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Der Militarismus: "eine ökonomisch völlig absurde Vergeudung ungeheurer Produktivkräfte"

Ein Denkmal für Rosa Luxemburg, die große Antimilitaristin und Revolutionärin! Beiträge zu einer Initiative aus der Hauptstadt

Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Artikeln, die in der Tageszeitung "junge Welt" veröffentlicht wurden, um die Errichtung eines Denkmals für Rosa Luxemburg am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin zu begründen. Es handelt sich um

Am Anfang steht aber ein Zitat von Rosa Luxemburg.



"Der Militarismus, der für die Gesellschaft im Ganzen eine ökonomisch völlig absurde Vergeudung ungeheurer Produktivkräfte darstellt, der für die Arbeiterklasse eine Herabsetzung ihres wirtschaftlichen Lebensmaßstabes zum Zwecke ihrer sozialen Versklavung bedeutet, bildet für die Kapitalistenklasse ökonomisch die glänzendste, unersetzliche Anlageart, wie gesellschaftlich und politisch die beste Stütze ihrer Klassenherrschaft."
Rosa Luxemburg: Miliz und Militarismus, 1899

Aufklärung und Aufrüttelung

Appell von Annelies Laschitza aus dem Jahr 1997

Rosa Luxemburg ein Denkmal zu setzen heißt,
  • an eine kluge, selbstbewußte, weltoffene, sensible, kritische und kreative Frau zu erinnern, deren Tun und Denken der Aufklärung und Aufrüttelung der Menschen galt, auf daß sie sich für eine demokratische, friedliche und sozialistische Gesellschaftsordnung einsetzen, in der Freiheit, Menschlichkeit, soziale Gerechtigkeit, internationale Solidarität und Frieden gesichert sind;
  • einer Sozialistin und Revolutionärin zu gedenken, die fast 20 Jahre in Berlin als Journalistin, Wissenschaftlerin und Lehrerin in der deutschen Sozialdemokratie tätig war, den Spartakusbund und die KPD mitbegründete;
  • eine entschiedene Gegnerin von Imperialismus, Militarismus, Nationalismus, Opportunismus, Reformismus und Terrorismus zu ehren, eine Kämpferin, die in prinzipientreuer Opposition und im Bewußtsein der Dialektik von Reform und Revolution für eine sozialistische Gesellschaft einstand;
  • sich mit den Widersprüchen und Illusionen in ihrem Denken und Fühlen vertraut zu machen, zu versuchen, sie aus ihrer Zeit und ihrer ganzen Persönlichkeit heraus zu verstehen;
  • nicht zu vergessen, daß stalinistische Machenschaften und Verbrechen auch zu einem verzerrten Verhältnis zu Rosa Luxemburg führten, daß der bornierte Umgang mit ihren Theorien zu Verleumdung und Verfolgung ihrer Anhänger führte, zu Parteiausschlüssen, Deporta­tion und Tod;
  • sich bewußt zu sein, daß formales politisches Bekennertum, doktrinärer und selbstherrlicher Umgang und Mißachtung des kritischen und streitbaren Geistes von Rosa Luxemburg zu Verzerrungen in der Auseinandersetzung mit ihrem Verständnis von Demokratie, Sozialismus und Internationalismus und zur Verkümmerung des konkreten Wissens über ihre faszinierende Individualität, ihren Gefühlsreichtum und geistigen Universalismus führen;
  • sich in der Überwindung der Fehler und Verbrechen im Umgang mit Rosa Luxemburg zu einer anspruchsvollen Erbepflege zu verpflichten, ihre Persönlichkeit umfassend zu würdigen, Leben und Werk bekannt zu machen;
  • nicht den Gewinn zu verschenken, den die intensive und anregende Auseinandersetzung mit ihrem Werk für alle Bereiche der Gesellschaftsanalyse, Politik und Kultur in sich birgt und ihn zu nutzen für die Bewältigung diffiziler Geschichts- und Gegenwartsfragen des Verhältnisses zur SPD, zur KPD, SED, DKP und anderen Parteien und Organisationen der Arbeiterbewegung;
  • ein wahrheitsgemäßes und lebendiges Bild von Rosa Luxemburg zu vermitteln und respektvolles Gehör und kritisches Verständnis für Andersdenkende zu pflegen;
  • schließlich und nicht zuletzt, den bestialischen Meuchelmord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 in Berlin anzuprangern, durch den die sozialistische Bewegung und die menschliche Gesellschaft des 20. Jahrhunderts hervorragende Persönlichkeiten verloren hat.
Prof. Dr. Annelies Laschitza ist Historikerin, Luxemburg-Forscherin und Autorin der Biographie »Im Lebensrausch, trotz alledem«, Aufbau-Verlag, Berlin 1996


