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Krieg ist keine Lösung!

Der Beschluss zur Friedenspolitik des ver.di-Kongresses 2003 im Wortlaut

Der 1. Bundeskongress der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ( ver.di), der vom 19. Bis 25. Oktober 2003 in Berlin tagte, hat mit großer Mehrheit einen Antrag zur Friedenspolitik verabschiedet, den wir im Folgenden dokumentieren.


Krieg ist keine Lösung!

Ver.di ist Teil der Friedensbewegung und beschließt folgende Resolution:

Ver.di streitet für eine andere Welt - eine friedliche Welt ohne Hunger, Elend und Knechtschaft. Wir setzen uns ein für die gewaltfreie Überwindung der riesigen sozialen, ökonomischen, ökologischen und politischen Probleme auf der Welt. Wir sagen entschieden Nein zum Krieg! Kein anderer Weg als der ziviler Konflitklösungen verspricht Erfolg. Wir rufen auf, auch und gerade im reichen und mächtigen Deutschland den Widerstand gegen milliarden-teure Aufrüstung und Militarisierung, gegen Kriegshetze und Kriegspolitik zu verstärken.

Krieg ist keine Lösung! Krieg ist ein Verbrechen! Wir stellen fest: Krieg ist keine Lösung - auch nicht für den Irak. Selbst wenn das einst auch mit deutscher Waffen- und Giftgastechnik aufgerüstete diktatorische Regime in Bagdad militärisch gestürzt würde - absehbar ist, dass der von den USA angedrohte Feldzug die Probleme in der Region nur katastrophal verschärfen wird: humanitär, wirtschaftlich und politisch. Ungeheuerlich ist die Ankündigung der US-Regierung und des britischen Verteidigungsministers, im Zweifel selbst vor einem Einsatz von Atomwaffen nicht zurückschrecken zu wollen. Wir rufen dazu auf, die Proteste gegen diese gefährliche Eskalation des sogenannten "Krieges gegen den Terror" zu verstärken. Wir erklären uns solidarisch mit den Kriegsgegnern in den USA. Wir ermutigen sie, weiter Nein zu sagen. Wir unterstützen die irakischen Demokraten in ihrem Widerstand gegen Krieg und Diktatur. Wir fordern die Regierungen insbesondere der EU-Staaten auf, endlich entschiedene Bemühungen für eine zivile Konfliktlösung der "Irak-Frage" im Rahmen der UNO zu unternehmen und den diplomatischen Obstruktionsversuchen der US-Regierung entgegen zu treten.

Wir begrüßen die außenpolitische Wendung der rot-grünen Bundesregierung während des vergangenen Wahlkampfes, die ebenfalls vor einem Angriffskrieg gegen den Irak gewarnt hat. Wir fordern die Bundesregierung auf, von ihrem vor und während des Krieges kritischen Kurs nicht abzuweichen, nachdem die Kriegsallianz diesen Feldzug gegen den Willen der Völkergemeinschaft geführt und den Irak trotz aller Warnungen in ein Desaster gestürzt hat, das täglich Elend und Tod von Soldaten und Zivilbevölkerung mit sich bringt.

Deshalb fordern wir:
  • keine Beteiligung der Bundesregierung oder der Europäischen Union an Maßnahmen, die den Krieg nachträglich legitimieren oder das Besatzungsregime stützen. Die Zustimmung zum Resolutionsentwurf der US-Regierung im Weltsicherheitsrat stellt in beiden Hinsichten einen negativen Präzedenzfall dar;
  • den unverzüglich beginnenden, schrittweisen Abzug der Besatzungstruppen aus dem Irak;
  • die Übergabe der Verantwortung der für Sicherheit und zivile Ordnung auf UN-mandatierte Sicherheitskräfte (Polizei bzw. defensiv bewaffnete Blauhelme) aus der Region bzw. islamischen Ländern;
  • die Einrichtung eines Wiederaufbauprogramms für den Irak mit Mitteln aus einem internationalen Hilfsfonds und aus Reparationszahlungen der Kriegsallianz, also vor allem der US-amerikanischen und britischen Regierungen;
  • keinen Zugriff der Kriegsallianz oder einzelner Mitglieder auf die Ressourcen des Landes, insbesondere die Ölvorkommen. Der Reichtum des Irak ist Eigentum der Irakis;
  • die Ausarbeitung einer Verfassung, die Durchführung freier Wahlen und den Aufbau einer Zivilverwaltung unter Aufsicht der UN bzw. einer von ihr eingerichteten irakischen Übergangsregierung;
  • die Demilitarisierung und die Einstellung von Waffenlieferungen in den Nahen Osten.
Ver.di lehnt einen "deutschen Weg" als national-gestimmte Begründung für eine Absage an militärische Gewalteinsätze ab. Diese zu ächten ist für ver.di ein Gebot der Menschlichkeit, der friedenspolitischen Vernunft und ein Auftrag von UN-Charta und Grundgesetz. Deshalb fordert ver.di:
  • die Umrüstung der Bundeswehr zur weltweit einsetzbaren Interventionstruppe muss gestoppt werden; gefordert sind Maßnahmen qualitativer Abrüstung;
  • die 1992 von der Kohl-Regierung erlassenen und vom Bundestag nie beschlossenen "verteidigungspolitischen Richtlinien", die die militärische Durchsetzung deutscher Wirtschafts- und Machtintererssen in der Welt vorgeben, müssen rückgängig gemacht werden;
  • die von Bundeskanzler und Außenminister im Bundestag durchgepeitschte Beteiligung am sogenannten "Jahrhundertkrieg gegen en Terror" muss revidiert, deutsche Militäreinsätze, die nicht klar friedenserhaltenden Maßnahmen unter UN-Mandat dienen, müssen umgehend beendet werden.
Ver.di stellt fest:

