"Cyberpeace" - Ein Gegenentwurf zur informatikgestützten Kriegführung, Spionage und Überwachung
Das Forum Informatikerinnen und Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF) hielt seine Jahrestagung ab
FIfF-Pressemitteilung
Im Zentrum der 29. FIfF-Jahrestagung, die am vergangenen Wochenende (25.-27.10.2013) unter dem Motto Cyberpeace an der Universität Siegen stattfand, stand die Auseinandersetzung mit dem Einsatz der Informationstechnologie zur Kriegsführung, Spionage und Überwachung aber auch mit ihrem emanzipatorischen Potential im Sinne der Aufklärung und politischen Willensbildung, der Schaffung einer kritischen Gegenöffentlichkeit und der Organisation von Protest. Von den rund 100 ExpertInnen und Interessierten wurden in Vorträgen und Arbeitsgruppen Strategien diskutiert, dem anhaltenden Cyberwar die positive Vision eines Cyberpeace entgegen zu setzen, das Wettrüsten mit Cyberwaffen zu beenden, Erkenntnisse und Produkte der Informatik friedlich zu nutzen, digitale Rechte zu etablieren und im virtuellen Raum 'safe places' für NutzerInnen und AktivistInnen zu schaffen.
Einig waren sich die Vortragenden darin, dass die aktuelle Spähaffäre
dem Tagungsthema zusätzliche Aktualität und Dringlichkeit verliehen hat.
Die von den USA und anderen eingesetzten Programme zur militärischen und
geheimdienstlichen Aufklärung, stellen nicht nur einen massiven Eingriff
in die Privatsphäre von TelekommunikationsnutzerInnen dar, sondern
dienen eben auch der Ausspähung politischer Angriffsziele und der
Vorbereitung digitaler Kriegsführung.
Kai Nothdurft, Mitglied des FIFF-Vorstandes, bedankt sich im Rahmen der
Tagung bei dem Whistleblower Edward Snowden, für dessen Schutz sich das
FIfF gemeinsam mit anderen bürgerrechtlichen Organisationen einsetzt.
„Ohne diesen mutigen Menschen würde das, was wir bislang über das Ausmaß
der weltweiten Telefon- und Internetüberwachung nur vermutet haben, wohl
immer noch als paranoid gelten. Nun wissen wir, dass das tatsächliche
Ausmaß unsere kühnsten Vorstellungen noch übersteigt“, so Nothdurft.
Auf der Mitgliederversammlung des FIfF wurden neben dem alljährlichen
Bericht des Vorstandes gemeinsame Forderungen des FIfF zum Cyberpeace
verabschiedet. Das FIfF positioniert sich damit erneut gegen die
informatikgestützte Kriegsführung, die seit seiner Gründung zu den
Kernthemen zählt. Cyberpeace beinhaltet aber mehr als diese Kritik.
„Cyberpeace ist der Gegenentwurf zu den Dystopien des totalen
Überwachungsstaates, der Gegenentwurf zu den Kassandrarufen,
Privatsphäre war gestern, der Gegenentwurf zur Gleichgütigkeit“, wie der
stellvertretende FIfF-Vorsitzende Dietrich Meyer-Ebrecht hervorhob.
Ebenfalls im Rahmen der Versammlung fand die Neuwahl des FIfF-Vorstandes
statt. Stefan Hügel wurde erneut als Vorsitzender, Dietrich
Meyer-Ebrecht als sein Stellvertreter gewählt. Als BeisitzerInnen
gewählt wurden: Eberhard Zehender, Werner Winzerling, Rainer Rehak,
Ingrid Schlageck, Sylvia Johnigk, Kai Nothdurft, Jens Rinne, Hans-Jörg
Kreowski und Britta Schinzel.
Im Rahmen einer Feierstunde wurden auf der Tagung zum dritten Mal
herausragende Qualifikationsarbeiten mit dem FIfF-Studienpreis prämiert.