Gegen(d)darstellung

Im Januar soll ein Duplikat der Rosa-Luxemburg-Statue von Rolf Biebl am Rande des Platzes, der den Namen der Revolutionärin trägt, aufgestellt werden. Sie wird dort zwischen allerlei Kunst stehen

Von Arnold Schölzel


Ende Oktober/Anfang November 2008 fanden vor der Volksbühne am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz Bauarbeiten statt. Das Straßenpflaster wurde aufgerissen und einige der 60 Platten, die der Künstler Hans Haacke dort 2006 in Gehwege und Fahrbahnen eingelassen hatte, wurden zeitweise entfernt. Die Platten tragen Zitate und Fragmente aus Rosa Luxemburgs Schriften. Nach Abschluß der Arbeiten informierten Passanten die jW-Redaktion, daß die Bauarbeiter die Fragmente puzzleartig wieder ins Pflaster zurückgelegt und festgeklopft hatten, d. h.: Sinnvolle Sätze waren nicht mehr zu lesen. Das wurde – nach Rückfrage der jW-Redaktion bei der Volksbühne – so rasch korrigiert, daß keine fotografische Dokumentation mehr möglich war.

Die hätte die Redaktion gern gemacht, denn die Angelegenheit war symbolisch für den zeitgenössischen Umgang mit Platz und Namensgeberin: Es herrscht jene Beliebigkeit, die als künstlerischer, architektonischer und städtebaulicher Ausdruck des neoliberalen Wahns der letzten Jahrzehnte weltweit für unbenutzbare Häuser, sinnfreie Stadtmöbel oder z. B. einen gigantomanischen, aber nicht für Bahnbenutzer geeigneten Hauptbahnhof in Berlin sorgt. Architekten sind Stararchitekten und fahren nicht mit der Bahn, arbeiten nicht in Bürowaben, sondern haben Privatjets und eine Insel zu haben. Wo Autokonzerne Banken sind, die auch Fahrzeuge auf den Markt werfen, funktionieren Banken nicht und die Automobile sind moralisch und technisch verschlissen, bevor sie die Fabriken verlassen. In der bildenden Kunst ist das Fragment unter solchen Verhältnissen hochsubventionierte Stilikone; aus Unbildung resultierender Eklektizismus wird gegen klassische Kunstformen als Ausdruck von Freiheit, Gleichheit oder andere Beschreibungen humaner Gesinnung, mit deren Relikten sich der Casinokapitalismus der Investmentbanken und der Steinbrücks gern modisch ausstaffiert, in Stellung gebracht.

Was übers Gewerbe hinausgeht, ist in dieser Welt Luxus. Da reicht es weder für öffentliche Schulen, die Lesen und Schreiben für alle gewährleisten, noch für ein Gesundheitswesen, das allgemein gesund macht, schon gar nicht für historische Bildung oder für Förderung von Kunst, die sich dem Warenwahn der Kunstkrämer in Behörden, Medien und Galerien verweigert. Denn Voraussetzung für die Symbiose von Investmentbankern und jenen, die ihnen Kunst an ihrem Gesellschaftsbau liefern, ist, daß nicht über dessen Kellergeschosse hierzulande oder im Süden des Erdballs gehandelt wird. Nur die oberen Etagen gewähren, wie Max Horkheimer vor fast 80 Jahren in der letzten Weltwirtschaftskrise schrieb, einen schönen Ausblick auf den gestirnten Himmel. Nur dort gilt das Sittengesetz.

Wer über die soziale Frage nicht reden will, schweigt natürlich auch von deren Geschichte. Auf dem Rosa-Luxemburg-Platz, der dazu viel historischen Stoff liefern könnte, findet sich der Name Rosa Luxemburgs auf den Straßenschildern und auf Haackes Zitatenplatten. Auf die stößt nur der, der auf sie tritt und nach unten blickt. Eine Einrichtung, in der die Geschichte des Platzes geschildert oder gar Biographisches zu der Revolutionärin mitgeteilt wird, gab der Etat für den teuren Umbau des Platzes unter der Ägide des Kultursenators (2002 bis 2006) Thomas Flierl (PDS) nicht her. Dafür gibt es einen generellen Grund: Denkmäler konnte die Bundesrepublik noch nie und kann sie nicht, wie sich nicht nur rund ums Brandenburger Tor besichtigen läßt, es sei denn, man hält Betonklotzzusammenstellungen für solche. Und einen speziellen: Der herrschenden Phobie vor aufklärerischer Geschichte entspricht die Dominanz staatsfrommer Legendenbildungen. die wilhelminische Formen angenommen hat: Wie herrlich weit wir es gebracht haben. Speziell die Geschichte der Arbeiterbewegung und die DDR können da nur sehr schlecht abschneiden. Hinzu kommt: Wichtige ostdeutsche Mandatsträger der PDS bzw. der Linkspartei lassen sich bei der Verunglimpfung und antikommunistischen Hysterisierung dieser Geschichte ungern von anderen übertreffen.

