Dresden verbietet Nazimärsche
Rechte klagen / Bündnis will blockieren
Von Hendrik Lasch, Dresden *
Den Neonazis bleibt am Samstag (19. Feb.) in Dresden nur eine von drei angemeldeten Demonstrationen. Ob diese Entscheidung der Stadt Bestand hat, entscheiden Gerichte. Das Bündnis »Dresden nazifrei« setzt weiter auf Blockaden, zu denen 13 000 auswärtige Teilnehmer erwartet werden.
Der bundesweite Aufruf zur Blockade des großen Naziaufmarschs am Samstag in Dresden zeitigt bereits Wirkung: Unter anderem mit der großen Zahl an Gegendemonstranten begründet die Stadt Dresden ihre Entscheidung, zwei von den Nazis angemeldeten Demonstrationen zu verbieten. Zudem wird für den Beschluss ins Feld geführt, dass weniger Polizisten zur Verfügung stehen als am vergangenen Sonntag. Damals hatten 6000 Beamte die geschätzt 3500 Gegendemonstranten und 1600 Nazis auf Distanz gehalten. Am Samstag müsse die Polizei »mehr Aufgaben erfüllen, und das mit voraussichtlich weniger Einsatzkräften«, erklärte Polizeipräsident Dieter Hanitsch. Auch diesmal werde erneut auf die strikte Trennung der Lager gesetzt, betonte die Stadt.
Abzuwarten bleibt, ob der Argumentation auch das Dresdner Verwaltungsgericht folgt, das die Anmelder des Naziaufmarschs angerufen haben. Für diesen wurde europaweit mobilisiert; Beobachter erwarten mehr als 4500 Teilnehmer, die wild entschlossen sein dürften, die Schmach vom vergangenen Jahr zu tilgen. Damals unterbanden Blockaden von Tausenden Gegendemonstranten den eigentlich geplanten Marsch.
Das Bündnis »Dresden nazifrei« indes ist ebenso gewillt, den Nazis auch die Freude an der Revanche zu vergällen. »Wir wollen, dass ihnen die Lust vergeht«, sagt Christine Schickert, Grünen-Sprecherin in Dresden. Man rechne mit einem juristischen Erfolg der Nazis und bereite sich auf Massenblockaden der Demonstration vor, sagt Thomas Bergmann vom Bündnis; anderenfalls sollten die Zufahrten zur Kundgebung versperrt werden.
Anreisen werden nach derzeitigem Stand allein 13 000 Blockierer von auswärts, die meisten in Bus-Konvois. Nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen rate man, »geschlossen anzureisen«, sagt Bergmann: »Die Busse bieten sich gegenseitig Schutz.« 2010 hatten Nazis auf der Rückreise an einer Autobahnraststätte Demonstranten angegriffen.
Das Bündnis betont, es gebe ein flexibles Konzept mit verschiedenen Szenarien zu friedlichen Protesten. Allerdings hemme das Ordnungsamt die Aktionen: »Protest ist nicht erwünscht in Dresden«, so Bergmann. Man sei dennoch zuversichtlich, die 260 Busse in die Stadt leiten zu können. Anderenfalls »setzen wir uns außerhalb in Bewegung«, sagt Mona Fries vom Bündnis »No pasaran«: »Wir blockieren, auch wenn wir dafür lange Wege gehen müssen.«
* Aus: Neues Deutschland, 18. Februar 2011
Tauziehen in Dresden
Versammlungsbehörde genehmigt Neonazis einzig eine Kundgebung. Liedermacher Konstantin Wecker will antifaschistische Blockierer mit Konzert unterstützen
Von Markus Bernhardt **
Kurz vor dem am Sonnabend (19. Feb.) in Dresden geplanten Aufmarsch der rechtsextremen »Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland« (JLO) kommt es zu einem juristischen Tauziehen zwischen der Versammlungsbehörde der Stadt und den Anmeldern. Offenbar als Konsequenz aus der erfolgreichen antifaschistischen Massenblockade 2010 in Dresden hatten die Neonazis an verschiedenen Stellen in der Stadt Aufmärsche angemeldet, um Blockaden zu erschweren. So hatte der Hamburger Neonazikader Christian Worch sich in der Vergangenheit für eine »Sternmarschlösung« ausgesprochen und seine Gesinnungsgenossen aufgerufen, sich »nicht mehr wie eine Hammelherde an einem einzelnen Ort einpferchen« zu lassen.
Eben diese Pläne durchkreuzte am Mittwoch abend (16. Feb.) jedoch die Versammlungsbehörde der sächsischen Landeshauptstadt. Diese teilte den Rechten mit, daß besagte drei Anmeldungen »zeitgleich an einem Ort als stationäre Kundgebung durchzuführen« seien. Dagegen reichten die betroffenen Rechtsextremisten Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden ein.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung von Stadt und Polizeidirektion Dresden von Donnerstag kündigte Polizeipräsident Dieter Hanitsch– ganz dem totalitarismuspolitischen Sprech verpflichtet – an, daß die Beamten mit einer hohen »Gewaltbereitschaft aller extremistischen Teilnehmer« an Demonstrationen rechneten. Die Stadtverwaltung kündigte zudem an, weiterhin an dem mit der Polizei abgestimmten Konzept festhalten zu wollen, demzufolge es zu einer strikten räumlichen Trennung von Neofaschisten und Nazigegnern kommen soll.
Jedoch lassen sich weder das bundesweite antifaschistische Bündnis »Dresden stellt sich quer!« noch diverse prominente Unterstützer der geplanten Blockaden von derartigem Säbelrasseln der Dresdner Behörden beeindrucken. Der Liedermacher Konstantin Wecker etwa kündigte am Donnerstag an, seine derzeitige Tour zu unterbrechen und gemeinsam mit seinem musikalischen Weggefährten Jo Barnikel ein Solidaritätskonzert für die Blockierenden in Dresden zu spielen. Den Antifaschismus dürfe man, »wie sich leider auch 2011 herausstellt, offenbar nicht dem Staat überlassen«, so der Musiker.
Unterstützung erhält »Dresden stellt sich quer!« von verschiedenen Gliederungen der Linkspartei, von DKP, SPD und Grünen sowie von antifaschistischen Widerstandskämpfern und Holocaust-Überlebenden, Gewerkschaftern und der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland YEK-KOM. Auch der Schlagzeuger der Band Die Ärzte, Bela B., Sebastian Krumbiegel von den Prinzen und die Dresdner Band Polarkreis 18 rufen zum Protest auf.
Im Gespräch mit junge Welt forderte Heinrich Fink, Bundesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), am Donnerstag die Polizei zum Gewaltverzicht auf. »Ich freue mich sehr, daß so viele Nazigegner sich den Faschisten direkt in den Weg stellen wollen, und gehe davon aus, daß die Polizei es nicht fertigbringt, Pfefferspray und Schlagstöcke gegen friedliche Demonstranten einzusetzen«, so der ehemalige Rektor der Berliner Humboldt-Universität.
www.dresden-nazifrei.com
* Aus: junge Welt, 18. Februar 2011
Zurück zur Seite "Rassismus, Antisemitismus und Neofaschismus"
Zur Seite "Friedensbewegung und andere soziale Bewegungen"
Zurück zur Homepage