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Von Tunis nach Athen

Weltsozialforum in Tunesien beendet. Rund 60000 Teilnehmer aus 135 Ländern diskutierten über Alternativen zum Neoliberalismus

Von Wolfgang Pomrehn *

In Tunis ging am Samstag das diesjährige Weltsozialforum mit einer Demonstration zu Ende, die der Solidarität mit dem palästinensischen Volk gewidmet war. Allerdings fiel sie mit vielleicht 5000 Teilnehmern deutlich kleiner aus, als der Marsch zum Auftakt des Forums. Zahlreiche ausländische und vor allem auch tunesische Forumsteilnehmer hatten sich zurückgezogen, als klar wurde, daß die Leitung des Aufzugs nichts gegen islamistische Gruppen unternehmen wollte, die sich unter die Demonstranten mischten.

Die Organisatoren zeigten sich aber vom Verlauf des Forums mit seinen rund 60000 Teilnehmern aus 135 Ländern zufrieden. Über 80 Prozent waren Einheimische, und die Ausstrahlung in die tunesische Gesellschaft war erheblich, wie verschiedene Beobachter und Einheimische berichten. Unter anderem haben die Medien viel und prominent über das Treffen berichtet und schufen dabei auch Öffentlichkeit für sonst eher wenig besprochen tunesische Probleme. Der Rassismus, unter dem die etwa 15 Prozent schwarzen Tunesier zu leiden haben, ist ein Beispiel dafür. Oder auch die Note der etwas über 200 letzten afrikanischen Flüchtlinge aus Libyen, deren Lager im Sommer geschlossen wird, die aber weder in ihre Heimat zurück noch in andere Länder weiter reisen können.

Unterdessen ist unter den »alten Hasen«, jenen Teilnehmern, die schon eine größere Zahl der Megatreffen besucht haben, eine gewisse Frustra­tion zu spüren. Es herrscht das Gefühl vor, auf der Stelle zu treten. Mancher wünscht sich die Schaffung einer gemeinsamen Plattform.

Andererseits sind derlei Wünsche wahrscheinlich kaum repräsentativ für die Teilnehmerschaft, denn diese bestand zu über 80 Prozent aus Einheimischen. Wie die meisten Weltsozialforen war auch das diesjährige stark durch die Region und das Gastgeberland geprägt. In den rund 1000 Diskussionsrunden ist das allerdings nicht immer deutlich geworden. Bei vielen zum Teil abstrakten Themen blieben die ausländischen Aktivisten eher unter sich. Bei konkreten Themen wie Wasserprivatisierung – in Tunesien ein aktuelles Problem und sehr umstritten – oder Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und Ernährungssicherheit war der Andrang Einheimischer groß. Helene Rama Niang aus Dakar, die dort vor zwei Jahren zu den Organisatorinnen des vorigen Weltsozialforums gehört hatte, war vom Geist des Forums begeistert und mag den Pessimismus anderer internationaler Gäste nicht teilen. Sie hätte sich aber in Tunesien etwas mehr afrikanische Themen gewünscht. »Ihr seid aus dem Maghreb und der Levante, aber auch aus Afrika«, mahnte sie ihre Kollegen in freundlichen Worten.

Derweil fehlen in der Diskussion über die Frage, ob eine Plattform, eine Art Grundsatzpapier die Weltsozialforen weiterbringen könnte, die konkreten gemeinsamen Problemen, die angegangen werden müssen. So wie zum Beispiel 2003 das Weltsozialforum in Porto Alegre und einige Monate zuvor das Europäische Sozialforum in Florenz eine wichtige Rolle für die weltweite Mobilisierung gegen den Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak spielten.

Mit dem Klimawandel gibt es zwar ein anderes globales Problem, das alle angeht, doch ist dieses nur sehr bedingt für eine globale Kampagne mit einfachen, einsichtigen Forderungen geeignet. Die globale Erwärmung muß vor allem auf der nationalen Ebene bekämpft werden, denn nur dort läßt sich eine andere Energie- und Verkehrspolitik durchsetzen.

Darüber hinaus sind die Probleme heute von Region zu Region sehr unterschiedlich. Während die alten Industriestaaten in einer schweren Wirtschaftskrise stecken, haben die Schwellen- und Entwicklungsländer ganz andere Sorgen. Die einen leiden unter dem sich vertiefenden Graben zwischen Arm und Reich, die anderen unter den Folgen einer Rohstoff­ökonomie, die durch den ansonsten erfreulichen Boom in den Ländern des Südens angefacht wird. In verschiedenen Workshops wurde auf dem Forum thematisiert, wie beim Abbau von Phosphaten in Tunesien, Gold in Griechenland und Eisenerz in Brasilien, um nur einige Beispiel zu nennen, Umwelt, soziale Rechte und Demokratie auf der Strecke bleiben. Zudem kann auch die gesamte Volkswirtschaft eines Landes erheblichen Schaden nehmen, wenn Bergbau oder Ölindustrie zu sehr dominieren. Die Einnahmen führen meist dazu, daß die Landeswährung aufgewertet wird und sich entsprechend die Importe von Fertigwaren gegenüber der heimischen Produktion zu sehr verbilligen. Die Folge ist dann deren Niedergang und eine noch stärkere Abhängigkeit von Rohstoffexporten und den Launen des Weltmarktes.

Wie geht es nun weiter mit den Sozial­foren? In Europa stehen die sozialen Bewegungen vor der paradoxen Situation, daß die Idee der Foren spätestens seit dem von Sektierern verursachten Fiasko in Istanbul 2010 am Boden liegt, obwohl andererseits die Euro-Krise nach einer gemeinsamen Antwort von Gewerkschaften und anderen verlangt. Daher haben sich einige von ihnen, darunter der britische Trade Union Congress, die französische CGT und die spanischen Arbeiterkommissionen, zusammengesetzt und bereiten ein gemeinsames Manifest vor, das Anfang Juni in Athen auf einem sogenannten Gegengipfel der sozialen Bewegungen vorgestellt werden soll. Inhalt werden im wesentlichen Forderungen gegen die Sparprogramme und für die demokratische Kontrolle der Banken sein.

www.altersummit.eu

* Aus: junge Welt, Dienstag, 2. April 2013


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