Der erreichte Grad an Dummheit und Unwissenheit drückte sich in der Erregung aus, die jüngst die bloße Erwähnung der Verantwortung von Sozialdemokraten für die Ermordung Rosa Luxemburgs in einem Interview, das die hessische Landtagsabgeordnete Janine Wissler im September jW gegeben hatte, in Wiesbaden auslöste: »Geschichtsklitterung« war noch das mildeste, was da verlautete. Der Furor der Bilder- und Denkmalstürmer von 1990 ff ist noch lange nicht gewichen, er steigert sich gerade wieder. Erst jüngst setzte die Berlin-Ausgabe von Bild den Abriß des Thälmann-Denkmals im Prenzlauer Berg wieder auf die Tagesordnung.

Der Berliner Kulturetat hätte genug Möglichkeiten, z. B. den Wandel der Namen des heutigen Rosa-Luxemburg-Platzes darzustellen und zu erläutern. Laut Lexikon hieß er von 1907 bis 1910 Babelsberger Platz, wurde dann nach des Kaisers Reichskanzler von Bülow benannt und 1933 von den Nazis zum Horst-Wessel-Platz gemacht. 1945 bis 1947 hat er demnach Liebknechtplatz geheißen, danach Luxemburgplatz und seit 1969 Rosa-Luxemburg-Platz. Nicht gerade unwichtige Stationen eines Jahrhunderts deutscher Geschichte sind da angedeutet. Außerdem: Eine der größten Parteien der Weimarer Republik, die KPD, erwarb 1926 an diesem Platz ein Bürohaus für zentrale und regionale Parteieinrichungen, für das sich, sagen Historiker, danach der Name Karl-Liebknecht-Haus einbürgerte. Hier arbeitete Ernst Thälmann, woran eine Gedenktafel erinnert, hier folterten nach Verhaftung und Ermordung ungezählter KPD-Mitglieder ab dem 8. März 1933 Politische und Geheime Staatspolizei, hier forschten zu DDR-Zeiten Mitarbeiter des Instituts für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED.

Berichtet wird darüber an diesem Ort kaum. Der Blick ist der Zukunft zugewandt. Am 29. Mai verkündete Springers Berliner Boulevardblatt BZ: »Rosa-Luxemburg-Platz wird Rosa-Luxus-Platz«, und schrieb: »Schwarz, verschachtelt, dreieckig: Das spektakuläre Wohnhaus, das an der Ecke Rosa-Luxemburg-Platz/Linienstraße entsteht, ist auf die Bedürfnisse von Kunstsammlern zugeschnitten. Fertig ist das sechsstöckige Haus im Sommer 2009. ›Einen Beitrag zur klassischen Moderne, einladend und abweisend zugleich‹, nennt der Berliner Stararchitekt Roger Bundschuh sein Werk aus schwarzem Sichtbeton... Die Luxuslofts sind zwischen 67 und mehr als 300 Quadratmetern groß... Wer hier einzieht, hat Platz. Platz vor allem für Kunst und Gemälde. Die Decken sind bis zu sieben Meter hoch. Wer sich das elegante Kunstquartier leisten will, muß tief in die Tasche greifen: Bis 5000 Euro sind für den Quadratmeter zu bezahlen.« So wandelt sich die Welt zum Besseren, sicher auch im Sinne der Senatskulturverwaltung.

Das künstlerische Pendant zu den Unterkünften für Bestverdienende läßt sich am anderen Ende des Dreiecks, das der Platz bildet – Linienstraße/Ecke Weydingerstraße – besichtigen. Dort hat der »Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e. V.« ein Sammelsurium von nachgebildeten Fragmenten, eine »skulpturale Collage« aufstellen lassen, die anderenorts in Berlin komplett zu besichtigen sind. Hier steht der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. – eine der widerlichsten Figuren der an Widerlichkeiten reichen Hohenzollerngeschichte – neben einer Replik des 1981 im Lustgarten aufgestellten Gedenksteins für die Gruppe um den Kommunisten Herbert Baum, die 1942 die Nazipropagandaausstellung »Das Sowjetparadies« in Brand steckte. Der Gedenkstein im Lustgarten verzeichnet 34 Todesopfer aus der Gruppe. In einem Land, in dem die Potsdamer Garnisonkirche, wo sich Preußen und Nazis 1933 symbolisch die Hand reichten, wiederaufgebaut wird, ein antifaschistischer authentischer Gedenkort wie die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals bei Berlin aber zum Abriß freigegeben werden soll, ist solche Zusammenstellung nicht verwunderlich. Das eine ist so monströs-reaktionär wie das andere: Die Menschenschinder und ihre Opfer verschwinden hinter Gleichsetzung des »Gedenkens« - eine Methode, mit der in der Bundesrepublik stets die reaktionäre Blutspur der deutschen Geschichte geleugnet und verdrängt wurde und wird. Im Internet liest sich das bei dem Verein, der sich die Website www.rosa-luxemburg-platz.de gesichert hat, so: »Das Projekt reproduziert keine Manifestation spektakulärer inszenierter Repräsentationen geschichtlicher Momente im öffentlichen Raum, vielmehr ist das Phänomen jener Erinnerungskultur in Form von Denkmälern der Gegenstand der Reflexion.« Die in die Dutzende gehenden Berliner Denkmäler des preußisch-deutschen Adels, der Kriegsverbrecher vieler Jahrhunderte, werden so in den an zwei Händen aufzuzählenden Denkmälern deutscher Aufklärung, der Klassik, der Arbeiterbewegung und des antifaschistischen Widerstandes »reflektiert«. Ob die Autoren dieser Zumutung sich bereits um das Denkmal für die neuen Kriege und ihre Helden, dessen Grundstein der Bundeswehrminister vor wenigen Tagen legte, beworben haben, ist nicht bekannt. Gut aufgehoben wären sie dort allemal. Diese Kriege dienen schließlich ausschließlich demokratischen Zwecken, verdienen einfach eine Denkmals-«Reflexion«.

