Chemnitz wehrt sich
Anti-Nazi-Bündnis will Rechtsextremisten-Aufmarsch in der sächsischen Stadt verhindern
Von Robert Meyer *
Am kommenden Sonnabend (5. März) wollen zum wiederholten Mal mehrere hundert Nazis durch Chemnitz marschieren. Die sächsische Stadt hat den Aufzug zwar untersagt, doch die NPD-Anhänger wollen ihre Demonstration wahrscheinlich dennoch durchführen.
Wenige Wochen nach der erfolgreichen Blockade eines Nazi-Aufmarsches in Dresden ist mit Chemnitz eine weitere sächsische Großstadt mit Aufmarschplänen von Rechtsextremisten konfrontiert. Wie schon zuvor in der Landeshauptstadt wollen die rechten Kräfte auch in Chemnitz ihre geschichtsrevisionistischen Ansichten verbreiten und missbrauchen dafür den Jahrestag der Bombardierung der Stadt während des Zweiten Weltkrieges durch die Alliierten. In Chemnitz erfolgten die schwersten Luftangriffe in der Nacht vom 5. zum 6. März 1945.
Die Nazis haben den Gedenktag erst in den letzten Jahren verstärkt für sich vereinnahmt, erinnert sich etwa die LINKEN-Landtagsabgeordnete Freya Maria Klinger. Erstmals traten im Jahr 2004 etwa 20 Nazis mit einer Kundgebung vor dem ehemaligen Kinderheim im Stadtteil Bernsdorf in Erscheinung. Damals war mit Martin Kohlmann noch ein früheres Mitglied der Republikaner für die Veranstaltungen verantwortlich. Seit 2010 ist dagegen die NPD federführend in der Durchführung.
Vor drei Jahren stieg die Zahl der beteiligten Demonstranten sprunghaft an. Den traurigen Höhepunkt gab es im vergangenen Jahr mit zuletzt mehr als 600 Nazis. »In diesem Jahr rechnen wir sogar mit bis zu 1000 Teilnehmern«, erklärte Klinger gegenüber dem ND.
Erstmals breite Initiative
Hatten sich in den vergangenen Jahren gleich mehrere Initiativen unabhängig voneinander mehr oder weniger erfolgreich um zivilgesellschaftliche Gegenaktionen bemüht, will man dieses Mal erstmals auf breiter Basis zusammenarbeiten. Unter dem Namen »Chemnitzer Bündnis für Frieden und Toleranz – Kein Platz für Nazis« rufen daher verschiedene Parteien, Verbände, Vereine und Einzelpersonen gemeinasm zum deutlichen Protest gegen den Naziaufmarsch auf. »Das Bündnis ruft alle dazu auf, sich kreativ, bunt und lautstark den Nazis entgegenzustellen. Der Protest wird dabei vielschichtig gestaltet: Vom Demokratiepicknick über die Teilnahme an Gegenkundgebungen bis hin zu einfallsreichen Aktionen«, heißt es im Bündnisaufruf.
Der Aufruf wird von zahlreichen lokalen Prominenten wie Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) unterstützt, aber auch von überregional bekannten Persönlichkeiten wie etwa Wolfgang Thierse (SPD), Vizepräsident des Deutschen Bundestags. »Wir dürfen nirgendwo in Deutschland, also auch nicht in Chemnitz, den Neonazis widerspruchslos unsere Straßen, Plätze und Häuser überlassen. Dazu verpflichtet uns unsere Geschichte und schlichter politischer Anstand!«, so Thierse in einer Erklärung.
Zwar hat die Stadt den Aufmarsch erst einmal verboten, allerdings rechnet man dennoch mit einem Versuch der Nazis, ihre Demonstration durchzuführen. Die Pläne der NPD sehen den Hauptbahnhof als Startpunkt für einen Marsch durch die Chemnitzer Innenstadt vor. Das zivilgesellschaftliche Bündnis hat im Gegenzug insgesamt drei Kundgebungen angemeldet, welche allesamt an wichtigen Punkten innerhalb des Stadtgebietes liegen. Die Organisatoren des Anti-Nazi-Bündnisses hoffen, dass sich mehrere tausend Chemnitzer Bürger den Neonazis in den Weg stellen werden.
Start am Jugendzentrum
Parallel zu den Kundgebungen wird sich ab 11 Uhr ein antifaschistischer Demonstrationszug unter dem Motto »Damit's mal richtig sitzt« vom Alternativen Jugendzentrum Chemnitz in Richtung Stadtmitte auf den Weg machen.
Der Gedenktag selbst beginnt auf dem Theaterplatz mit einem morgendlichen »Demokratiepicknick«. Bei der Kundgebung etwas später ist unter anderen Oberbürgermeisterin Ludwig als Rednerin angekündigt. Zudem wird es eine Kranzniederlegung zum Gedenken an die Bombardierung auf dem Stätischen Friedhof geben. Am Abend dann sollen die 20. Tage der Jüdischen Kultur eröffnet werden.
Weitere Informationen unter: chemnitz-nazifrei.de
* Aus: Neues Deutschland, 3. März 2011
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