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"Gesellschaft zerstören - Der neoliberale Anschlag auf Demokratie und Gerechtigkeit"

Ein Reader kritischer Stimmen zur US-amerikanischen Politik

Im Folgenden informieren wir über eine interessante Neuerscheinung im Kai Homilius Verlag.


Bernd Hamm (Hg.): Gesellschaft zerstören - Der neoliberale Anschlag auf Demokratie und Gerechtigkeit. Ein Reader kritischer Stimmen zur US-amerikanischen Politik. Übersetzungen: Anja Günther. Kai Homilius Verlag: Berlin 2004 (Globale Analysen, Bd. 1); ISBN 3-89706-600-9, 380 Seiten, Taschenbuch, 14.80 €

Inhalt

Vorwort, Bernd Hamm
Einführung, Bernd Hamm (Siehe: "Die neoliberale Offensive")

Die Machtclique
  • Staatsstreich in Washington, Andre Gunder Frank
  • Die Familiensaga der Bushs, William Bowles
  • Kriegstreiber und der Hässliche Amerikaner, Andrew Austin
  • Der 11. September und die Bush-Regierung, Walter E. Davis
Die neoliberale Zerstörung der amerikanischen Gesellschaft
  • Über dem Gesetz: Exekutive Macht nach dem 11. September, Alison Parker und Jamie Fellner
  • Verletzlichkeit eines Wirtschaftsriesen, Trevor Evans
  • Der Weg zu kriminellen Unternehmen, Ted Nace
  • Der wahre Zustand der Nation, Jay Shaft
  • Das Entstehen der Anti-Umweltpolitik, Andrew Austin und Laurel Phoenix
Die Weltmacht
  • Terrorkriege, Noam Chomsky
  • Geschichte der US-Interventionen nach 1945, William Blum
  • Globale Armut im späten 20. Jahrhundert, Michel Chossudovsky
  • Papiertiger - Feuerdrachen, Andre Gunder Frank
Das andere Amerika
  • Oppositionelle Gruppen und Bewegungen, Laurel Phoenix

Vorwort

Nach einer kürzlichen Meinungsumfrage sieht die Mehrheit der Europäer in der derzeitigen Regierung der USA eines der gefährlichsten Elemente in der Weltpolitik. Das hat sich auch nach der Wahl vom 2. November 2004 nicht geändert. So mag es nicht erstaunen, daß ein Europäer dazu kommt, ein Buch zu initiieren und herauszugeben, in dem diese negative Wahrnehmung der einzigen Supermacht begründet wird.

Seit dem Ende des 2. Weltkrieges haben die USA für viele in Europa als Vorbild gedient und das hat sich unverkennbar auf unsere europäischen Gesellschaften ausgewirkt. Dabei haben wir die aggressive, imperialistische Seite ihrer Politik und Gesellschaft meistens verschwiegen - statt dessen wurde die vermeintliche Interessenidentität der "atlantischen Wertegemeinschaft" beschworen. Sie ist spätestens mit der aggressiven Unilateralität der Bush-Administration brüchig geworden. Dank Michael Moore ist die Information über den Wahlbetrug des Jahres 2000 auch unter Menschen bekannt geworden, die sonst nicht so oft Bücher lesen. Öffentlichen Beteuerungen z.B. der OSZE-Wahlbeobachter zum Trotz bleiben Zweifel daran, ob die Wahl 2004 korrekt und rechtmäßig abgelaufen ist. Das einstmals strahlende Bild der "ältesten Demokratie der Welt" hat an Glanz und Überzeugungskraft verloren. Die ständig wiederholte Litanei vieler Politiker, nach der es zur transatlantischen Kooperation, die in Wirklichkeit ein Vasallengehorsam gegenüber der jeweiligen Regierung der USA gewesen ist, keine Alternative gebe, überzeugt kaum noch jemanden. Wer in Zukunft in Europa Wahlen gewinnen will, sollte sich darauf besser einstellen.

Jahrzehnte lang war es ziemlich einfach, die Entwicklung unserer Gesellschaften vorherzusagen: Je enger sie den USA verbündet waren, desto wahrscheinlicher würden sie ihrem Vorbild folgen, und diese Korrelation erschien als ziemlich eng. Wenn ich die Trends meiner eigenen (deutschen) Gesellschaft verstehen wollte, mußte ich vor allem möglichst aufmerksam die entsprechenden Entwicklungen in den USA verfolgen. Genau dieses unternehmen wir in diesem Buch. Das Ergebnis ist erschreckend. Unsere Meinungsführer in Politik, Wirtschaft und Medien müssen wissen, daß die amerikanische Gesellschaft bewußt, absichtlich und systematisch von einer kleinen neo-liberalen Kamarilla zerstört wird. Dennoch folgen sie (mehr oder weniger) unterwürfig den Vorgaben der amerikanischen Regierung und der internationalen Institutionen, die sie regieren, loben die USA weiterhin als Hort von Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, wiederholen gehorsam das allzu schön gefärbte Bild. Das ist aber keine normale, demokratisch legitimierte Regierung, und sie sollte nicht als solche behandelt werden. Widerstand ist nötig. Wir, das Volk, müssen unseren Regierenden deutlich zu verstehen geben, daß wir dem amerikanischen Weg nicht folgen wollen. Demonstrationen gegen die neoliberal inspirierte Sozialpolitik der rot-grünen Bundesregierung, auch Massenbewegungen wie attac oder die angekündigte Gründung einer neuen linken Partei bringen dies zum Ausdruck. Wir dürfen einfachste ethische Maßstäbe nicht verlieren: Wer willkürlich Kriege anzettelt und in Afghanistan und Irak rund einhunderttausend unschuldiger Menschen umbringen läßt, ist kein Staatsmann, sondern ein Massenmörder. Mit Massenmördern verhandelt man nicht, man knallt sie auch nicht ab, sie gehören in einem ordentlichen Verfahren vor ein ordentliches Gericht (in diesem Fall den Internationalen Strafgerichtshof) gestellt. Wenn wir das aufgeben, stellen wir mehr als zweihundert Jahre Zivilisation (gerade auch: amerikanische!) zur Disposition.

