Pazifisten im Visier der Justiz
Justiz und Pazifismus im 20. Jahrhundert. Helmut Kramer und Wolfram Wette legen ein gewichtiges Buch vor: "Recht ist, was den Waffen nützt"
Im Folgenden informieren wir - anhand von Verlagsmitteilungen - über ein neues Buch, das Ende August 2004 im Berliner Aufbau-Verlag erschien:
Helmut Kramer, Wolfram Wette (Hg.): Recht ist, was den Waffen nützt. Justiz und Pazifismus im 20. Jahrhundert. Mit einem Geleitwort von Hans-Jochen Vogel.
Aufbau-Verlag: Berlin 2004; 432 Seiten, mit 33 Abbildungen (ISBN 3-351-02578-5); Preis: 24,90 € / 44,50 Sfr
Ein bedrückendes Kapitel deutscher Geschichte vom Kaiserreich bis in die Gegenwart
Kriegsgegner hatten es nie leicht in einem Land, in dem Soldaten, Militär und kriegerische Gewalt zu den Selbstverständlichkeiten staatlicher Existenz gezählt wurden. Häufig durften Kritiker es nicht einmal wagen, den Krieg als das Wesenselement des Politischen in Frage zu stellen.
Erstmals haben Juristen und Historiker gemeinsam ein Gesamtbild des Verhältnisses von Justiz und Pazifismus in Deutschland im kriegerischen 20. Jahrhundert gezeichnet. Die bedrückende Erkenntnis: Um pazifistische Bestrebungen zu verhindern und dem Militär zu nützen, hat die Justiz immer wieder das Recht im Dienst machtpolitischer Interessen instrumentalisiert und ist als "politische Justiz" tätig geworden. Im Konflikt zwischen Macht und Freiheit schlug sie sich meist auf die Seite der Machthaber.
Das Fazit dieses ersten Gemeinschaftsprojekts von Juristen und Historikern lautet: Im Konflikt zwischen Macht und Freiheit hat sich die Justiz im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, im NS-Staat und bis in die jüngste Zeit häufig auf die Seite der Machthaber geschlagen. Sie bediente sich dabei der strafrechtlichen Vorwürfe des angeblichen Landesverrats, der Wehrkraftzersetzung, der Nötigung. Immer wieder wurde Anklage wegen Beleidigung von Soldaten und Militärpolitikern erhoben. Die »kalte Amnestie« für Wehrmachts-Juristen, die Versuche zur Kriminalisierung von Gegnern der Wiederbewaffnung und zur Aushöhlung des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung verweisen auf die Autoritätsgläubigkeit von Richtern und ihre Nachgiebigkeit gegenüber militärischen Interessen auch nach 1945. Aber es gibt auch ermutigende Versuche, diese dominante Strömung der Justiz zu durchbrechen.
In dem Buch finden sich Beiträge von Karl Holl, Wolfgang Kraushaar, Martin Kutscha, Feliks Tych, Ingo Müller, Ottmar Jung, Gerd Hankel, Manfred Messerschmidt u.a.
Zu den Herausgebern:
Kramer, Helmut, Dr. jur., geboren 1930, Studium der Geschichte und Rechtswissenschaft in Göttingen und Freiburg, 1967 Promotion, 1972-95 Richter, zuletzt als Richter am Oberlandesgericht, 1984-89 Lehrstuhlvertretung an der Universität Bremen, Mitbegründer und Vorsitzender des Forums Justizgeschichte e. V.; Veröffentlichungen zur Justizgeschichte, zur Rechtstheorie und zur Rechtspolitik.
Wette, Wolfram, Dr. phil., geboren 1940, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie in München, 1971 Promotion, 1991 Habilitation, 1971-1995 Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg im Breisgau, seit 1998 apl. Professor für Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Freiburg, Mitbegründer und mehrfacher Sprecher des Arbeitskreises Historische Friedensforschung; zahlreiche Veröffentlichungen zur deutschen Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
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