Es ist kein Zufall, daß der Antikapitalistin und Kriegsgegnerin Rosa Luxemburg auf diesem Platz nur in der geschilderten Form gedacht wird. Sie paßt weder in die ältere noch in die neue deutsche Herrlichkeit. Nun soll ein Duplikat des Denkmals, das der Bildhauer und Maler Rolf Biebl (geb. 1951) schuf, gegenüber von der erwähnten Fragmentensammlung aufgestellt werden – hinter dem Gebäude, in dem sich die junge Welt-Redaktion befindet, das Karl-Liebknecht-Haus in Sichtweite. Dort stand das Original, das wieder entfernt wurde. Auch die Geschichte dieses Denkmals ist ein Zeitdokument.

Im Januar 1995 schlug die Bildhauerin Ingeborg Hunzinger (geb. 1915) den Delegierten eines PDS-Parteitages vor, ein Denkmal für Rosa Luxemburg in Berlin aufzustellen. Das stieß in der Partei auf positive Resonanz, in Basisorganisationen wurde für die Skulptur gesammelt. Am 9. Februar 1998 unterstützte auch der PDS-Bundesvorstand die Initiative, obwohl die Begeisterung der Parteioberen bereits merklich gedämpft war. Das war einer Beschlußvorlage zu entnehmen, die vorsah, Ingeborg Hunzinger »für ihre Initiative, Rosa Luxemburg durch ein von der PDS gestiftetes Denkmal im Berliner Stadtraum zu ehren«, zwar zu danken, aber andererseits von der Realisierung des vorgelegten Denkmalentwurfs am Karl-Liebknecht-Haus – der Zentrale von PDS bzw. heutiger Linkspartei – »absehen« zu wollen. Auf Anregung von Klaus Höpcke, ehemals stellvertretender Kulturminister der DDR und 1998 PDS-Landtagsabgeordneter in Thüringen, folgte der Parteivorstand nach längerer Diskussion diesem Vorschlag nicht, sondern entschloß sich zu folgendem: Erstens sollte die Idee, das Denkmal am Karl-Liebknecht-Haus zu errichten, unterstützt werden. Die von Ingeborg Hunzinger und Rolf Biebl vorgelegten Entwürfe sollten zugrunde gelegt werden. In das Konzept einzubeziehen seien, so hieß es weiter, die Anregungen zur dokumentarischen Darstellung der Geschichte des Karl-Liebknecht-Hauses.

Zweitens wurde das Bemühen unterstützt, für künstlerische Arbeiten zur Erinnerung an Rosa Luxemburg auch größere Plätze im öffentlichen Raum der Stadt Berlin ausfindig zu machen und Kräfte der Öffentlichkeit sowie Künstlerinnen und Künstler über eine Ausschreibung für deren Gestaltung zu gewinnen. Der Vorstand der PDS ging bei seinem Beschluß auch davon aus, daß angesichts der Überhäufung Berlins mit feudalen und militaristischen Erinnerungspunkten mehrere an Rosa Luxemburg – sowie an Karl Liebknecht – erinnernde Denkmale zum notwendigen Gegengewicht beitragen könnten.

Mit Sätzen wie diesen skizzierte Klaus Höpcke am 9. Januar 1999 die Beschlußlage der PDS. Er sprach aus Anlaß der Aufstellung des Denkmals von Rolf Biebl im Eingang des Karl-Liebknecht-Hauses. Das Antieiszeitkomitee – eine Berliner Vereinigung PDS- bzw. der Linkspartei naher Künstler – hatte die Initiative ergriffen und den 80. Jahrestag der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts zum Anlaß genommen, um das Denkmal einzuweihen.

