Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Gegen Rassismus und Armut - Kräfte bündeln"

Bundeskongress der Föderation Demokratischer Arbeitervereine DIDF: Grußworte von VVN-BdA und Friedensratschlag


Vom 23. bis 25. März fand, unter dem Motto: „Gegen Rassismus und Armut - Kräfte bündeln“ der 17. Bundeskongress der Föderation Demokratischer Arbeitervereine DIDF, mit 120 Delegierten aus dem ganzen Bundesgebiet statt. Hüseyin Avgan, DIDF-Bundesvorsitzender, schrieb dazu an befreundete Organisationen: „Trotz aller Versuche die Armut klein zu reden, ist es erschreckend zu sehen, wie auf der einen Seite die Kapitalbesitzer sogar aus der Krise Profit geschlagen haben, auf der anderen Seite Arme und Hilfe bedürftige Menschen immer tiefer in die Ausweglosigkeit getrieben werden. Ebenso erschreckend ist es, wie unverhohlen der Rassismus und die Ausgrenzung tiefer in die Gesellschaft eindringt und sich etabliert, und der Staat mit Scheinveranstaltungen und Erklärungen den Kern des Problems ausblendet. Und das nicht erst nach Bekanntwerden der NSU- Terrors und Morde. Unter diesen Umständen findet der DIDF-Bundeskongress statt.“

Zahlreiche geladene Gäste haben den Kongress besucht und Grußworte an die Delegierten gerichtet (u.a. IG Metall Bezirk Köln, die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis90/Die Grünen und der Partei Die Linke des mittlerweile aufgelösten Landtags von NRW). Im Folgenden dokumentieren wir die Grußworte der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten) und des Bundesausschusses Friedensratschlag.



"Wir müssen unsere Wachsamkeit erhöhen"

Grußadresse der VVN-BdA zum 17. Bundeskongreß der DIDF

Günter Baumann aus Köln überbrachte im Namen der Landes- und Bundesorganisation der VVN-BdA diese Grußworte:

Liebe Freundinnen und Freunde der DIDF,

zu eurem 17. Bundeskongreß übermitteln wir euch herzliche Grüße.

Das Motto eures Kongresses konntet ihr aktueller kaum wählen.

Armut und Rassismus sind zwei Seiten derselben Medaille.

Nur in großer Einigkeit zu den wichtigen Grundfragen gegen
  • Rassismus,
  • Ausbreitung faschistischer Menschenverachtung,
  • sozialen Unsicherheiten und Verarmung und
  • für friedliche Entwicklungen nach innen und nach außen
können wir verstärkt gesellschaftlichen Einfluss gewinnen.

Noch reichen unsere Kräfte nicht, um die medial verstärkte Meinungsherrschaft von Sarrazin und Co. als Stichwortlieferanten für die aggressiven Nachwuchsfaschisten zurückzudrängen.

Seit der Aufdeckung des NSU, des mörderischen Nazi-Terrorismus, sind wir aufs höchste alarmiert. Wir bedauern es sehr, ebenfalls auf die Aussagen der sogenannten Sicherheitsbehörden vertraut zu haben, die von Döner-Morden im kriminellen Milieu faselten. Terroristische Morde von Nazis und rassistischen Tätern in Norwegen, Frankreich und Deutschland mahnen uns: Wir müssen unsere Wachsamkeit erhöhen und unsere Solidarität mit Euch stärken. Das ist die Lehre, die wir ziehen.

Auch unsere Aktion „nonpd“, für das Verbot der NPD, gilt es zu stärken.

Die leidvolle Erfahrung unserer Geschichte mit dem Faschismus an der Macht mahnt uns nach wie vor zur Wachsamkeit und Gegenwehr gegen die faschistischen Umtriebe mit allen seinen gefährlichen Facetten.

Unsere Vereinigung besteht in diesem Jahr seit 65 Jahren.

Das bedeutet getreu dem Schwur von Buchenwald: „die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Aufgabe, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“.

