Wie den Aufmarsch verhindern?
Am kommenden Sonnabend wollen die Nazis durch Dresden marschieren / Vor dem geplanten Nazi-Demonstration in Dresden laufen die Diskussionen auf Hochtouren
Von Ines Wallrodt *
Kommenden Sonnabend (19. Feb.) wollen Tausende Menschen erneut den angekündigten Naziaufmarsch in Dresden verhindern. Der Aufruf hat viele Unterstützer, aber ist nicht unumstritten. Wie berechtigt ist es, eine Demonstration, die nicht verboten ist, zu blockieren? Was sagen verschiedene Seiten, und womit müssen die Blockierer rechnen?
Das Urteil sorgte für Empörung: Die Polizei hätte den Nazis im Jahr zuvor den Weg freiräumen müssen, entschied das Verwaltungsgericht Dresden im Januar. Sie habe es rechtswidrig unterlassen, den nicht verbotenen Aufzug am 13. Februar 2010 zu gewährleisten. Die Polizei hatte damals mit Blick auf die Massen an Gegendemonstranten erklärt, dass das nicht möglich sei. Das sieht die Politik auch heute noch so. Die Polizei habe die richtigen Entscheidungen in der damaligen Situation getroffen, erklärte Sachsens Innenminister Ulbig. In einem Zeitungsbeitrag ging der Dresdner Verwaltungsrichter Markus Scheffer noch einen Schritt weiter: Oberbürgermeister und Universitätsleiter dürften aus Neutralitätsgründen nicht zu einer Menschenkette gegen Fremdenfeindlichkeit aufrufen, so Scheffer. Damit hat sich die Justiz in den Augen vieler Dresdner komplett disqualifiziert.
Abgesehen von der Rolle staatlicher Akteure im Hinblick auf Blockaden gilt für Teilnehmer: Friedliche Blockaden sind zwar nicht legal, mögliche Konsequenzen sind aber überschaubar. So kann es passieren, dass Blockierern Strafbefehle wegen Nötigung ins Haus flattern, meist wird diese Aktionsform aber nur als Ordnungswidrigkeit behandelt, für die ein Bußgeld gezahlt werden muss. Und je mehr Menschen sich beteiligen, umso unwahrscheinlicher ist auch das, zeigen die Erfahrungen.
Die CDU-Stadtspitze laviert. Sie unterstützt nur symbolische Aktionen wie die Menschenkette. Das Bündnis »Dresden Nazifrei!«, das zu den Blockaden aufruft, wirft der Stadt Ignoranz und Stillstand vor. Sie sei nicht gewillt, dem Nazi-Aufmarsch sichtbar und aktiv entgegenzutreten.
Jahrelang war Dresden wegen seiner zögerlichen Haltung gegenüber dem jährlichen Nazi-Fackelmarsch in der Kritik. 2010 deutete sich erstmals ein vorsichtiges Umdenken an. Seit dem Gerichtsurteil scheuen CDU-Politiker selbst persönliche Statements gegen den braunen Aufmarsch. Die Versammlungen von Rechtsextremisten und Nazi-Gegnern sollen dieses Jahr weit voneinander entfernt stattfinden. Das heißt, die Nazis bekommen Platz in der Altstadt, die Gegner dürfen nur in der Neustadt demonstrieren. So war es am Sonntag, so soll es auch kommenden Sonnabend wieder sein. Gerichte haben das Trennungskonzept bestätigt.
Andere Parteien sind da entschiedener: So rufen die LINKE sowie Vertreter von Grünen und SPD dazu auf, den Naziaufmarsch zu stoppen. Insgesamt sind Blockaden aber mittlerweile bis weit ins »bürgerliche Spektrum« hinein anerkannt und praktiziert. Selbst der Dresdner CDU-Ordnungsamtschef Sittel wird mit dem Satz zitiert, dass Blockaden zwar nicht legal, aber legitim seien. Das Credo der Blockierer lautet: Wir blockieren, wo Nazis marschieren. Viele Menschen verstehen nicht, warum die rechtsextreme Demonstration nicht verboten ist. Gewalttäter, Rassisten und Geschichtsleugner hätten das Recht dazu verwirkt, meinen sie. Entsprechend scharf ist die Kritik an Gerichten und Politik, die die Gefahr herunterspielten. Die Justiz sei »träge und formalistisch«, der Rechtsstaat »apathisch«, kritisiert etwa das Aktionsnetzwerk Jena, dessen Diskussionspapier auf der Seite des Bündnisses »Dresden Nazifrei!« zu finden ist. Aus dieser Sicht sind die Blockaden ein Akt der Selbsthilfe, weil der Staat nicht willens sei, seine Aufgabe zu erfüllen.
