Peter Strutynski: Gegen Geschichtsrevisionismus und Kriegspolitik
Rede bei der Gedenkfeier „Blumen für Stukenbrock“ am 3. September 2011 *
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Friedensfreundinnen und -freunde!
Ich bin dem Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrok“ für die Einladung zur diesjährigen Gedenkfeier sehr dankbar. Ich möchte die Gelegenheit ergreifen und ein paar Gedanken gegen Geschichtsrevisionismus und Kriegspolitik vortragen.
Als vor 72 Jahren der zweite Weltkrieg begann, wurde mit der Umsetzung dessen Ernst gemacht, was die Nazis und ihre Profiteure aus Großindustrie und Wirtschaft lange geplant hatten: die Revision der Ergebnisse des Ersten Weltkriegs mit dem von ihnen so genannten Versailler „Schandvertrag“ und die Suprematie Deutschlands über alle Großmachtrivalen der Welt. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion vor 70 Jahren wurde zudem der Anspruch unterstrichen, die „slawischen Untermenschen“ zu unterjochen und die „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“ ein für alle Mal auszurotten.
Damit begann vor 70 Jahren auch das große Leiden der Völker der Sowjetunion und es begann die systematische Vernichtung der Juden in Europa. Und in das Stalag 326 bei Stukenbrock wurden die ersten sowjetischen Kriegsgefangenen eingeliefert. Bis 1945 gingen 300.000 Kriegsgefangene durch diese Hölle, 65.000 von ihnen überlebten Zwangsarbeit und Hunger nicht.
Viel zu spät, nämlich erst im April 1945, konnten sich die Häftlinge – ähnlich wie im KZ Buchenwald – durch einen Aufstand selbst befreien, wobei ihnen das Näherrücken der amerikanischen Truppen hilfreich war. Und viel zu spät, am 8. Mai 1945, musste das verbrecherische Regime endlich vor der Anti-Hitler-Koalition kapitulieren.
8. Mai 1945: Niederlage oder Befreiung?
Nur für ewig Gestrige ist der 8. Mai 1945 eine „Niederlage“. Ein Sieg war es indessen für die Völker Europas und der Welt, die sechs Jahre lang von deutschen (in Ostasien von japanischen) Truppen besetzt, ausgebeutet und vernichtet worden waren, für die Überlebenden in den Konzentrationslagern, für die wenigen Juden, welche den Gaskammern der Vernichtungslager der SS entkommen sind (sechs Millionen Juden und Zehntausende Sinti und Roma sind dem deutschen Herrenmenschen-Rassismus zum Opfer gefallen).
Befreit fühlen durften sich aber auch die Deutschen selbst. Der Zweite Weltkrieg, der von Nazi-Deutschland entfacht wurde, hatte sich spätestens mit der Schlacht um Stalingrad (1943) und der Landung der Westalliierten in der Normandie (1944) gewendet. Waren zuvor deutsche Soldaten in fremde Länder einmarschiert, hatten deutsche Flugzeuge europäische Großstädte bombardiert, so waren es seit 1943 vornehmlich britische Bomber, die ihre tödliche Fracht auch auf deutsche Städte abwarfen.
So bitter diese Zerstörungen waren, die sich ja nicht nur gegen militärische Ziele richteten, sondern ganz gezielt auch der Bevölkerung galten, damit ihr die „Moral“ und der Glaube an den „Endsieg“ genommen würden, so verständlich war es doch auch, dass der Krieg schließlich in das Land zurückkehrt, von dem er ausgegangen war. Dresden, Braunschweig, Kassel, Nürnberg, Pforzheim, Duisburg und natürlich Berlin sind nur ein paar Städte, die hier stellvertretend genannt werden sollen.
Wer heute in provokativer Weise nur der deutschen Opfer der letzten Kriegstage gedenkt, will im Grunde genommen das Rad der Geschichte zurückdrehen. Dass solche neonazistischen „Revisionisten“ sich heute nicht nur auf den Straßen, sondern auch in Landtagen wieder breit machen, ist eine politische Schande, die man gar nicht genug skandalisieren kann!
