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Auch 2012: Dresden nazifrei!

Bündnis erneuert Blockadeaufruf für 18. Februar

Von Hendrik Lasch, Dresden *

Aller Repression der vergangenen Jahre zum Trotz: Das Bündnis »Nazifrei! - Dresden stellt sich quer« will am 18. Februar wieder den Naziaufmarsch blockieren.

Wegen Widerstands gegen den europaweit größten Naziaufmarsch, der regelmäßig Mitte Februar in Dresden stattfindet, sehen sich weiterhin zahlreiche Antifaschisten mit strafrechtlichen Maßnahmen konfrontiert. Nach Angaben des Bündnisses »Dresden nazifrei« sind derzeit 70 bis 80 Anklagen gegen Menschen anhängig, die sich 2011 an Blockaden beteiligten. Unlängst wurde das erste diesbezügliche Urteil gesprochen. Zudem gibt es drei Verfahren wegen schweren Landfriedensbruchs. Gegen einige Aktivisten des Bündnisses wird wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Zudem müssen sich vier Fraktionschefs der LINKEN als vermeintliche »Rädelsführer« der Blockaden 2010 verantworten.

Das Bündnis will sich davon aber nicht beeindrucken lassen und ruft für den 18. Februar 2012 wieder zum »kollektiven Regelübertritt«, wie Sprecher Stefan Thiele sagte. Zwar werde in Sachsen ein Klima geschürt, das »den Eindruck entstehen lässt, die Blockaden seien ein Verbrechen«. Thiele betonte aber, dass nur die Blockaden und nicht andere Protestformen dazu geführt hätten, dass der Zuspruch für den Naziaufmarsch schwindet. Deshalb erfahre das Bündnis wachsende Unterstützung. Den Aufruf 2012 tragen bisher 220 Organisationen und über 1500 Einzelunterzeichner mit. »Die Repressionsmaßnahmen greifen nicht«, sagte Thiele. Für den 18. Februar rechne man erneut mit »deutlich über 10 000 Teilnehmern« bei den Blockaden.

Derweil wird die CDU / FDP-Regierung in Sachsen aufgefordert, auf die Einstellung der Ermittlungsverfahren aus früheren Jahren hinzuwirken. »Die Fehler vergangener Jahre müssen korrigiert werden«, forderte André Hahn, Vorsitzender der Linksfraktion im Landtag. Anlass ist ein Aufruf von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zur Teilnahme an Protesten gegen den Naziaufmarsch. Geplant ist eine Großdemonstration, die derzeit von einer »AG 13. Februar« vorbereitet wird. Hahn verlangt vor diesem Hintergrund auch einen anderen Umgang mit den aus der ganzen Republik anreisenden Teilnehmern dieser Proteste. Nötig sei »eine echte Willkommenskultur«. Nur dann sei Tillichs Aufforderung glaubwürdig.

In die juristische Auseinandersetzung um die Proteste gegen Nazis wollen viele Betroffenen sehr offensiv gehen. »Wir haben keine Angst vor einer öffentlichen Verhandlung«, sagte Hahn. Ähnlich äußerte sich der Jenaer Pfarrer Lothar König, bei dem sächsische Ermittler sogar zur Razzia angereist waren. Die Vorwürfe gegen ihn seien »hanebüchen«; es handle sich nicht um einen »juristischen Prozess, sondern eine politische Anklage«. Von »absurden Vorwürfen« spricht auch der Berliner VVN-BdA-Landesgeschäftsführer Markus Tervooren, der beschuldigt wird, Blockierer gelenkt zu haben - mit einer Fahne der NS-Opferorganisation.

Juristen erklären die Auseinandersetzung um die Blockaden in Dresden zum bundesweiten Exempel. Es handle sich um ein »Versuchslabor für das Vorgehen gegen soziale Bewegungen«, meint der Republikanische Anwälte- und Anwältinnenverein. In einer Erklärung heißt es, die Dresdner Strafverfolger griffen »systematisch zu offensichtlich rechtswidrigen Maßnahmen«. Das dürfe »nicht Schule machen«.

* Aus: neues deutschland, 11. Januar 2012


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