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Neonazis wollen durch Dresden marschieren

Antifaschisten kündigen Massenblockaden an. Polizei mit Großaufgebot vor Ort

Von Lothar Bassermann *

Wenige Tage vor dem größten Neonaziaufmarsch Europas am Samstag (13. Feb.) in Dresden aus Anlaß der alliierten Luftschläge auf Dresden im Februar 1945 läuft die Mobilisierung gegen das braune Spektakel weiter auf Hochtouren. Das lokale Bündnis »Dresden nazifrei!«, dem sich Gewerkschaften, Vereine, Studentenorganisationen, Antifagruppen, Parteien, Jugendverbände und viele andere Organisationen und Personen angeschlossen haben, rechnet mit Unterstützung von Tausenden weiteren Gegendemonstranten, die bundesweit und aus dem Ausland in die Elbmetropole reisen werden. Davon werden allein mit Bussen rund 5000 Antifaschistinnen und Antifaschisten nach Dresden kommen. Bundesweit fanden in den letzten Wochen Blockadetrainings und unzählige Mobilisierungsveranstaltungen statt. Das gemeinsame Ziel ist die Verhinderung des Aufmarschs durch Massenblockaden. Unterstützung gibt es auch von Künstlern wie Bela B. und Konstantin Wecker.

Die Neonaziaufmärsche in Größenordnungen von bis zu 8000 Teilnehmern im Februar in Dresden haben mittlerweile Tradition. 1998 zogen erstmals alte und neue Nazis durch die Dresdner Innenstadt. Dabei wird die Kriegsschuld der Deutschen am Zweiten Weltkrieg und deren Hauptverantwortung für den Holocaust geleugnet. Die Angriffe von US-Amerikanern und Briten auf Dresden in der Nacht vom 13. zum 14. Februar zu einem »Bombenholocaust« umgedeutet. Die wissenschaftlich untermauerte Opferzahl von 18000 bis 25000 Toten wird in der rechten Propaganda mal mit dem Faktor zehn oder auch gleich mit der Zahl 20 multipliziert.

Unterdessen läuft auch das juristische Tauziehen zwischen den Behörden und den Anmeldern von Demonstrationen am 13. Februar weiter. Das Ordnungsamt der Stadt Dresden hatte unter Verweis auf einen angeblichen Polizeinotstand zunächst verfügt, daß alle angemeldeten Versammlungen am Samstag nur als Kundgebungen stattfinden können. Dagegen hatten die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Dresden geklagt, womit ihr sogenannter Trauermarsch nach aktuellem Stand genehmigt ist. Allerdings kündigte die Stadt Beschwerde gegen den Beschluß beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen an. Mit einer Entscheidung ist nach Agenturangaben erst am Donnerstag zu rechnen. Sollte die Stadt Dresden auch hier unterliegen, ließe sich die Entscheidung nicht erneut anfechten.

Abzusehen ist, daß die Zahl von 4500 Polizisten, die im Vorjahr in Dresden eingesetzt worden waren, diesmal bei weitem übertroffen werden dürfte. Die zuständigen Stellen bemühen sich massiv um Unterstützung aus anderen Bundesländern. 2009 waren rund 6000 Neonazis durch die Innenstadt marschiert, die Gegendemo eines Antifabündnisses fand, von der Polizei massiv abgeschirmt, fernab mit rund 3500 Teilnehmern statt. Unklar ist weiterhin, wo sich die Neonazis am Samstag versammeln werden. Das Bündnis »Dresden nazifrei!« mobilisiert zu Massenblockaden am Dresdner Hauptbahnhof. Ein Bündnis »Keine Versöhnung mit Deutschland« ruft bereits für Freitag zu einer Demonstation gegen »deutsche Opfermythen« auf, die 18 Uhr am Jorge-Gomondai-Platz in der Neustadt starten soll.

* Aus: junge Welt, 10. Februar 2010

Siehe auch: Nie wieder Faschismus Nie wieder Krieg!
Die Erklärung des Friedensratschlags: "Kein Naziaufmarsch in Dresden!" im Wortlaut (pdf-Datei)


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