Günter Grass und Erika Steinbach setzen Opfer und Täter gleich
Doch auch wer heute öffentlich unterschiedslos aller Opfer des Zweiten Weltkriegs gedenkt, des toten sowjetischen Soldaten in der russischen Steppe oder des toten amerikanischen Soldaten in den Niederlanden genauso wie des toten Wehrmachtsangehörigen, der beim Kampf um Berlin sein Leben ließ oder in der Kriegsgefangenschaft, auch der hat nicht genügend aus der Geschichte gelernt.
Dazu muss ich leider auch den großen deutschen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Günter Grass zählen, der schon vor einigen Jahren mit seinem Roman „Krebsgang“ über den Untergang des „Kraft-durch-Freude“-Schiffes „Wilhelm Gustloff“ den 9.000 deutschen Opfern ein Denkmal setzte und der vor wenigen Tagen in einem Interview mit der israelischen Zeitung Haaretz auf eine perfide Art den Holocaust relativierte. Ich möchte aus dem Interview zitieren:
"Von acht Millionen deutschen Soldaten, die von den Russen gefangen genommen wurden, haben vielleicht zwei Millionen überlebt, und der ganze Rest wurde liquidiert. (...) Ich sage das nicht, um das Gewicht der Verbrechen gegen die Juden zu vermindern, aber der Holocaust war nicht das einzige Verbrechen."
Soweit Günter Grass. Dazu nimmt der Historiker Peter Jahn in der Süddeutschen Zeitung Stellung, indem er folgendes richtigstellt:
".. umstandslos den Mord an sechs Millionen Juden mit einem Phantasiebild von sechs Millionen liquidierten deutschen Kriegsgefangenen zu relativieren, ist - vor aller moralischen Bewertung - erklärungsbedürftig.
Die Fakten: Mehr als drei Millionen deutsche Soldaten gerieten im Krieg und vor allem bei Kriegsende in sowjetische Gefangenschaft. (...) Nach unterschiedlichen Zählungen haben 700 000 bis 1,1 Millionen der Gefangenen nicht überlebt, wurden vor allem Opfer der Mangelernährung. (...) Hunger ... war in der Sowjetunion der Kriegs- und ersten beiden Nachkriegsjahre bestimmend für die große Mehrheit der Bevölkerung ..." (SZ, 01.09.2011)
Peter Jahn fährt in seinem kritischen Artikel fort:
„Indem aus einer Million an Hungerfolgen Gestorbenen sechs Millionen von den Russen ermordeten Deutsche phantasiert werden, stehen bei Grass der Völkermord an den Juden und das deutsche Leiden auf einer Stufe.“
Ja, man muss darauf bestehen – und das gilt gerade auch hier in Stukenbrock -, dass es zwischen Tätern und Opfern einen fundamentalen Unterschied gibt. Man muss darauf bestehen, dass die Urheberschaft des Zweiten Weltkriegs nicht über die Hintertür des Totengedenkens jenen mit-angelastet wird, die diesen Krieg nicht gewollt und sich gegen den deutschen Überfall zur Wehr gesetzt haben. Und man muss schließlich darauf bestehen, dass die Schuldigen an der Weltkriegskatastrophe mit ihren 60 Millionen Toten immer und immer wieder beim Namen genannt werden.
1945 war das noch selbstverständlich. Ich war gestern im Gerichtssaal 600 des Nürnberger Justizgebäudes, wo 1945/46 die Hauptkriegsverbrecher von einem alliierten Militärgericht zur Rechenschaft gezogen wurden. Heute ist dort ein Museum eingerichtet worden, dessen Besuch ich jedem empfehlen kann, der einmal nach Nürnberg kommt.
Die von US-Soldaten oder der Roten Armee befreiten KZ-Häftlinge waren sich damals einig, nicht nur zu sagen: „Nie wieder Krieg!“, sondern eben auch „Nie wieder Faschismus!“ Einig waren sich auch die Alliierten (Großbritannien, UdSSR, USA, später auch Frankreich), Deutschland die Grundlagen zu entziehen, jemals wieder einen Krieg anzetteln zu können. Die ersten Maßnahmen der Besatzungsmacht waren daher die restlose Zerschlagung der deutschen Wehrmacht und aller ihrer Unterorganisationen, die Demobilisierung der Truppen, die Übernahme der Kontrolle über die deutschen Rüstungsschmieden sowie die Internierung vieler ihrer Besitzer oder Leiter, die Zerschlagung der IG Farben (dem mächtigsten Industriekonzern, der Hitler zur Macht verholfen hatte) und der Aufbau demokratischer Institutionen auf Gemeinde- und Landesebene.