Schwieriger ist es für Antifaschisten, die diese politische Auseinandersetzung eigentlich nicht an den Staat delegieren wollen. Mit welcher Begründung können sie den Nazis den Weg versperren? Das Grundrechtekomitee, das regelmäßig das Demonstrationsrecht gegen Einschränkungen verteidigt, erklärt das so: Der entscheidende Punkt sei, wer den Naziaufmarsch verhindert. Vom Staat erwartet man das nicht. Der müsse die Grundrechte wahren, also auch die der Rechtsextremisten. Aber die Bürger könnten durchaus der Meinung sein, Fackelmärsche und Hetzparolen nicht haben zu wollen und sich zusammentun. Amtshilfe von der Polizei sollte man dabei nicht erwarten, wohl aber, dass diese sich an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hält.
Die Polizei muss das neue Trennungskonzept durchsetzen. Organisatoren der Blockaden befürchten härtere Auseinandersetzungen mit den Ordnungshütern. Diese wehren sich gegen den Vorwurf aufgebrachter Bürger, sie würden die Nazis schützen. Die Polizei schütze nicht die Rechtsextremisten, sondern die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, erklären Polizisten am Info-Punkt in der Dresdner Innenstadt. Sie sind also genauso dafür da, die Antifaschisten vor etwaigen Angriffen der Neonazis zu bewahren. Trennungskonzept und Gerichtsurteil hin oder her – jeder Polizeieinsatz muss verhältnismäßig sein. Friedliche Demonstranten dürfen nicht von der Straße geprügelt werden.
* Aus: Neues Deutschland, 16. Februar 2011
Aus dem jüngsten Newsletter von "Dresden nazifrei"
Newsletter des Bündnisses „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, erst einmal vielen herzlichen Dank an all diejenigen, die sich schon am 13.2. in Dresden den Nazis entgegengestellt haben! Über 3.500 Menschen haben es trotz des Verbots auf die Altstadtseite geschafft und ihren Protest in Sicht- und Hörweite der Nazis gebracht. Blockaden und Kundgebungen haben die Nazis erheblich gestört. Die massiven Kontrollen und Absperrungen der Polizei konnte uns nicht davon abhalten, uns den Nazis entgegen zu stellen. So haben wir es geschafft, dass die Marschroute der Nazis um die Hälfte verkürzt wurde. Den verbotenen Mahngang auf den Spuren der NS-Täter konnte die Polizei nicht ganz verhindern. 250 Menschen nahmen am geplanten Treffpunkt an einer Spontankundgebung teil. Ein weiterer positiver Aspekt war, dass die Nazis auch deutlich weniger Teilnehmer als erwartet mobilisieren konnten – ihre erhoffte Signalwirkung für den 19. Februar ist verpufft. Bitte schickt Fotos vom 13.2. an presse@dresden-nazifrei.com – Wir werden die Eindrücke sammeln und auf unserer Homepage dokumentieren.
Wir sehen die Blockaden vom 13.2. als Teilerfolg, der Mut macht für den 19.2.: Noch nie haben sich so viele Dresdnerinnen und Dresdner direkt den Nazis entgegengestellt. Wir sind weiterhin fest entschlossen, die alljährliche Geschichtsfälscherei der Neonazis endgültig zu beenden und werden die Nazis am Samstag keinen Meter laufen lassen! Wir rechnen mittlerweile mit weit über 15.000 Menschen, die sich an unseren Blockaden beteiligen werden. Informiert Euch regelmäßig auf der Homepage über neueste Entwicklungen und Anreiseempfehlungen und besucht die letzten Infoveranstaltungen. Auf der Homepage findet Ihr bereits jetzt Karten zu verschiedenen Blockadeszenarien je nach Treffpunkt der Nazis. Wir werden Euch per Newsletter spätestens am Freitag noch einmal mit neuesten Infos versorgen. Bis dahin: Bereitet Euch gut vor und rührt nochmal kräftig die Werbetrommel. Dresden 2011: Sie werden nicht durchkommen! Bis bald. Eure BlockiererInnen vom Bündnis „Nazifrei! - Dresden stellt sich quer“ www.dresden-nazifrei.com
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