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Stuttgart ordert Luftwaffe

Baden-Württemberg beantragt Bundeswehr-Amtshilfe zum NATO-Gipfel Anfang April. Bundesregierung rechnet mit weiteren Unterstützungsanforderungen

Von Frank Brendle *

Die Bundeswehr bereitet sich derzeit auf Inlandseinsätze anläßlich des NATO-Gipfels Anfang April in der badisch-elsässischen Grenzregion vor. »Wie bei vorausgegangenen Großveranstaltungen ist zu erwarten, daß die Bundeswehr um technisch-logistische Unterstützung im Rahmen der Amtshilfe« gebeten werde, heißt es in einem Schreiben, mit dem das Verteidigungsministe­rium am Mittwoch (21. Januar)auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) antwortete. Beim G-8-Gipfel im mecklenburgischen Heiligendamm im Juni 2007 hatte dies den Einsatz von über 2000 Soldaten mit Spähpanzern und Kampfflugzeugen gegen Demonstranten eingeschlossen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen nach den Angaben des Ministeriums bereits vier Amtshilfeersuchen vor. So hätte das baden-württembergische Innenministerium um Unterstützung »bei der Gewährleistung der Sicherheit im Luftraum« gebeten. Unklar ist derzeit, ob damit auch die Bereitstellung von Flugzeugen gemeint ist. Das Auswärtige Amt sowie das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung wollen die Bundeswehr außerdem wieder zum Personentransport einspannen. Damit sich die Angehörigen der NATO-Delegationen sowie Journalisten und Sicherheitskräfte in der Region rasch bewegen können, soll das Militär fünf Reisebusse und drei Minibusse zur Verfügung stellen. Darüber hinaus ist den Angaben zufolge die »Bereitstellung von Lufttransportkapazität« angefordert, was darauf hindeutet, daß man mit Blockaden durch NATO-Gegnern rechnet. Außerdem soll die Bundeswehr dabei helfen, »temporäre Hubschrauberlandeplätze« einzurichten und den Flughafen Lahr technisch unterstützen. Auch die »Gestellung eines Fackelspaliers« sei beabsichtigt, heißt es in dem Schreiben.

Wie viele Soldaten eingesetzt werden sollen, ist noch unklar. Beschlossen sei noch nichts, das Ersuchen werde derzeit geprüft, erklärt die Bundesregierung. Aus ihren Ausführungen geht hervor, daß sie noch mit weiteren Unterstützungsanforderungen von Landes- wie von Bundesbehörden rechnet, aber auch von seiten der NATO selbst. Bereits vorige Woche hatte der Bundesgeschäftsführer der »Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen« (DFG-VK), Monty Schädel, erklärt, ihm lägen Informationen über bevorstehende Einberufungen von Reservisten zu Sicherheitsübungen vor.

»Es darf kein zweites Heiligendamm geben«, erklärte die Abgeordnete Jelpke gegenüber junge Welt. Gegen die NATO zu demonstrieren sei legitim und notwendig. »Wenn Soldaten wieder als Hilfspolizisten gegen Demonstranten eingesetzt würden wie in Heiligendamm, wäre dies verfassungswidrig.«

* Aus: junge Welt, 22. Januar 2009

"Schlag gegen die Verfassung"

"Der Nato-Gipfel darf nicht zum Anlass für einen weiteren Bundeswehreinsatz wie in Heiligendamm werden", fordert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke. Die Bundesregierung hat heute gegenüber der Abgeordneten angekündigt, die Bundeswehr werde zum Nato-Gipfel tätig sein. Jelpke:

Die Bundeswehr bereitet sich auf Einsätze zum 60. Jahrestag der Gründung der Nato im April vor. Die Bundesregierung bestätigt, es sei "wie bei vorausgegangenen Großveranstaltungen" zu erwarten, dass Soldaten um sogenannte "technisch-logistische Unterstützung" gebeten würden. Hinter diesem Stichwort verbarg sich beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm einer der bislang größten Inlandseinsätze der Bundeswehr. Spähpanzer und Kampfflugzeuge wurden gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten in Stellung gebracht.

Derzeit liegen bei der Bundeswehr vier Amtshilfeersuchen vor, darunter eines vom baden-württembergischen Innenministerium, das Unterstützung "bei der Gewährleistung der Sicherheit im Luftraum" anfordert. Außerdem soll das Militär wieder Angehörige der offiziellen Delegationen, Journalisten und Begleitpersonal transportieren, wozu Reisebusse und "Bereitstellung von Lufttransportkapazität" angefordert wurden. Die Anträge werden derzeit geprüft. Aus der Antwort der Bundesregierung geht nun hervor, dass sie mit weiteren Amtshilfeersuchen seitens der Landes- und Bundesbehörden rechnet, auch Unterstützungsanforderungen der Nato selbst werden noch erwartet.

Ich fordere die Bundesregierung dringend auf, klarzustellen, dass die Bundeswehr nicht gegen Demonstranten eingesetzt werden darf. Demonstrationen gegen die Jubelfeiern des Kriegsbündnisses Nato sind legitim und notwendig. Es darf nicht wieder wie in Heiligendamm geschehen, dass Soldaten als Hilfspolizisten eingesetzt werden - das wäre ein Schlag gegen die Verfassung.

Das Schreiben des Verteidigungsministeriums habe ich als Anhang beifügt.

www.ulla-jelpke.de




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