Hinzu kam, dass die faschistische Ideologie mit „Stumpf und Stiel“ aus den Köpfen und Herzen der Deutschen ausgerottet werden sollte. Aufgelöst und verboten wurden die NSDAP und alle anderen nationalsozialistischen Organisationen einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen – dies geschah durch die Militäradministrationen in allen vier Besatzungszonen.
Es ist ein Skandal, dass eine der Nachfolgeorganisationen der NSDAP, die NPD, wieder in deutschen Landtagen sitzt und mit zahlreichen sog. „Kameradschaften“ und neonazistischen Kampfgruppen provokative Aufmärsche organisiert: im Februar in Dresden, und heute in Dortmund. Das ist eine Schande für Deutschland und für die Justiz, die so etwas zulässt. Wünschen wir unseren Freundinnen und Freunden, die sich heute den Nazis in den Weg stellen, dass sie Erfolg haben mögen und den braunen Spuk aus Dortmund verbannen.
Ein Skandal ist es aber auch, wenn die Vertriebenenverbände an ihren geschichtsrevisionistischen Lügen festhalten. Hat doch vor wenigen Tagen die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, die CDU-Politikerin Erika Steinbach gefordert, dass die deutschen Kriegsgefangenen, die im Ausland Zwangsarbeit verrichtet hatten, eine Entschädigung erhalten sollen. Die deutschen Zwangsarbeiter, so sagte sie, hätten „moralisch das Recht,, in ähnlicher Weise entschädigt zu werden“ wie die ausländischen Zwangsarbeiter in Deutschland. Und Frau Steinbach setzt noch einen drauf und verlangt von der Bundesregierung, künftig bei Staatsbesuchen deutscher Politiker im Ausland „Vertriebene“ mitzunehmen, „gerade wenn es sich um historisch vermintes Gebiet handelt“. (SZ, 29.08.2011). Da hat die Hardlinerin unter den Vertriebenen nicht nur wieder einmal Täter mit Opfern gleichgesetzt, sie macht sich daran, hochexplosive Minen in fremden Ländern zu verlegen. Dieser Frau muss das Handwerk gelegt werden.
Die "Stunde Null" und die verpassten Gelegenheiten
Zurück zur sog. „Stunde Null“, 1945. Auch andere wegweisende Maßnahmen der Alliierten 1945 sind später nicht verwirklicht bzw. wieder zurückgedreht worden. Ein friedliches Deutschland sollte errichtet werden, ein Land, in dem Großindustrielle und Großbankiers – wie Krupp, Flick und Hermann Josef Abs – keine Rolle mehr spielen durften, in dem Adel und Großgrundbesitz ihre Privilegien und ihren Besitz verlieren mussten, und in dem die Träger der nationalsozialistischen Ideologie ihres Einflusses in Staat und Gesellschaft beraubt werden sollten. Die hessische Verfassung sah daher ausdrücklich die Enteignung und Entflechtung des Großkapitals vor. Und noch im Grundgesetz der (westlichen) Bundesrepublik 1949 fanden sich als Widerhall jenes Konsenses die Artikel 14 und 15, in denen die Sozialpflichtigkeit des Eigentums festgestellt und die Möglichkeit der Enteignung eröffnet wurde.
Dass von dieser Möglichkeit im Dienste der Allgemeinheit in der (alten) Bundesrepublik schließlich so wenig Gebrauch gemacht wurde, dass im Gegenteil unser Land in den 50er Jahren eine Phase der Rekonstruktion alter Besitz- und Machtverhältnisse durchmachte, und dass 66 Jahre nach dem Ende des Faschismus die Zeichen längst wieder eher auf die Privatisierung öffentlichen Eigentums als auf die Sozialisierung privaten Besitzes gestellt sind, gehört zu den besonders bitteren Erfahrungen.