Die Aufregung darüber war in Teilen der PDS groß. Es handele sich um eine »Nacht- und Nebelaktion«, wie der damalige Baustadtrat des Bezirks Berlin-Mitte Thomas Flierl in einer offi­ziellen Erklärung formulierte. Mit »Nacht und Nebel« wird seit den Nürnberger Prozessen ein Erlaß Adolf Hitlers von 1941 bezeichnet, der das spurlose Verschwinden von Gegnern des deutschen Faschismus in ganz Europa zur Folge hatte. In der Stellungnahme Flierls war außerdem von einem »erpresserischen Coup« und »die PDS lächerlich machen« die Rede. Der beleidigten bis desolaten Terminologie war Flierl schon 1997 in einem Papier gefolgt, in dem er u. a. von einem »vormodernen Kunstbegriff« sprach und die These aufstellte, mit einem Luxemburg-Denkmal der PDS an diesem Ort würde die Partei »kulturell im Pleistozän verschwinden«. Den starken Vokabeln folgte das starke Stück Kulturpolitik. Wie sich zeigte, wollte die PDS gemeinsam mit SPD sowie Walter Jens, Friedrich Schor­lemmer, Klaus-Uwe Benneter, Hans-Christian Ströbele und anderen eine »Initiative für ein künstlerisches Gedenkzeichen für Rosa Luxemburg auf dem Berliner Rosa-Luxemburg-Platz« unterstützen. Was daraus wurde, kann heute dort besichtigt werden: Der Rosa-Luxus-Platz.

Dieses Resultat ließ einige Menschen, vornehmlich Künstler, den Vorsatz fassen, ein Duplikat der Skulptur Rolf Biebls, die heute an einer – um es vorsichtig auszudrücken – nicht besonders attraktiven Stelle vor dem Gebäude des Neuen Deutschland am Franz-Mehring-Platz steht, fast am ursprünglich vorgesehenen Ort aufzustellen. Am 11. Januar 2009, zum 90. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, um 14 Uhr, soll die Statue auf dem Grundstück Ecke Linien-/Weydingerstraße aufgestellt werden.

Spenden für Rosa gesucht!
Wir bitten, das Vorhaben – den Guß des Duplikats und die Aufstellung des Denkmals – zu unterstützen.
Spendenkonto: Postbank BLZ 100 100 10,
Kontonummer: 6 95 68 21 00
Stichwort: Denkmal


Was bleibt?

Eine kleine Chronik zum Rosa-Luxemburg-Denkmal in Berlin

1995, Ende Januar: Auf dem 4. Bundesparteitag der PDS in Berlin regt die Bildhauerin und Parteitagsdelegierte Ingeborg Hunzinger im Rahmen einer Debatte über die Geschichtsarbeit der Partei an, ein Denkmal für Rosa Luxemburg in Berlin zu errichten. In einer Zeit von Straßenumbenennungen und Denkmal­abrissen wäre dies ein Zeichen für kommende Generationen. Der Vorschlag wird mit großem Beifall aufgenommen. Erste Spenden fallen in ein Glas mit der Aufschrift »Was bleibt? ... ein Denkmal für Rosa Luxemburg«, das durch die Reihen der Delegierten gereicht wird; die Sammlung ergibt einen Betrag von 384,70 DM, einem Quarterdollar, fünf ungarischen Forint und einer tschechischen Krone. Das ist der Beginn der Initiative.

1995, 25. April: Der PDS-Bundesvorstand kommt zu einer Sitzung im Atelier von Ingeborg Hunzinger zusammen. Es wird über das Rosa-Luxemburg-Denkmal diskutiert. An das Antieiszeitkomitee ergeht der Auftrag, Varianten zu seiner Realisierung zu prüfen.

1995, 22. Juli: In einem Interview mit dem Neuen Deutschland aus Anlaß ihres 80. Geburtstags spricht Ingeborg Hunzinger auch über ihr Engagement für das Denkmal.

1995, 25. September: Das Antieiszeitkomitee diskutiert mit den Künstlern Sonja Eschefeld und Siegfried Krepp sowie mit Thomas Flierl, kulturpolitischer Sprecher der Berliner PDS und Mitglied im Abgeordnetenhaus, verschiedene Varianten: Wettbewerb oder nicht; Standort auf dem Rosa-Luxemburg-Platz; auf der Volksbühnen-Treppe; im spitzen Winkel gegenüber dem Karl-Liebknecht-Haus; an der Fassade des Karl-Liebknecht-Hauses. Das Gremium entscheidet sich gegen einen kostenintensiven und im Ergebnis offenen Wettbewerb. Anschließend sucht Ingeborg Hunzinger unter ihren Kolleginnen und Kollegen und findet schließlich Rolf Biebl. Der erklärt sich bereit, in Kooperation mit ihr selbst an dem Denkmal zu arbeiten.

