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De Maizière blitzt bei Friedensbewegung ab

Kritik nach Besuch des Verteidigungsministers beim DGB

Von Jörg Meyer *

Die Ankündigung einer vertieften Zusammenarbeit nach einem Treffen zwischen dem DGB-Vorstand und Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière sorgt nicht überall für Begeisterung.

»Die Bundeswehr ist Teil der Friedensbewegung.« Diesen Satz sagte Thomas de Maizière (CDU) nach einem Treffen mit dem DGB-Vorstand. »Bei uns hat er sich noch nicht vorgestellt und um Aufnahme gebeten«, sagte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski gegenüber »nd«.

De Maizière steht mit seiner Aussage jedoch nicht allein. Ex-Verteidigungsminister und Nato-Generalsekretär Manfred Wörner (CDU) nannte die NATO einst die größte Friedensbewegung, der kürzlich verstorbene Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte im Jahr 2004, die Bundeswehr sei die »größte Friedensbewegung Deutschlands«. Für Strutynski ist de Maizières Äußerung darum »wenig originell, aber unverschämt wie alle anderen«. Der Friedensbewegung gehe es nicht darum, den Frieden mit Waffen zu verteidigen.

»In der Tat hat die Bundeswehr nach dem Grundgesetz den Auftrag einen Beitrag zu Friedensbewahrung und Friedenssicherung zu leisten«, sagte Katja Keul, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag. Für Strutynski ist es auch ein ideologischer Streit um die Deutungshoheit um den Begriff Frieden beziehungsweise Friedenspolitik, »der sich zuspitzen wird«. Je mehr eine Bundesregierung Krieg als Mittel der Politik sehe, desto heftiger werde auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung darum.

Mit seiner Äußerung zur Friedensbewegung sei der Minister aber übers Ziel hinausgeschossen, meint Katja Keul. Von den Gewerkschaften erhoffe sie sich, dass sie sich »nicht ausschließlich auf den Erhalt von Arbeitsplätzen fokussieren, wenn es in den nächsten Jahren um die Konsolidierung des europäischen Rüstungsmarktes und die Reduzierung des Verteidigungsetats gehen wird«. Vielmehr müsse wieder über Konversion, die Umstellung von Rüstungs- auf zivile Produktion, gesprochen werden. Dass bei dem Treffen auch die anhaltende Anziehungskraft der Bundeswehr auf Rechtsradikale zur Sprache gekommen sei, begrüße sie, so Keul.

Das Problem stellt sich bei den Gewerkschaften jeweils unterschiedlich dar. Die IG Metall organisiert die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie, es geht um Waffenproduktion und -export. Bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di dagegen ist ein kleiner Teil der Soldaten organisiert und viele zivile Beschäftigte.

Das Thema Bundeswehr war auch ein großer Streitpunkt auf dem ver.di-Bundeskongress 2011. Die Gewerkschaftslinke konnte sich mit einem Antrag zum Rückzug der Bundeswehr hinter die Landesgrenzen nicht durchsetzen. Die Delegierten beschlossen, dass Bundeswehreinsätze nur unter UN-Mandat und zu humanitären Zwecken erfolgen sollten. Zudem lehnt ver.di beispielsweise den Einsatz im Innern oder Militärwerbung an Schulen strikt ab, so Sprecher Christoph Schmitz, aber die Bundeswehr sei eben auch »ein ganz normaler Gesprächspartner, weil sie Tarifpartnerin ist«. Wenn es eine Parlamentsarmee gebe, dann müsse es auch eine gewerkschaftliche Vertretung geben.

So sind es wohl zwei Ebenen, die verhandelt werden und die im Falle des DGB-Besuchs die Gemüter erhitzen. Auf der einen Seite steht die Realpolitik, die sich mit Problemen von real existierenden Beschäftigten auseinandersetzt - auf der anderen Seite steht die Argumentation, dass man Vertretern des Militärs nirgendwo eine Bühne bieten dürfe.

In den sozialen Netzwerken und an der Gewerkschaftsbasis sorgte die Ankündigung einer vertieften Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr für Verstimmung. Das Verhältnis der Gewerkschaften zu bewaffneten Streitkräften sei historisch belastet, hatte Sommer nach dem Treffen vor Journalisten gesagt, aber »das ist es heute nicht mehr«.

Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeits- und Mitbestimmungspolitik der Linksfraktion, sprach von einem »fatalen und absolut falschen Signal«. Sommer müsse sich »zu den friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaften bekennen und darf sich nicht der militärischen Interventionspolitik der Bundesregierung andienen«, so Krellmann. Viele Gewerkschaftsmitglieder hätten in den vergangenen Jahren gegen die Kriegseinsätze der Bundeswehr im Ausland demonstriert. Sie rufe darum alle Gewerkschafter dazu auf, so Krellmann, Michael Sommer an die gesellschaftspolitische Aufgabe der Gewerkschaften zu erinnern.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 07. Februar 2013


DGB jetzt Teil der Truppe

Gewerkschaftsbund und Bundeswehr leiten neue Partnerschaft ein

Von Martin Lejeune **


Der DGB revidiert sein kritisches Verhältnis zur Bundeswehr. Bei einem Treffen bestätigten DGB-Chef Michael Sommer und Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) einander, Teil der Friedensbewegung zu sein.

