Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Maaßen muss weg

Nach Entlassung des Generalbundesanwalts werden Forderungen nach Rückzug des Verfassungsschutzchefs lauter. Er brachte die Affäre ins Rollen

Von Arnold Schölzel *

Im Skandal um die Landesverratsermittlungen gegen das Internetportal Netzpolitik.org fordert die Opposition nach der Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range weitere Konsequenzen. Insbesondere der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, rückt dabei ins Zentrum. Einige Unionspolitiker versuchen dagegen, die Empörung auf Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zu lenken. Er hatte Ranges Entlassung am Dienstag abend verfügt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich am Mittwoch hinter Maas.

Die Forderung der Opposition nach einer Sondersitzung des Bundestagsrechtsausschusses am Freitag wiesen Union und SPD zurück. »Die Koalitionsfraktionen werden empfehlen, dass wir erst im September beraten», sagte Johannes Fechner (SPD) der Nachrichtenagentur Reuters. Es gebe keinen aktuellen Entscheidungsbedarf. Die Grünen hatten eine Sondersitzung beantragt, um Maas zu befragen. Dieser sei erst Ende Juli auf Distanz zu den Ermittlungen gegangen, obwohl sein Ministerium seit Mai informiert gewesen sei. Range hatte nach einer Anzeige von Maaßen Ermittlungen gegen die Macher des Blogs wegen Landesverrats aufgenommen, weil sie interne Dokumente des Inlandsgeheimdienstes veröffentlicht hatten. Maas entließ Range, nachdem dieser ihm am Dienstag öffentlich »unerträgliche Einflussnahme« auf die Justiz vorgeworfen hatte. Ein Sprecher des Justizministeriums behauptete am Mittwoch, mit Range sei bereits am vergangenen Freitag die von ihm kritisierte Rücknahme eines Gutachtenauftrags vereinbart worden, ohne Kenntnis von dessen Inhalt zu haben. Dabei sollte geklärt werden, ob es sich bei der Netzpolitik.org-Veröffentlichung um Landesverrat handele. Maas sei es »in erster Linie um eine Verfahrensbeschleunigung« gegangen.

Bis zum Amtsantritt eines Nachfolgers wird Ranges Stellvertreter Gerhard Altvater die Bundesanwaltschaft führen. Die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org laufen weiter. Über den Fortgang entscheide allein der Generalbundesanwalt, erklärte ein Ministeriumssprecher. Die Vertretung der am Bundesgerichtshof tätigen Richter und Bundesanwälte stellte sich hinter Range und warf Maas vor, den Eindruck politischer Einflussnahme erweckt zu haben. Eine Regierungssprecherin betonte dagegen, Maas habe die »volle Unterstützung der Kanzlerin«.

Kritik an Maaßen wies das Innenministerium zurück. »Bis hoch zum Minister ist das Innenministerium der Auffassung, dass Herr Maaßen korrekt gehandelt hat, als er Anzeige gegen Unbekannt erstattet hat«, erklärte ein Sprecher. Der Linkspolitiker Korte betonte dagegen, bei Minister de Maizière und Maaßen liege letztlich »die Verantwortung dafür, die Verfolgung von Journalisten initiiert zu haben«. Er forderte alle Beteiligten auf, »jetzt die Karten auf den Tisch zu legen und den Schriftwechsel, insbesondere Weisungen und Genehmigungen zu der Affäre, öffentlich zu machen«. Der Range-Rauswurf sei kein Ersatz für Aufklärung. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Harald Petzold forderte im Deutschlandfunk die Entlassung Maaßens. Er habe schließlich die Anzeige erstattet, die den Skandal auslöste. Netzpolitik.org-Chefredakteur Markus Beckedahl meinte in Reuters-TV, der eigentlich Verantwortliche sei Maaßen, der in Range einen »willfährigen Mittäter« gefunden habe.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 6. August 2015


Ein Ordnungshüter

Hans-Georg Maaßen und Verfassungsschutz

Von Arnold Schölzel **


Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist der richtige Mann am richtigen Platz. Seine Behörde war bis in die 70er Jahre hinein wie alle Staatseinrichtungen der Bundesrepublik eine Fortsetzung von Naziinstitutionen, in diesem Fall des Reichssicherheitshauptamtes, mit anderen Mitteln: Der Kampf um den Endsieg gegen den bolschewistischen Feind wurde weitergeführt, also blieb auch das Personal vor allem der oberen Ränge.

Nach 1990 ging zwar der Feind verloren, aber das traf BND, Bundeswehr und NATO, die Bundesrepublik und die westliche Wertegemeinschaft insgesamt auch. Ein Grund zur Aufgabe war das nicht. Der Verfassungsschutz jagte weiter in erster Linie Demokraten und Linke. Die Beobachtung etwa der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes–Bund der Antifaschisten unter der Rubrik »Extremismus«, also der Gleichsetzung mit Neofaschisten, sagt mehr über den Geist dieses Apparats und seiner Akteure aus, als jede Untersuchung herausfinden kann. Gleichzeitig halfen Bundesamt und Landesämter tatkräftig mit, in den ostdeutschen Bundesländern neofaschistische Netzwerke bis hin zu Terrorgruppen neu aufzubauen. 2003 existierte die staatliche Hilfe für Neonazis stabil gesamtdeutsch, wie das Bundesverfassungsgericht im Urteil zum NPD-Verbotsverfahren bescheinigte.