1996, September: Der Kabarettist und Autor Dr. Seltsam (Wolfgang Kröske) schlägt vor, die Finanzierung des Denkmals durch den Verkauf von Anteilsscheinen zu ermöglichen.

1997, 30. Januar: Der Landesparteitag Berlin der PDS beschließt einen Aufruf zur Unterstützung des Verkaufs von Anteilsscheinen für das Denkmal am Karl-Liebknecht-Haus.

1997, März: Gespräch der Mitglieder des Antieiszeitkomitees Helga Elias und Dieter Klein mit den PDS-Politikern Edda Seifert, Dietmar Bartsch und Thomas Flierl über das weitere Verfahren und die Finanzierung des Denkmals durch Anteilsscheine und Spenden.

1997, 9. April: Brief des Pressesprechers des Berliner PDS-Landesverbandes an die Zeitungsredaktionen in der Hauptstadt zur Unterstützung des Aktionsmonats im Mai des Jahres.

1997, 30. Mai: Diskussion über erste Ideen und Modellvorstellungen mit interessierten Fachleuten und engagiertem Publikum.

1997, 1. Mai: Eröffnung einer Ausstellung über Rosa Luxemburg durch Lothar Bisky, der unter großem Beifall der über 100 Beteiligten das Denkmal als eine »Bringeschuld« der PDS bezeichnet.

1997, Mai: Aktionsmonat

1997, ab Juni: Verteilung eines gemeinsamen Briefes des Landesvorstands Berlin der PDS und des Antieiszeitkomitees an die Basisorganisationen der Partei mit der Bitte, Anteilsscheine zu erwerben.

1997, 14. Juni: Die Berliner PDS-Vorsitzende Petra Pau berichtet dem Landesparteitag über den Aktionsmonat, und Rolf Biebl erläutert die künstlerischen Ideen zum Denkmal.

1997, 30. September: Übergabe der Vorlage für den Bundesvorstand mit einem Beschlußvorschlag für einen Aufruf an die gesamte Partei (auf der Grundlage eines Papiers von Prof. Annelies Laschitza, was es heute heiße, Rosa Luxemburg zu ehren – siehe S. 4) sowie der Information über die ersten 11 000 DM, die für das Denkmal in Berlin gesammelt wurden. Dazu gehört ein Entwurf für einen Arbeitsauftrag an Hunzinger/Biebl.

1997, 24. Oktober: Edda Seifert, Mitglied im PDS-Bundesvorstand, informiert die Ständige Kulturpolitische Konferenz ihrer Partei über das Denkmalvorhaben und schlägt eine Expertenanhörung vor.

1997, 28. November: »Anhörung« in der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz zum Anliegen eines Rosa-Luxemburg-Denkmals, wo Thomas Flierl seine Bedenken vorträgt (siehe jW-Interview rechts).

1998, 11. Januar: Mit der Sammlung während der Berliner Demonstration für Rosa und Karl sind bisher fast 13000 DM für das Denkmal gespendet worden.

1998, 27. Januar: Edda Seifert legt der Kulturpolitischen Konferenz ihren Beschlußvorschlag für den Bundesvorstand zur Ablehnung des Arbeitsauftrages für Ingeborg Hunzinger und Rolf Biebl zum Denkmal vor. Klaus Höpcke macht einen Gegenvorschlag: Die Skulptur soll aufgestellt und anschließend ein Kunstwettbewerb über weitere Arbeiten zu Rosa Luxemburg im öffentlichen Raum ausgeschrieben werden. Eine Trendabstimmung ergibt zwei Stimmen für Edda Seiferts, sechs für Klaus Höpckes Votum und zwei Enthaltungen.

1998, 9. Februar: Der Parteivorstand beschließt (mit acht Stimmen dafür, sechs dagegen und zwei Enthaltungen) nach langer und mit vielen Gästen kontrovers geführter Diskussion den Vorschlag von Klaus Höpcke.

1998, 23. Februar: Der Parteivorstand diskutiert Konsequenzen aus dem Beschluß vom 9. Februar und legt Termine und Verantwortlichkeiten fest. Es wird beschlossen, zur Realisierung des Entwurfs von Ingeborg Hunzinger und Rolf Biebl die bautechnischen Voraussetzungen zu prüfen, aktiv Spenden zu werben, mit Hunzinger/Biebl einen Vertrag abzuschließen, eine weitere Ehrung im öffentlichen Raum zu sondieren und eine Informationsbroschüre zur Geschichte des Karl-Liebknecht-Hauses herauszugeben.

1998, 7. März: Der Parteirat befaßt sich mit der Denkmal-Aufgabe und beschließt einen Aufruf an alle Mitglieder, sich mit Rosa Luxemburgs Werk zu beschäftigen und sich an der Finanzierung zu beteiligen.