Ausgezeichnet wurden die Arbeiten von Daniel Spittank Auswahl und
Gestaltung mobiler Informatiksysteme für den Einsatz im
Informatikunterricht mit dem ersten Preis, Agata Królikowski 'Due to
legal Issues' - Packet Inspection mit dem zweiten und Julia Hoffmann
Zweckgebundener Datenbrief für das Identitätsmanagementsystem mittels
Web-basiertem Benutzerinterface mit dem dritten Preis. Eine
Sonderurkunde für gesellschaftliche Relevanz erhielt Helge Peters für
seine Arbeit Biopolitical Simulations: Governing Live in FuturICT. Wie
die Mitglieder der Auswahlkommission in ihren Laudationes hervorhoben,
befassen sich alle Arbeiten auf hohem wissenschaftlichen Niveau mit
aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Big Data, Datenschutz und einer
mündigen Teilhabe an der digitalen Gesellschaft. Herzlichen Glückwunsch
an die PreisträgerInnen!
Forderungen des FIfF zum Cyberpeace
-
Verzicht auf Erstschlag und Offensive im Cyberspace: Staaten sollen
öffentlich darauf verzichten, Cyberwaffen präventiv zum Angriff
einzusetzen.
- Rein defensive Sicherheitsstrategie: Staaten sollen sich
verpflichten, keine Offensivwaffen für den Cyberwar zu entwickeln oder
gar einzusetzen.
- Digitale Genfer Konvention: Für die Zivilbevölkerung lebenswichtige
Infrastrukturen wie Strom-, Wasser-, Gesundheitsversorgung, etc. dürfen
nicht angegriffen werden. Eine Verletzung dieses Grundsatzes soll als
Kriegsverbrechen gelten.
- Onlineprotestformen dürfen nicht kriminalisiert werden geschweige
denn als Kriegsgrund herhalten.
- Wirtschaftliche Interessen, wie ein Verstoß gegen Intellectual
Properties, sind kein legitimer Kriegsgrund.
- Konventionelle Waffen dürfen nicht als Antwort auf eine Cyberattacke
eingesetzt werden.
- Staatliche Stellen, Unternehmen und Bürger müssen zur Offenlegung von Schwachstellen verpflichtet werden (ableitbar aus dem Grundrecht auf
Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität
Informationstechnischer Systeme, das der Staat schützen muss).
- Betreiber kritischer Infrastrukturen müssen verpflichtet werden, sich selbst zu schützen, bzw. IT-Systeme sicher zu gestalten, zu
implementieren und zu betreiben, anstatt nach dem Staat oder gar Militär
zu rufen.
- Kompetente, transparente Prüfungen und Tests müssen Voraussetzung für eine Betriebserlaubnis sein.
- Wir fordern Entnetzung und Dezentralisierung kritischer
Infrastrukturen (wie z.B. DE-CIX).
- Abrüstung der politische Sprache: Klare Trennung von Cyberwar,
Cyberterror, Cybercrime, ethical Hacking, politischen Protestformen.
- Demokratische Kontrolle, Gewaltenteilung, Parlamentsvorbehalt für
Cybersicherheitsstrategie und deren Umsetzung.
Bremen, 30.10.2013
FIfF Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.
Das FIfF
Das Forum Informatikerinnen und Informatiker für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF) ist ein Zusammenschluss von
ca. 700 Fachleuten aus der Informatik, dem IT-Bereich und IT-nahen
Berufsfeldern, die sich kritisch mit den Auswirkungen des IT-Einsatzes
in unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Zu den Aufgaben des FIfF
zählen die Information der Öffentlichkeit, wissenschaftliche Studien und
Beratung.
Anschrift
FIfF Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.
Goetheplatz 4, D-28203 Bremen
Tel.: 0421 - 33 65 92 55 Fax: 0421 - 33 65 92 56
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