Eine andere Welt ist möglich - sie wird nicht zu erringen sein ohne die Ächtung des Krieges, ohne erfolgreiches Ringen um radikale Abrüstung. Krieg und Rüstung verschlingen Ressourcen, ohne die die wirklich entscheidenden Zukunftsfragen der Menschheit nicht gelöst werden können. Das Geld für die Rüstung fehlt für Programme gegen Hunger und Elend. Es fehlt für den notwendigen Schuldenerlass für die Länder der Dritten Welt. Es fehlt zur Eindämmung und Überwindung der globalen ökologischen Krise, für entschiedenen Umwelt- und Klimaschutz. Das Geld fehlt für Gesundheitsschutz und bessere Bildung. Schon mit 40 Milliarden Dollar jährlich, so die Umweltbehörde der UNO, könnte gewährleistet werden, dass alle Menschen sauberes Wasser, eine Grundversorgung in Nahrung und Gesundheit und alle Kinder eine Grundausbildung erhalten könnten. Doch Krieg und Rüstung ruinieren die Welt - ver.di stellt sich auf die Seite von Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit.

Begründung:

Krieg ist keine Lösung - das ist schon lange die Losung der deutschen Gewerkschaften, ihre bittere Erfahrung aus dem 20. Jahrhundert, das der britische Historikers Eric Hobsbawn in seinem Buch "Das Zeitalter der Extreeme" treffend als "Jahrhundert der Massaker und Kriege " gekennzeichnet hat. Dem darf jetzt kein Jahrhundert des permanenten Kriegszustandes folgen, wie es im Zuge des von der US-Regierung ausgerufenen "Jahrhundertkrieges gegen den Terror" drohen könnte. Terroristen lassen sich nur durch geduldige Polizeiarbeit fangen. Dem Terrorismus läßt sich nur durch Demokratie und soziale Gerechtigkeit weltweit der Nährboden entziehen. Wer jedoch beim angeblichen Kampf gegen Terroristen massenhaft Unschuldige bombardiert und tötet, begibt sich auf das Niveau des Schuldigen. Er riskiert zudem einen Flächenbrand aus organisierten wie unorganisierten neuen Terroranschlägen. Dies um so mehr, als dieser von den USA und ihren Verbündeten geführte Kampf alle Merkmale eines imperialistischen Krieges trägt. Es geht dabei um die Durchsetzung geostrategischer Machtinteressen, um die Errichtung neuer US-Militärbasen, die offenbar vor allem der noch engeren Einkreisung Rußlands und Chinas in Asien dienen. Insbesondere geht es um die Kontrolle über die knapper werdenden fossilen Energiervorräte in Zentralasien und im Mittleren Osten, wo rund 75 Prozent der Welterdöl- und rund 33 Prozent der Erdgasreseven liegen. Die Parole "Kein Blut für Öl!" ist aktueller denn je.

Die Bekämpfung von Terroristen dient offenkundig nur als Vorwand. Es geht den Krieg führenden Mächten um die Neuaufteilung der Welt. Um die militärische Zurichtung neuer Märkte für die transnationalen Konzerne. In deren Interesse soll mit Militäreinsätzen - die inzwischen von Kolumbien über Afrika, den Mittleren Osten, Zentral- und bis nach Südostasien forciert werden - eine "neue" Weltordnung abgesichert und ausgebaut werden. Diese zeichnet sich vor allem durch eins aus: durch schreiende soziale Ungerechtigkeiten - das Vermögen der drei reichsten Personen der Welt übersteigt im Wert den kumulierten Besitz der Bevölkerung der 48 ärmsten Länder. Und sie wird geprägt durch eine weltgeschichtlich zuvor so nie gekannte globale Hegemonie einer einzigen Macht, den USA., die für 50 Prozent der Weltmilitärausgaben ( bei 4,5 Prozent der Weltbevölkerung) verantwortlich zeichnen.


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