1998, 1. Juni: Das Antieiszeitkomitee teilt dem Schatzmeister der PDS, Uwe Hobler, mit, es seien nun knapp 15 000 DM für das Denkmal gesammelt, bietet an, über Fragen zum Vertragsentwurf zu sprechen und lädt ihn zu seiner Beratung am 8. Juni ein, um den Vertrag abzuschließen – falls das bis dahin nicht schon geschehen sein sollte. Bei einer telefonischen Nachfrage stellt sich heraus, daß Hobler den Termin aus Zeitgründen nicht wahrnehmen wird. Weitere telefonische Kontaktaufnahmeversuche bleiben erfolglos.

1998, 21. Juni: Das Antieiszeitkomitee wendet sich in einem Brief an den Parteivorstand, informiert über den neuen Stand beim Verkauf von Anteilsscheinen (fast 16000 DM) und bittet den Vorstand nun um eine kurze schriftliche Mitteilung zur Bilanz des im Februar Beschlossenen und seiner Aktivitäten.

1998, 25. Juni: Ingeborg Hunzinger und Rolf Biebl erhalten mit einem Brief von Edda Seifert die Mitteilung, daß sich am 15. Juni eine Initiative für ein Luxemburg-Denkmal im öffentlichen Raum konstituiert habe. Nach der Sommerpause werde der Vorstand dazu beraten und sie einladen.

1998, Herbst: Hunzinger und Biebl vervollkommnen ihre Entwürfe für den Eingangsbereich des Karl-Liebknecht-Hauses. Der Vorstand meldet sich nicht. Rolf Biebl vollendet seine Arbeit an der Skulptur. Der Bronzeguß wird aller Voraussicht nach Anfang Januar fertiggestellt sein.

1998, 12. November: Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin beschließt: »Die Erinnerung an Rosa Luxemburg soll in Berlin mit einem Zeichen auf dem Rosa-Luxemburg-Platz verstärkt werden.« Dazu soll es einen von der Senatsverwaltung zu finanzierenden künstlerischen Wettbewerb im Rahmen eines öffentlichen, überparteilichen und demokratischen Verfahrens geben.

1999, 9. Januar: Nach den vergeblichen Versuchen, den aktuellen Stand der Realisierung des in Verantwortung des PDS-Vorstandes liegenden Teils der Beschlüsse zu erfahren, entschließen sich Ingeborg Hunzinger, Rolf Biebl und das Antieiszeitkomitee, aus Anlaß des 80. Jahrestages der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zunächst die bereits fertige Skulptur im Eingangsbereich des Karl-Liebknecht-Hauses aufzustellen.

1999, 10. Januar: Der Baustadtrat von Berlin-Mitte, Thomas Flierl, kritisiert in einer Presseerklärung die Aufstellung der Skulptur als Hindernis für den Wettbewerb.

1999, 11. Januar: Der Parteivorstand beschließt ohne Rücksprache mit Ingeborg Hunzinger, Rolf Biebl oder dem Antieiszeitkomitee »im Zuge des Wettbewerbsverfahrens für ein Gedenkzeichen für Rosa Luxemburg auf dem Rosa-Luxemburg-Platz eine Umsetzung der Plastik von Rolf Biebl und der geplanten Relieftafeln von Ingeborg Hunzinger auf dem Grundstück des Karl-Liebknecht-Hauses vorzunehmen«. »Umsetzung« meint in diesem Fall nicht – wie bei sonst bei Kunstwerken üblich – »Realisierung/Verwirklichung«, sondern »Wegräumen«.

1999, 16./17. Januar: Mit zwei Initiativanträgen wird auf der 1. Tagung des 6.Parteitags der PDS in Berlin gefordert, daß die Skulptur an ihrem Platz bleibt. Aus Zeitgründen wird beschlossen, die Anträge auf der 2. Tagung des Parteitags zu behandeln, bis dahin eine Klärung zu versuchen, aber keinesfalls die Figur zu entfernen. Dazu kommt es jedoch nicht mehr: Die Skulptur wird noch im Frühjahr abgebaut.

1999, 19. Oktober: Das Denkmal wird zusammen mit den Reliefs von Ingeborg Hunzinger am Portal des ND-Gebäudes am Franz-Mehring-Platz im Bezirk Friedrichshain aufgestellt, in welchem die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung ihren Sitz hat. In deren Obhut sei die Skulptur vom PDS-Vorstand gegeben worden, wie selbiger mitteilt. Dort steht sie heute noch.

2003: Das Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur schreibt einen Wettbewerb aus, an dem sich 22 Künstlerinnen und Künstler beteiligen. Eine Jury, der u. a. Frank Castorf, Dorothee Dubrau und Adrienne Goehler angehören, soll über die eingereichten Vorschläge befinden.

2005, Januar: Die Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Hans-Ernst Mittig empfiehlt, den Entwurf von Hans Haacke (»Denkzeichen«, ins Straßenpflaster eingelassene Luxemburg-Zitate) umzusetzen.