Sie sind der wenige Monate nach der Potsdamer Konferenz einsetzenden Periode des „Kalten Kriegs“ geschuldet, in dessen Folge Ostdeutschland (seit 1949 die DDR) sich weitgehend den Vorgaben der sowjetischen Besatzungsmacht (später Führungsmacht im Warschauer Vertrag), Westdeutschland (ab 1949 die BRD) den Weisungen der US-Besatzungsmacht (später Führungsmacht in der NATO) unterordneten. Die West- bzw. Ostorientierung der beiden deutschen Staaten verhinderte schließlich die Durchsetzung einer alternativen Entwicklung zwischen den „Blöcken“: die Etablierung eines kleiner gewordenen, neutralen und entmilitarisierten, dafür aber vereinigten Deutschland, dessen Ostgrenze endgültig von Oder und Neiße markiert würde. Der Weg in die Einheit und Neutralität, den Österreich gehen konnte, wurde Deutschland – insbesondere aufgrund der sturen Haltung des Westens einschließlich des deutschen Kanzlers Adenauer – verwehrt, die Chancen hierzu 1952/1953 nicht ergriffen.
Nun werden manche sagen, der Traum von der deutschen Einheit ist 1989/90 doch in Erfüllung gegangen und dies war doch auch das Ergebnis der beharrlichen Politik der Westintegration und der Remilitarisierung (einschließlich des Beitritts zur NATO). Aber was wäre der Bevölkerung in Ost und West erspart geblieben, wenn Deutschland den „österreichischen“ Weg gegangen wäre! Keine Frontstadtsituation Berlin, keine Mauer, keine atomare Bedrohung und kein Aufmarschgebiet von NATO und Warschauer Vertrag! Ein neutrales Land hätte auf Rüstung weitgehend verzichten und in der Weltpolitik eine konstruktivere Rolle spielen können.
Friedenspolitik im Rückwärtsgang
Aus friedenspolitischer Sicht waren die 66 Jahre Nachkriegsentwicklung - mit der Ausnahme, dass es zu keinem großen Krieg kam - keine reine Erfolgsgeschichte. Die Friedensbewegung hatte sogar eine Reihe bitterer Niederlagen einstecken müssen.
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Sie unterlag im Kampfe gegen die Remilitarisierung in den 50er Jahren.
- Sie konnte trotz legendärer demonstrativer Massenaktionen Anfang der 80er Jahre die Stationierung neuer US-Atomraketen in Mitteleuropa nicht verhindern.
- Unter Rot-Grün beteiligte sich die Bundeswehr im Rahmen der NATO 1999 erstmals an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Der Widerstand der Friedensbewegung konnte sich zwar auf die Kriegsablehnung von fast der Hälfte der Bevölkerung stützen, diese aber kaum zum offenen Protest mobilisieren.
- Ähnlich verhielt es sich beim Afghanistan-Krieg, der am 7. Oktober 2001 mit britisch-amerikanischen Bombenangriffen begann und an dem sich die Bundesrepublik seit November 2001, also seit 10 Jahren beteiligt. Und dies, obwohl 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung diesen Einsatz ablehnen.
Aber es gibt auch Erfolge, z.B.:
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die Verhinderung der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr Ende der 50er Jahre,
- die Durchsetzung der Ostverträge 1972,
- die Liberalisierung des Kriegsdienstverweigerungsrechts einschließlich der kontinuierlich steigenden Verweigerungszahlen,
- die Bewegung gegen den US-Krieg in Vietnam – insbesondere in den USA selbst, die in der BRD indessen auf einen linken und studentischen Protestkern reduziert blieb (was damals dennoch massenhafte Züge annahm).
- Die Mobilisierung breiter Teile der Bevölkerung gegen den drohenden Irakkrieg 2003 (sie führte zwar nicht zu dessen Verhinderung aber dazu, dass die Bundesregierung sich nicht aktiv mit eigenen Truppen an diesem Krieg beteiligen konnte).