65 Jahre Kampf gegen alte und neue Nazis, gegen Militarisierung, gegen Berufsverbote, für Demokratie und friedliche Politik.

Dafür sind wir -mit euch und anderen Bündnispartnern- so oft wie möglich auf der Straße und in der öffentlichen Auseinandersetzung.

Die nächste Gelegenheit dazu sind die Ostermärsche in diesem Jahr.

Der Aufruf zum Ostermarsch Rhein.Ruhr unter dem Motto "Ja zur zivilen Lösung der Zukunftsprobleme! Nein zu Krieg, Atomrüstung und innerer Militarisierung! Nein zur Nato!" weist eine große Bündnisbreite auf.

Der Ostermarsch kann sicher ein eindrucksvoller sichtbarer Ausdruck der Bündelung der Kräfte werden.

Wir wünschen eurem Kogreß einen erfolgreichen Verlauf.

(Quelle: Website der VVN-BdA NRW: www.nrw.vvn-bda.de


"Wir dürfen weitere NATO-Interventionen nicht zulassen"

Grußwort von Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, an den DIDF-Kongress 2012

Liebe Freundinnen und Freunde!

Ich bin euch sehr dankbar für die Einladung zu eurem Kongress und für die Gelegenheit, hier das Wort zu ergreifen. Gleich zu Beginn möchte ich euch von Sevim Dagdelen grüßen, mit der ich gerade auf einer anderen Veranstaltung hier in Köln war. Sie muss noch eine Weile dort bleiben, wird aber später auch noch hierher kommen.

Ich komme aus Kassel, d.h. auch aus einer Stadt, in der ein türkischer Mitbürger von der neonazistischen Terrorbande NSU ermordet wurde. Wir werden uns in Kassel dafür einsetzen, dass – einem Wunsch seiner Familie entsprechend – eine Straße nach ihm benannt wird. Das wäre zur Erinnerung an das Mordopfer und als Mahnung, dass so etwas nicht wieder geschehen darf, ein wichtiges Zeichen in unserer Stadt.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Die Friedensbewegung hat in den letzten Jahrzehnten so manche Höhen und Tiefen durchlaufen. Außerparlamentarische Bewegungen vollziehen sich ohnehin immer in Form einer Wellenbewegung. Dass wir uns als Friedensbewegung zur Zeit eher in einer Talsohle befinden, ist sehr schmerzlich und auch nicht so einfach zu erklären. So leben wir seit längerem mit dem Widerspruch, dass einerseits eine große Mehrheit der Bevölkerung – Umfragen sprechen von 70 bis 80 Prozent – gegen den Afghanistan ist und die Bundeswehr lieber heute als morgen wieder zurückholen möchte, dass aber auf der anderen Seite, diese Mehrheit auf der Straße nicht sichtbar ist. Die Menschen lassen sich nur sehr schwer mobilisieren.

Das ist auch deshalb so schmerzlich, weil wir, während der Afghanistankrieg noch weiter geht, möglicherweise schon bald neue Kriege haben werden. Es drohen Kriege gegen Syrien und Iran. Und das könnten Kriege werden, die den Afghanistankrieg oder auch den Libyenkrieg 2011 in den Schatten stellen. Zu viele Mächte und Interessen stoßen hier aufeinander. Eine Intervention in Syrien kann leicht das Wiederaufbrechen von Kämpfen zwischen der libanesischen Hisbollah oder der in Gaza regierenden Hamas auf der einen und Israel auf der anderen Seite hervorrufen. Die besonderen Beziehungen zwischen Syrien und Iran könnten auch ein Eingreifen von dieser Seite bedeuten. Saudi-Arabien, neben Israel der wichtigste Bündnispartner der USA im Nahen/Mittleren Osten, dürfte diesen Konflikt genauso als Chance begreifen, den Kampf um die regionale Hegemonie für sich zu entscheiden wie der andere Konkurrent, die Türkei. Und ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen: All diesen Mächten geht es mitnichten um die Menschenrechte in Syrien oder um den behaupteten Griff Irans nach der Atombombe. Vielmehr geht es um eine politische Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens. Darin haben unbotmäßige, gegen den Westen eingestellte Regime keinen Platz. Die geostrategisch so wichtige, weil erdöl- und erdgasreiche Region soll unter die Kontrolle der USA gebracht werden, die sich davon eine bessere Ausgangsposition im globalen Kampf um Energie, fossile Rohstoffe und andere Ressourcen versprechen. Und der wirkliche Gegner im Hintergrund ist die neue ökonomische Supermacht China mit ihrem großen Energiehunger und sind die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Südafrika und - nicht zu vergessen - Russland, das unter Putin wieder eine Weltmachtrolle anstreben wird.