2006, 14. September: Haackes »Denkzeichen« am Rosa-Luxemburg-Platz werden eingeweiht. Die Kosten belaufen sich auf 410 000 Euro. Im Oktoberheft der Zeitschrift Disput bilanziert Dr. Thomas Flierl: »Kaum zu glauben, welche Kontroverse die Absicht des rot-roten Senats ausgelöst hatte, im öffentlichen Stadtraum an Rosa Luxemburg zu erinnern.«

Die Chronologie basiert in weiten Teilen auf einer Dokumentation des Antieiszeitkomitees, einer Arbeitsgemeinschaft bei der Partei Die Linke, erschienen im Februar 1999


Verehrung ohne Verklärung

Die Rosa-Luxemburg-Statue von Rolf Biebl ist ein hervorragendes Beispiel für realistische Denkmalplastik

Von Peter H. Feist


Wer öffentlich an eine historische Persönlichkeit erinnern will, nimmt an einem Streit teil. Ganz besonders, wenn es sich um Rosa Luxemburg handelt. Wer ihr ein plastisches Gedenkbild schafft, streitet sich nach verschiedenen Seiten. Politisch mit denen, die keine Ehrung der »roten Rosa« wollen, sondern auch heute das Weiterwirken ihrer Ideen und Taten bekämpfen. Künstlerisch mit denen, die eine porträthafte Statue für altmodisch halten und deshalb zugunsten anderer Möglichkeiten ablehnen.

Der Bildhauer Rolf Biebl (geb. 1951), der in Berlin und Budapest studierte und mit gleicher Intensität auch malt, hat den Streit aufgenommen. Er modellierte vor einem Jahrzehnt eine Figur, die selbst streitbar ist. Die lebensgroße Gewandstatue wird nicht auf einem Sockel erhöht wie traditionelle Denkmäler, sondern mitten unter die Menschen gestellt, auf Augenhöhe mit ihren Betrachtern und Betrachterinnen, wie das Auguste Rodin vor einem Jahrhundert erstmals vorschlug.

Das scharf geschnittene Antlitz, Werk eines sicheren Porträtisten, muß den Erwartungen hinsichtlich Ähnlichkeit entsprechen, die sich durch überlieferte Fotografien von Rosa Luxemburg gebildet haben, aber auch eine neue Sicht vortragen, um nicht zu langweilen. Die Dargestellte erscheint älter als in den üblichen Porträts. Der unbeugsam erhobene Kopf und der Blick geradeaus in die Weite erinnern an die Denkerin, Rednerin und Kämpferin. Ein Anflug von Lächeln läßt uns aber ebenso die liebende Frau und die feinfühlige Beobachterin der Natur wiedererkennen, von der ihre Briefe zeugen. Entschlossenheit und Empfindlichkeit verschmelzen miteinander.

Biebl hat für sich eine Form von Realismus ausgebildet, die genaueste, manchmal schonungslos kalte Wiedergabe von sichtbarer Realität im Detail mit einer den Ausdruck steigernden, die Aussage zuspitzenden Verzerrung der Erscheinung vereint. Vor allem wählt er eine extreme Überlängung und Ausmagerung der Körper und Glieder. Das ergibt meistens Figuren, vor denen wir erschrecken. Da sein Bild von Rosa Luxemburg jedoch die Zuneigung der Betrachtenden finden soll, wird die Proportionsveränderung auf ein menschliches Maß zurückgenommen. Eine der hageren Hände tastet feinfühlig, die andere ballt sich fast schüchtern zur Faust.

Umso heftiger ist der Ausdruck des Gewandes, des langen Kleides oder Mantels über dem frontal dargestellten, entschlossen vorwärtsgehenden, vorwärtsdrängenden Körper mit den festen Schultern. Zu den Gewandfalten gesellen sich Fehlstellen des Bronzegusses als Metaphern für Verletzungen, für die tödliche Gewalt, die Rosa angetan wurde. Um die Füße bricht ein wahres Faltengewitter los, wie es Biebl an spätgotischen Skulpturen studieren konnte. Es suggeriert ebenso ein mutiges »Vorwärts!« im geschichtlichen Sturmwind, wie es den Schritt zu fesseln scheint.

Diese Figur drängt uns mit ihren inneren Spannungen ein eigenes Nachdenken, eine eigene Position zu Rosa Luxemburg auf. Sie verehrt, ohne zu verklären. Sie ist damit ein hervorragendes Beispiel für heutige realistische Denkmalplastik.

Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Peter H. Feist leitete von 1982 bis zu seiner Emeritierung 1990 das Institut für Ästhetik und Kunstwissenschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR. Seitdem ist er weiterhin publizistisch tätig und aktives Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.

Alle Beiträge aus: junge Welt, 29. November 2008


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