Während ich dies schreibe, werden die USA von einer Gruppe rechtsextremer Kriegstreiber regiert, und weil George W. Bush ihre Gallionsfigur ist, nenne ich diese Gruppe die BushGang. Um ganz klar zu sein: Ich habe keine Wertegemeinschaft mit der BushGang - aber ich habe gemeinsame Werte mit den Autoren dieses Buches. Universitätsprofessoren drücken ihre Ansicht normalerweise dadurch aus, daß sie Bücher schreiben oder, wie in diesem Fall, herausgeben, um ihre Argumente darzulegen - andere organisieren Protestmärsche, engagieren sich in Bürgerbewegungen, boykottieren amerikanische Produkte, geben ihre American Express-Karte zurück, und manche tun dies alles und mehr.

Zuerst war dieses Buch gedacht für eine interessierte nicht-amerikanische Öffentlichkeit, der es einen breiten Überblick über den Einfluß der BushGang auf die Welt, auf die US-Gesellschaft und auf andere, wenn sie denn dem Muster folgen sollten, vermitteln will. Dann wurde wichtiger zu verstehen, wie ein System funktioniert, das so etwas wie die BushGang an die Macht bringt. Ich habe also notiert, was ein solches Buch enthalten sollte. Dabei war von Anfang an klar, daß ich es nicht selbst schreiben würde: Nicht nur hätte das trotz zahlreicher Aufenthalte in den USA jenseits meiner fachlichen Kompetenzen gelegen, es wäre auch sofort als Ausdruck des Anti-Amerikanismus diffamiert worden. Deshalb sollten seine Autoren überwiegend aus den USA stammen. Ich habe mit Freunden Kontakt aufgenommen, die Idee auf eMail-Listen bekannt gemacht und im Internet recherchiert. In einigen Fällen fand ich Artikel, die geradezu ideal in das Konzept paßten; dort habe ich um Erlaubnis für einen Abdruck gebeten, und manchmal wurde das Kapitel auf den letzten Stand gebracht. In anderen Fällen habe ich Autoren mit entsprechender Sachkompetenz gebeten, neue Kapitel zu verfassen. Entstanden ist auf diesem Weg ein Puzzle - Stein für Stein wird daraus ein Bild, freilich eines, das einen schaudern läßt. Es geht dabei nicht um Meinungen - es geht um Tatsachen, freilich solche, die unsere Medien meistens verschweigen und die selten im Zusammenhang dargestellt werden. Das Buch ist einerseits kritisch gegenüber der amerikanischen Machtclique, andererseits aber geradezu ein Ausdruck der Solidarität mit dem anderen Amerika. Vor allem aber will es vor denen bei uns in Europa warnen, die den gleichen neoliberalen Weg propagieren. Auf diese Weise wird Gesellschaft zerstört. So jedenfalls sehen das die Autoren. Manche mögen dieses Buch einseitig nennen - aber wirklich einseitig ist bisher nur die vorherrschende Ideologie, gegen die wir hier mit Fakten argumentieren. In den zwölf Monaten des Diskutierens und Schreibens hatten viele der Autoren den Eindruck, daß ein so umfassender Überblick auch in englischer Sprache fehle, auch wenn es wahrhaftig nicht an Bush-kritischer Literatur mangelt. Deshalb gibt es auch eine englischsprachige Ausgabe, die bei Pluto Press, London, erscheint.

Der erste Gedanke, ein solches Buch auf den Weg zu bringen, entstand an einem schönen Sommerabend im Gespräch mit dem Soziologen und Politikwissenschaftler Fritz Vilmar - er ist daher der erste, dem ich hier danken will. Er hat, ebenso wie meine Frau Sabine und meine Kollegin Lydia Krüger, verschiedene Versionen des Konzepts mit mir diskutiert. Wertvolle Hinweise bekam ich u.a. von Wendell Bell, Chip Berlet, Herbert Gans, Ali Kazancigil, Ismail Lagardien, Michael Pugliese, Arno Tausch und Paul Windolf. Viele haben das Projekt begrüßt, auch wenn sie schließlich nicht dazu beitragen konnten, darunter Wendell Bell, Luciana Bohne, Heather Boushey, William Hartung, Richard K. Moore, Greg Palast und Danny Schechter. Das Buch wurde zu lang; wenige Artikel sind im letzten Augenblick den Kürzungen zum Opfer gefallen, die erforderlich waren, um es zu einem akzeptablen Preis auf den Markt zu bringen - die Autoren bitte ich um Verständnis und um Entschuldigung. Meinem Verleger Kai Homilius danke ich für die engagierte Zusammenarbeit.

Die Diskussionen über die einzelnen Kapitel per eMail, von ersten Skizzen über Entwürfe bis hin zu den Texten, die hier aufgenommen sind, waren eine Bereicherung und zuweilen ein wahres Vergnügen, ein Prozeß solidarischer Zusammenarbeit im gemeinsamen Ringen um die Wahrheit zwischen Menschen, die sich mehrheitlich niemals persönlich begegnet sind. Ihnen allen danke ich herzlich.

Trier, November 2004
Bernd Hamm


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