Wir müssen sehr misstrauisch sein gegenüber den Einflüsterungen der Regierungen, wenn sie uns weismachen wollen, eine Intervention in Syrien würde die Menschen dort schützen, oder eine Intervention in Iran würde die Welt davor bewahren, dass ein "Irrer" und "Judenhasser" in den Besitz von Atomwaffen käme. Auch die NATO-Intervention vor einem Jahr in Libyen hat nicht dazu beigetragen, die Zivilbevölkerung zu schützen (das hatte die Resolution des UN-Sicherheitsrats verlangt), sondern in Wahrheit sind 50.000 Zivilpersonen dem Krieg zum Opfer gefallen. Auf der anderen Seite konnte die NATO stolz verkünden, dass auf ihrer Seite kein einziger Soldat zu Schaden gekommen sei.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir dürfen weitere NATO-Interventionen nicht zulassen. Wir müssen noch viel mehr tun, um die Menschen in unserem Land über die Kriegsgefahr im Nahen Osten und über die Hintergründe der Konflikte aufzuklären. Ich weiß, dass die DIDF in unserem gemeinsamen Kampf um Frieden ein verlässlicher Partner war, ist und bleiben wird. Denn wir alle wissen, dass alle unsere Bemühungen um mehr Demokratie, Anerkennung, Würde und soziale Gerechtigkeit – wo auch immer in der Welt - ohne Frieden umsonst sein werden. Die Menschen im arabischen Raum, im Nahen und Mittleren Osten, in Afghanistan und Pakistan, haben ein Recht auf Frieden und darauf, über ihr eigenes Schicksal souverän, ohne äußere Einmischung, entscheiden zu können.

In Bezug auf Syrien und Iran lauten die zentralen Forderungen der Friedensbewegung:
  • Absage an alle Gedankenspiele über eine militärische Intervention (diese Position wird auch von Friedensforschern vertreten, die im Fall Libyen noch anders votierten, vgl. z.B. Meyer);
  • Ausstieg aus dem Sanktionsmechanismus der EU und Zurücknahme bisher erfolgter Sanktionen; stattdessen Umsetzung eines allgemeinen Waffenembargos;
  • Sofortiger Stopp aller Waffenlieferungen in die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens; dies schließt Schützenpanzer in die Vereinigten Emirate genauso ein wie Kampfpanzer nach Saudi-Arabien oder U-Boote nach Israel;
  • Bereitstellung humanitärer (z.B. medizinischer) Hilfe für Syrien, allerdings ohne jeglichen „militärischen Begleitschutz“;
  • Erlass eines sofortigen Abschiebestopps für Flüchtlinge aus Syrien; ihnen kommt der Status von Kriegsflüchtlingen zu und fallen somit unter die Genfer Flüchtlingskonvention; darüber hinaus sollte syrischen Flüchtlingen ein Aufenthalt in den Staaten der Europäischen Union angeboten werden.
Wir haben also viel zu tun. Und wir können viel tun – wenn wir zusammenstehen. Lasst uns in diesem Sinne weiter eng und freundschaftlich zusammenarbeiten!


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