Trotz dieser – gemessen an reinen Effizienzkriterien - Negativbilanz hat sich die Friedensbewegung und haben sich die Einstellungen der Bevölkerung zu Krieg und Frieden insgesamt positiv entwickelt. So konnte sich die Friedensbewegung mit den Ostermärschen (seit 1960), der Wiederbelebung des öffentlichen Gedenkens an den Beginn des 2. Weltkriegs (Antikriegstag“ am 1. September) und vielen themenbezogenen Kampagnen und friedenspolitischen Projekten und Großereignissen sowie durch den Aufbau eigener Strukturen eine nachhaltige Basis in der Gesellschaft, insbesondere auf lokaler Ebene schaffen.
Bevölkerungsmehrheit gegen Kriegseinsätze
Meine These ist, dass sich die Einstellung der Bevölkerung der Bundesrepublik zu Fragen von Krieg und Frieden heute grundlegend unterscheidet von den Einstellungen früherer Generationen, insbesondere „der Deutschen“ vor 1945. Das Bild der deutschen Gesellschaft im Kaiserreich, in der Zwischenkriegsperiode der Weimarer Republik und im Faschismus war stark beeinflusst gewesen von der historischen Erblast einer gescheiterten bürgerlich-demokratischen Revolution 1848, der deutschen Reichsgründung von oben und mittels eines Krieges, der Dominanz obrigkeitsstaatlichen, antidemokratischen Denkens, und der Militarisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens. In diesem Milieu der spezifisch preußischen Pickelhauben-„Demokratie“ konnten all jene „Sekundärtugenden“ wie Tapferkeit, unbedingter Gehorsam u.ä. gedeihen, die zur Führung industrieller Massenkriege (1. und 2. Weltkrieg) gebraucht wurden.
Dieses (Selbst-)Bild der Deutschen als einem zu Krieg und Eroberung prädestinierten „Herrenvolk“ wurde spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört. Heute gibt es keine Mehrheiten für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Heute hat die Bundeswehr Probleme, ausreichenden Nachwuchs zu rekrutieren.
Doch wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen. Denn
erstens hat sich die Politik derart von der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung entfernt, dass einem angst und bange um die Demokratie werden muss.
Und
zweitens kann die Antikriegsstimmung auch wieder umschlagen. Die Spindoctors und Politiker/innen aller Couleur basteln doch eifrig an solch schönen Dingen wie dem „humanitären Militäreinsatz“, den „chirurgischen Schlägen“, der „Schutzverantwortung“ der Staatengemeinschaft, dem Export von Menschenrechten und Demokratie usw. Libyen ist das jüngste Beispiel für die Perversion des Denkens, die mittlerweile fast die ganze Medienlandschaft ergriffen hat. Da wird ein Außenminister – den man bei Gott nicht gut finden muss – deshalb niedergemacht, weil er ausnahmsweise das Richtige gemacht hat, indem er im UN-Sicherheitsrat – zusammen mit Russland, China, Brasilien und Indien - einer Militärintervention widersprochen hat.
Sorgen wir dafür, dass die den Krieg ablehnende Grundeinstellung der Bevölkerung auch dann noch Bestand hat, wenn Deutschland mit der Europäischen Union oder der NATO sich anschicken, in Asien oder Afrika den „freien Zugang zu Rohstoffen“ zu sichern oder unbotmäßige Regime zu beseitigen – natürlich unter dem Deckmantel der „Verteidigung von Menschenrechten“ oder des „Kampfes gegen den internationalen Terrorismus“. Dazu wird die Bundeswehr zur Interventionsarmee „transformiert“, dafür werden die Waffen geschmiedet – und nebenbei gesagt auch in alle Welt exportiert (der Tod ist eben, wie Paul Celan schrieb, „ein Meister aus Deutschland“). Und die krisenhafte Entwicklung der Weltwirtschaft und die bevorstehenden Hungerrevolten in der Dritten Welt werden genutzt werden für die Einstimmung der Massen auf neue Interventionen und Kriege.
Dazu sagen wir hier in Stukenbrock und überall, am Antikriegstag und bei anderen Gelegenheiten: NEIN.
* Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag; Mitglied der AG Friedensforschung, Kassel; Website: www.ag-friedensforschung.de
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