Militarismus und Antimilitarismus
Rosa-Luxemburg-Gesellschaft Sachsen legt einen lesenswerten Tagungsband vor - Anlass der Konferenz: 100 Jahre Karl Liebknechts gleichnamige Schrift
Klaus Kinner (Hrsg.): MILITARISMUS UND ANTIMILITARISMUS. Aktuelle und historische Dimensionen von Karl Liebknechts Schrift anlässlich des 100. Jahrestages ihres Erscheinens.
Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e. V. Leipzig 2008, 177 S., Kostenbeitrag: 10,50 €, Mitglieder 7,50 €; ISBN 978-3-89819-296-5
Wir möchten auf eine Neuerscheinung hinweisen, die eine größere Verbreitung verdient hätte. Im Folgenden dokumentieren wir das Vorwort des Bandes, das gleichzeitig der Eröffnungsbeitrag der Konferenz vom 19. Oktober 2007 darstellte. Außerdem veröffentlichen wir das Inhaltsverzeichnis.
Monika Runge
am 19. Oktober 2007 im historischen Plenarsaal des damaligen Reichsgerichts in Leipzig (heute Bundesverwaltungsgericht)
(...) Die heutige Konferenz ist Karl Liebknecht gewidmet, der vor fast genau 100 Jahren hier an historischem Ort am Reichsgericht wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« angeklagt und verurteilt worden ist. Gegenstand der Anklage war dessen im Frühjahr 1907 erschienene Schrift »Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der interna-tionalen Jugendbewegung«. Dieser Prozess fand internationale Beachtung, aber vor allem auch das Interesse von Kaiser Wilhelm dem II., der sich telegraphisch genauestens über den Verlauf des Prozesses unterrichten ließ. Dieser Prozess gilt als glänzendes Beispiel für die politische Verteidigung eines Kritikers der Regierungspolitik und eines Andersdenkenden im Kaiserreich. Tausende Menschen empfingen Karl Liebknecht nach dem Prozess auf dem Platz vor dem Reichsgericht und bekundeten ihre Solidarität.
Im historischen Teil wird sich die Konferenz heute mit dieser Schrift Karl Liebknechts »Militarismus und Antimilitarismus« und mit der Neuerscheinung einer Karl-Liebknecht-Biographie von Annelies Laschitza befassen. Sich dieser geschichtlichen Tradition zu erinnern, verfolgt keinen Selbstzweck. Vielmehr können erst durch die analytische Einordnung in den historischen Kontext Liebknechts Auffassungen verstanden und bewertet werden.
Im zweiten Teil der Konferenz morgen werden Themen eine Rolle spielen, die sich mit der zunehmenden Militarisierung der deutschen und europäischen Außenpolitik, mit Krieg als Mittel der Außenpolitik unter der Bush-Administration und den völlig neuen Gefahren im 21. Jahrhundert beschäftigen. Mit dem Epochenumbruch 1990/91 nach der Implosion des realsozialistischen Weltsystems werden nicht nur Hunderte regionale Kriege neu geführt. Damit ist die Welt mit dem Wegfall der Blockkonfrontation auf keinen Fall sicherer geworden. Wer hätte sich die kriegerische Auseinandersetzung zwischen nationalen Gruppen in Jugoslawien oder die heute fast in Vergessenheit geratenen zwei Tschetschenien-Kriege Russlands 1990 vorstellen können? Wer von uns hat die Phantasie zur Möglichkeit eines terroristischen Angriffes auf das world-trade-centre in New-York, ins Zentrum der militärischen Weltmacht USA, besessen? In diesem Fall haben wir es meiner Ansicht nach mit einer völlig neuen Situation zu tun, wofür der Begriff der »asymmetrischen Kriegführung« gefunden wurde. Welche Antworten geben wir darauf? Birgt der Krieg der USA und ihrer Verbündeten am Völkerrecht vorbei gegen den Irak die Keimzelle für einen regionalen Großkonflikt, ja sogar dritten Weltkrieg? Welche Rolle spielte das Völkerrecht dabei und welche Rolle soll es künftig spielen? Fragen über Fragen. Am morgigen Tag erhoffe ich zumindest teilweise Antworten aus Sicht linker Politik.
Insofern kann die Aktualität von Liebknechts Schrift nicht in einer einfachen abstrakten Übertragung auf heutige Umstände hergestellt werden, sondern setzt wiederum anstrengende analytische Arbeit der je einzelnen Konflikte und ihrer Zusammenhänge voraus. Statt abstrakter Phrasen verlangt Konkretheit der Wahrheit die konkrete Analyse der konkreten Situation. Allein mit dem abstrakten Schlagwort des Militarismus bzw. Antimilitarismus und der prinzipiellen Ablehnung von Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln aus moralischer Absicht ist es nicht getan, weil uns dies als Linke in die Rolle des politischen Zuschauers versetzt, der die Schlechtigkeit der Welt beklagt, aber für die Lösung von zahllosen Konflikten in der Welt keine Lösung bietet. Ich hoffe auf kulturvollen Streit, der auch kontrovers sein kann ja sogar sein muss, wenn wir uns den wirklichen Verhältnissen annähern wollen. In diesem Sinne eröffne ich die Konferenz.
Inhalt:
Monika Runge: Eröffnung. S. 7f
Teil I: Karl Liebknecht und der antimilitaristische Kampf der deutschen Linken:
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Annelies Laschitza: Der Hochverratsprozess gegen Karl Liebknecht vor dem Reichsgericht in Leipzig im Oktober 1907. S. 11-20
- Wolfgang Schröder: Arbeiterführer vor Gerichtsschranken: Ferdinand Lassalle, Wilhelm Liebknecht. S. 22-43
- Jürgen Hofmann: Militarismus und Antimilitarismus im Werk von Wilhelm Liebknecht. S. 44-50
- Erhard Hexelschneider: Karl Liebknecht – Russland – Russische Kultur. S. 51-64
- Matthias John: Karl Liebknecht – ein Staranwalt oder/und Anwalt der Armen und Entrechteten. S. 65-75
- Kurt Schneider: Die Leipziger »Liebknechtgruppe« während des Ersten Weltkrieges. S. 76-82
Teil 2: Militarisierung der Politik. Von den Gefahren im 21. Jahrhundert
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Wolfgang Gehrcke: Trotz alledem. Nachdenken über Karl Liebknecht – Rüstzeug für den Kampf gegen Kriege. S. 85-87
- Norman Paech: UNO und Völkerrecht stehen auf dem Spiel. S. 88-94
- Wolfgang Scheler: Entmilitarisierung des politischen Denkens – Kernfrage des Antimilitarismus in der heutigen Welt. S. 9-102
- Ernst Woit: Söldner-Militarismus im 21. Jahrhundert. S. 103-108
- Monika Knoche: Gibt es eine frauenspezifische linke Friedenspolitik? S. 109-111
- Erhard Crome: Von den fatalen Logiken des Militärischen. S. 112-123
- Peter Strutynski: Das Scheitern des Militarismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts. S. 122-129
Anhang:
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Matthias John: Übersicht über die Prozesse, an denen Karl Liebknecht als Angeklagter, Klagevertreter, Verteidiger oder Zeuge beteiligt war. S. 133-152
- Matthias John: Dokumentation ausgewählter Prozesse. S. 153–176
- Autorenverzeichnis. S. 177.
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