch »mit Vertretern der Bundeswehr und Vertretern von Friedensorganisationen erörtern«, so die Ministerin. »Wir auch«, erklärt der Sprecher der DFG-VK Baden-Württemberg Klaus Pfisterer. »Aber bis heute hat die Ministerin uns nicht eingeladen.«
Auch das Wissenschaftsministerium unter der Leitung von Theresia Bauer (Grüne) war Ziel der Demonstranten. Jessica Messinger, Sprecherin der Grünen Jugend Baden-Württemberg, forderte von Bauer eine gesetzliche Zivilklausel für die Hochschulen einzuführen. »Und zwar eine richtige, nicht so einen freiwilligen Scheiß, wie Theresia Bauer das will«, so Messinger unter lautem Applaus vor allem der jungen Demonstranten. Militärische Forschung, wie sie an Universitäten betrieben werde, habe dort nichts zu suchen, befand die junge Grüne. Eine gesetzliche Zivilklausel für Hochschulen würde festschreiben, dass Forschung, Lehre und Studium nur nicht-militärischen Zwecken dienen dürfe. Messinger: »Unsere Vision lautet, dass Forschung und Wissenschaft die friedliche Konfliktlösung in den Mittelpunkt stellen.« Als Grüne Jugend werde man weiter innerparteilichen Druck ausüben, versprach Messinger. »Aber wir brauchen auch die Unterstützung dieses breiten Bündnisses.«
Dass Engagement sich lohnt, berichtete Thomas Stanka. Der 17-Jährige geht auf die Bertolt-Brecht-Schule im hessischen Darmstadt. »Wir haben uns für bundeswehrfrei erklärt«, erzählte der Schüler. Es sei mühsam, so etwas zu schaffen, aber man werde weiter machen. »Damit auch die Gymnasien dabei sind. Wir wollen keine Normalität von Bundeswehrauftritten im Alltag.«
Und deswegen machte sich nach der Demo eine Schar der jugendlichen Protestierer auf den Weg nach Balingen. In der Kleinstadt auf der schwäbischen Alb fand am Wochenende wieder mal der Jugendblasorchesterwettbewerb der Bundeswehr statt. BW-Musix 2012 nennt sich die Veranstaltung unter dem Motto »Yes 4 You«, bei der die Jugendorchester neben Geld auch Sonderaktionstage mit den Orchestern des Militärmusikdienstes gewinnen können. Erstmals traten in diesem Jahr auch Jugend- und Schülerbigbands gegeneinander an.
* Aus: neues deutschland, Montag, 22. Oktober 2012
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