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Nach dem Kopenhagen-Desaster

In Bonn treffen sich am Wochenende die Staaten zu Klimagesprächen

Von Susanne Götze *

Am Wochenende (10./11. April) kommen die Vertragsparteien der UN-Klimakonvention wieder in Bonn zusammen. Es ist das erste Treffen der über 190 Länder nach der Verhandlungsniederlage der Kopenhagener Konferenz (COP 15) im vergangenen Dezember.

Genau vor einem Jahr tagten die Staaten der Klimarahmenkonvention auch in Bonn. Damals hofften sie, ein globales Klimaabkommen für die Zeit nach 2013 zu beschließen. Zwölf Monate später dürfte die Stimmung beim UN-Klimaprogramm UNFCCC, dessen Sitz in Bonn ist, weit pessimistischer ausfallen: Die Staaten sind kaum einen Schritt vorangekommen. Auf dem ersten Treffen in der Zeitrechnung nach Kopenhagen muss dieses Wochenende ein diplomatischer Neuanfang gewagt werden.

Seit Anfang 2010 wurde versucht, das magere Ergebnis der COP 15 (Conference of the Parties) rhetorisch aufzuhübschen, geschehen ist aber wenig: Bis Anfang April reichten 75 Länder nationale Klimaziele beim UN-Klimasekretariat ein. Die meisten Vorhaben standen aber lange vor Kopenhagen fest. Im Abschlussdokument, das in der letzten Verhandlungsnacht »zur Kenntnis« genommen wurde, finden sich keine Minderungsziele. Sie waren im Vorfeld aus dem Entwurf gestrichen worden. Stattdessen sollten sich alle Staaten melden, die auf nationaler Ebene bereits Ziele festgelegt haben. Hinter die Erklärung von Kopenhagen haben sich mittlerweile 112 der 193 Staaten gestellt.

Dass die nachträglich eingereichten Verpflichtungen bei Weitem nicht ausreichen, um eine Erderwärmung um zwei Grad zu verhindern, bestreitet niemand. UN-Klimachef Yvo de Boer erklärte kürzlich, dass beim 16. COP im Dezember in Mexiko »Mechanismen« beschlossen werden müssten, um den Emissionsausstoß zu stoppen. Boer sowie die EU-Klimakommissarin und einstige Präsidentin der Klimakonferenz, Connie Hedegaard, glauben aber nicht, dass es im mexikanischen Cancún ein Ergebnis geben wird.

Einzige konkrete Maßnahme des Kopenhagen-Papiers und zugleich wirklich brisantes Gesprächsthema in Bonn sind die Anpassungshilfen für arme Länder, die Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel bekommen sollen. Erstmals wurden in Kopenhagen Soforthilfen von bis zu 30 Milliarden Euro bis 2012 und von bis zu 100 Milliarden Euro ab 2020 in Aussicht gestellt. Nun wird diskutiert, wie die Gelder unter den Industrieländern aufgeteilt werden und welche Institutionen schließlich auf den Anpassungsfonds Zugriff haben sollen.

Auf dem Treffen des Steuerungsgremiums für den »Adaptionsfonds« im März wurde erstmals eine Institution aus dem Senegal als möglicher Abnehmer von Anpassungsprojekten akkreditiert. Weitere sollen in den kommenden Monaten folgen. Doch noch ist der Fonds leer. Denn auf dem letzten EU-Gipfel in Brüssel erklärten die 27 Staats- und Regierungschefs, erst dann die zugesagten 2,4 Milliarden Euro rauszurücken, wenn andere Länder einen »ähnlichen Beitrag leisten«, wie es im Abschlussdokument hieß.

Auf dem Treffen in Bonn sollen zunächst vor allem die »methodischen und organisatorischen« Vorgehen nach dem Kopenhagen-Debakel verhandelt werden, wie es aus dem Klimasekretariat heißt. Es treten dabei die zwei großen Arbeitsgruppen der Klimaverhandlungen zusammen: Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe zur Vereinbarung zukünftiger Verpflichtungen unter dem Kyoto-Protokoll (AWG-KP) und die Ad-hoc-Arbeitsgruppe unter der Klimarahmenkonvention (AWG-LCA). Letztere ist die Verhandlungsbühne für Nicht-Kyoto-Industriestaaten und Entwicklungsländer. In der AWG-KP hingegen sind die 187 unter dem Kyoto-Protokoll zusammengefassten Länder vertreten. Der große Streit, wie eine Integration aller Länder unter ein gemeinsames globales Klimaabkommen aussehen könnte, wird also auch im Jahr 2010 weitergehen.

Die nächste größere Verhandlungsrunde vor Mexiko findet dann vom 31. Mai bis zum 11. Juni ebenfalls in Bonn statt. Dort soll es auch Proteste geben: Das Bündnis »Klimawelle« plant für den 5. Juni eine Großdemonstration sowie einen Aktionstag und ein alternatives Klimaforum.

* Aus: Neues Deutschland, 9. April 2010

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