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Auftakt in Dresden

Tausende protestierten gegen Neonazidemonstration in Elbmetropole. Polizei leitet Ermittlungsverfahren gegen VVN-Bundesvorsitzenden Fink ein

Von Markus Bernhardt *

Am Montag abend (13. Feb.) haben mehrere tausend Menschen in Dresden gegen einen Aufmarsch von rund 1 800 Neofaschisten demonstriert, die die Bombardierung der Stadt durch alliierte Streitkräfte vor 67 Jahren mißbrauchen wollten, um ihre Propaganda von einem »Bombenholocaust« gegen die Zivilbevölkerung zu erneuern. Antifaschistische Blockierer erreichten, daß der Neonaziaufmarsch erheblich abgekürzt werden mußte.

Bereits in den Mittagsstunden hatten mehr als 2700 Antifaschisten an einem vom Bündnis »Nazifrei – Dresden stellt sich quer!« organisierten Mahn- und Gedenkgang teilgenommen. Der »Spaziergang« führte zu Orten faschistischer Verbrechen oder Häuser der Täter, zum Beispiel zur früheren Villa des Nazigauleiters Martin Mutschmann. In den frühen Abendstunden hatten sich außerdem über 13000 Bürger – darunter Kulturschaffende, Politiker und Kirchenvertreter – zu einer Menschenkette zusammengefunden, um gegen den Fackelmarsch der Neofaschisten zu protestieren. Auch etwa 100 Fußballspieler, Mitarbeiter und Mitglieder der SG Dynamo Dresden beteiligten sich an der Aktion.

Insgesamt bis zu 6000 Antifaschisten nahmen unterdessen an den von »Dresden nazifrei!« an mehreren Stellen der Innenstadt organisierten Blockaden teil. Die Aufmarschroute der Rechten mußte daraufhin massiv verkürzt werden. Bereits in den vergangenen zwei Jahren war es gelungen, die Aufmarschversuche der Nazis komplett zu verhindern. Die Polizei, die ebenfalls mit rund 6000 Beamten im Einsatz war, um die Neofaschisten vor Protesten zu schützen, war zuvor an mehreren Stellen mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen potentielle Blockierer vorgegangen, wodurch eine bisher nicht genauer zu beziffernde Anzahl an Personen Verletzungen erlitt.

Empörung rief vor allem eine Polizeiaktion gegen den Bundesvorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) hervor. So nahmen sächsische Polizisten die Personalien des ehemaligen Rektors der Berliner Humboldt-Universität, Professor Dr. Heinrich Fink, auf und warfen dem 77jährigen vor, sich bei den antifaschistischen Protesten 2011 in Dresden des Landfriedensbruches und Widerstandes schuldig gemacht zu haben. Die Beamten hatten zuvor gefertigte Bilder mit Archivmaterial aus den vergangenen Jahren abgeglichen und behaupteten nunmehr, den Antifaschisten wiedererkannt zu haben. Dies, obwohl Fink im vergangenen Jahr nicht hatte an den Protesten teilnehmen können und gar nicht in Dresden war.

André Hahn, sächsischer Linksfraktionschef, der bei der Kontrolle Finks zugegen war, kündigte am Dienstag im Gespräch mit jW an, beim sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU) gegen das Vorgehen der Polizei zu protestieren.

Zuspruch erhielten die Blockaden indes von verschiedenen Politikern von Linkspartei, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. »Ich war beindruckt, vor allem von den vielen jungen Menschen, die gegen die Nazis erfolgreich demonstriert haben. Die Nazis hatten gegen diese bunte Übermacht keine Chance«, berichtete etwa Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch am Dienstag (14. Feb.) gegenüber junge Welt. Nach diesem »Aufstand der Anständigen« sei es an der Zeit, daß die Zuständigen ihre Arbeit machen. »Die verfassungsfeindliche NPD muß endlich verboten werden«, so Lötzsch.

Bei den Neonazis selbst kam es indes zu ersten Grabenkämpfen und Zerwürfnissen. Zwar bemühte sich die sächsische NPD-Fraktion in einer Erklärung, den Aufmarsch »trotz versuchter linker Blockaden und einer verkürzten Wegstrecke als Erfolg« zu verkaufen. In verschiedenen neofaschistischen Internetforen liest sich dies jedoch gänzlich anders. Dort wird der Aufmarsch als »Enttäuschung und eine Schande« bezeichnet. Die »Marschroute« sei »ein schlechter Witz« gewesen. »Wir machen uns zum Gespött, wenn wir dies als einen Erfolg werten und alle, die anwesend waren, werden dies auch einsehen müssen«, konstatierte etwa ein Neofaschist in einem der rechten Diskussionsforen.

Das Bündnis »Dresden nazifrei!« hält unterdessen an der Mobilisierung zu antifaschistischen Protesten am Samstag (18. Feb.) in Dresden fest. Zwar sei momentan kein Aufmarsch von Neonazis mehr angemeldet, dies könne sich jedoch jederzeit ändern.

www.dresden-nazifrei.com

* Aus: junge Welt, 15. Februar 2012


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