DGB und Bundeswehr - zwei Institutionen mit recht gegensätzlichen Interessen. Eigentlich. Beim Treffen zwischen Michael Sommer und Thomas de Maizière am Dienstag in Berlin ging es allerdings überaus freundschaftlich zu. Zu Gast im Haus des DGB-Bundesvorstandes, ließ der Verteidigungsminister keine Nervosität erkennen. Nicht als Arbeitgeber, natürlicher Kontrahent der Gewerkschaften also. Und nicht als oberster Kriegsherr - immerhin mischt die Bundeswehr mit 6200 Soldaten in derzeit zwölf Auslandseinsätzen mit; Einsätze wie in Mali und Afghanistan muss man als Kriegseinsätze bezeichnen.

Doch der oberste Dienstherr der Bundeswehr sieht diese als Friedensmissionen: »Die Gewerkschaften sind Teil der Friedensbewegung. Und auch die Bundeswehr ist Teil der Friedensbewegung.« Und DGB-Chef Sommer widersprach nicht. Die Zeit der Konflikte zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr ist offenbar vorbei. Sommer vermied jede kritische Bemerkung. »Egal, wie wir zur Frage von Auslandeinsätzen stehen«, man müsse alles dafür tun, »die Soldaten anständig auszurüsten«. Bei dem »Gedankenaustausch« habe man über die Aufgaben der Bundeswehr in der Gesellschaft, die Personalentwicklung der Zivilbeschäftigten, die Zukunft der Rüstungsindustrie und über den Einsatz von Kampfdrohnen gesprochen, teilte Sommer mit.

Beide Seiten wollen ihr Verhältnis neu definieren. In einer gemeinsamen Erklärung soll dies nachzulesen sein. Irgendwann, nicht jetzt, da der Bundestagswahlkampf bevorsteht, wie de Maizière begründete. Über Einzelheiten schwieg man sich deshalb gemeinsam aus. Dabei hat die Umstrukturierung der Bundeswehr unter anderem durch Kasernenschließungen Probleme für Zivilangestellte und Verwerfungen für ganze Regionen verursacht; Gewerkschaften waren an den Debatten beteiligt. Und was die Gewerkschaften am Thema Kampfdrohnen interessiert, wenn nicht die Warnung vor ihrem Einsatz, behielt Sommer ebenfalls für sich. Ein Problem immerhin brachte er schon mal konkret zur Sprache: die unveränderte Anziehungskraft der Bundeswehr für Rechtsextremisten. Minister de Maizière bekannte, er sei sich des Problems bewusst. Rechtsextremisten hätten in der Bundeswehr nichts zu suchen.

Das letzte Treffen dieser Art hatte 1981 stattgefunden. Es endete mit der Erklärung, beide Seiten achteten den »jeweiligen Auftrag«. Heute ist man einen Schritt weiter. Der Minister hat dem DGB verziehen, dass dieser gegen die Wiederbewaffnung und die Schaffung der Bundeswehr eingetreten war. »Wir haben nicht mehr die Kämpfe der 50er und 60er Jahre«, so de Maizière. Und Michael Sommer: »Es war wirklich ein sehr tolles Gespräch mit einem sehr offenen Minister.«

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 06. Februar 2013

Dokumentiert

Pressemitteilung der Kooperation für den Frieden

Neue Kooperation zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr inakzeptabel und unmoralisch

Als inakzeptabel und als einen erneuten Versuch, Militarismus in der Breite der Gesellschaft zu etablieren, hat die Kooperation für den Frieden, ein Zusammenschluss von mehr als 50 Friedensorganisationen und -initiativen, die von DGB-Chef Sommer angekündigte Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit der Bundeswehr und insbesondere die Aussage des Bundesverteidigungsministers de Maizières, wonach die „Bundeswehr Teil der Friedensbewegung“ sei, kritisiert.

Die Kooperation für den Frieden verurteilt die zunehmende Vereinnahmung friedenspolitischer Begriffe. Die Bundeswehr sei nur insofern Teil der Friedensbewegung, als dass ihre Abschaffung eine der großen Herausforderungen der Bewegung ist.

Des Weiteren sieht die Kooperation für den Frieden das Streben des DGB nach einer engeren Zusammenarbeit mit der Bundeswehr als einen großen Rückschritt, der in krassem Widerspruch zu dem starken Engagement der Gewerkschaften gegen die Wiederbewaffnung und beabsichtigte atomare Bewaffnung der Bundeswehr in den 1950er und 1960er Jahren stehe.

Die Motivation hinter dieser Zusammenarbeit sieht die Kooperation für den Frieden in dem Bemühen des DGB um Erhaltung und Ausbau von Arbeitsplätzen in der florierenden deutschen Rüstungsindustrie. Die aktuellen Problematiken von Kampfdrohnen und Rüstungsexport hätten jedoch den DGB nachdenklich machen müssen. In Kauf zu nehmen, dass auch in Zukunft Waffen an menschenrechtsverletzende Regime wie u.a. Saudi Arabien exportiert werden, hieße das Thema Arbeitsplätze über jegliche moralische Verantwortung zu stellen.

07. Februar 2013

Pressekontakt: Philipp Ingenleuf (Ko-Sprecher der Kooperation für den Frieden)





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