Als die Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 2011 in einem brennenden Wohnwagen in Eisenach aufgefunden wurden, begannen im Kölner Bundesamt die Schredder zu arbeiten. Wer in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss allerdings die Frage stellt, wieviel Staat im NSU steckt, wird von den Staatschargen angebellt.

Die Verfassungsschutzämter mussten seit jeher vor allem sich selbst schützen. Im Fall NSU wurden sie aber sichtbarer als jemals zuvor – ein GAU für einen Geheimdienst. 2012 musste der damalige Chef des Bundesamtes gehen und Maaßen übernahm. Qualifikation: Die Freie Universität Berlin hatte ihm gerade eine Honorarprofessur verweigert wegen seines Gutachtens zum Fall Murat Kurnaz 2002. Der in der Bundesrepublik Geborene, der keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, wurde in Guantánamo Bay von der CIA mit Wissen der Bundesregierung gefoltert. Maaßen urteilte, Kurnaz habe nach sechs Monaten im Ausland sein hiesiges Aufenthaltsrecht verwirkt, er gehe Deutschland nichts an. Das war rechtswidrig, wie ein Verwaltungsgericht 2005 urteilte. Im November 2012, ein Jahr nach Bekanntwerden des NSU, erklärte Maaßen laut einem Vorabbericht in der Welt am Sonntag: »Leider findet bei der öffentlichen Kritik am Verfassungsschutz keine Beachtung, daß es ohne die gute Arbeit der Verfassungsschutzbehörden in den letzten zehn Jahren in Deutschland zu terroristischen Anschlägen gekommen wäre, die sicherlich Menschenleben gekostet hätten.« Weil Neonazimorde Staatshandeln sind? In der gedruckten Fassung fehlte der Satz. Maaßen sorgt für Ordnung.

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 6. August 2015


netzpolitik.org: Innenministerium war umfassend informiert

Landesverrats-Affäre wird zum Streit zwischen den Koalitionsparteien / Opposition will Maaßens Rücktritt / Linkenpolitikerin Wawzyniak für umfassende Konsequenzen ***

Update 16.13 Uhr: Innenministerium war umfassend informiert
Nach ARD-Informationen war das Bundesinnenministerium entgegen seiner bisherigen Darstellung über Anzeige und Ermittlungen gegen »Netzpolitik.org« früh informiert. Ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte dem ARD-Hautstadtstudio, dass das umstrittene Gutachten aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz an zwei Fachabteilungen im Ministerium weitergeleitet worden sei. Den am Donnerstag veröffentlichten ARD-Recherchen zufolge erfolgte diese Weiterleitung im April oder Mai dieses Jahres.

In dem Gutachten habe der Verfassungsschutz auf Anfrage des Landeskriminalamtes Berlin dargelegt, warum es bei der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente durch »Netzpolitik.org« den Verrat von Staatsgeheimnissen und damit die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts gegeben sieht. Eine Reaktion aus dem Ministerium an das Bundesamt für Verfassungsschutz habe es nicht gegeben, weil man dessen Rechtsauffassung für »vertretbar« gehalten habe, teilte das Ministerium auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios mit.

Anders als bisher dargestellt sei im Ministerium auch bekannt gewesen, dass der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrates gegen die Journalisten Markus Beckedahl und André Meister eingeleitet hatte. Das dem Bundesinnenministerium unterstehende Bundeskriminalamt habe die zuständige Fachabteilung schon im Juni informiert, dass es vom Generalbundesanwalt mit den konkreten Ermittlungen wegen Landesverrats beauftragt worden sei.

Update 15.45 Uhr: Range offiziell in Ruhestand versetzt
Die Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range ist nun auch offiziell besiegelt. Bundespräsident Joachim Gauck hat die Ruhestandsurkunde geprüft und unterzeichnet, wie ein Sprecher des Bundespräsidialamts am Donnerstag sagte. Sie werde am Freitag dem Justizministerium übermittelt. Wann die Urkunde Range ausgehändigt wird, steht nach Angaben eines Ministeriumssprechers noch nicht fest. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte Range am Dienstag im Streit um ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Blogger von Netzpolitik.org in den Ruhestand versetzt. Das Vertrauen sei »nachhaltig gestört«.

Update 13.55 Uhr: Sensburg will Journalisten nicht vom Landesverrat ausnehmen
In der Union gibt es Bedenken gegen das Vorhaben, Journalisten künftig generell nicht mehr wegen Landesverrats zu belangen. »Ich bin immer sehr skeptisch, wenn wir bestimmte Berufsgruppen aus Straftatbeständen herausnehmen«, sagte der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg, am Donnerstag im Deutschlandfunk. Es gebe in der deutschen Rechtsgeschichte nur »ganz wenige Fälle, wo Journalisten in den Verdacht des Landesverrates gerieten«. Und meistens seien diese Fälle »zugunsten der Pressefreiheit entschieden worden«.

Auch im Falle der Journalisten von netzpolitik.org sei der Straftatbestand des Landesverrats nicht verwirklicht, betonte Sensburg. Aber die Prüfung dieses Vorwurfs habe zugelassen werden müssen. In der Affäre um die Landesverrats-Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Online-Portals netzpolitik.org ist die Forderung laut geworden, Journalisten durch eine Gesetzesänderung von der Verfolgung wegen dieses Deliktes auszunehmen.

Update 12.10 Uhr: Keine Sondersitzung des Rechtsausschusses im Bundestag
Der Rechtsausschuss des Bundestages wird sich an diesem Freitag nicht mit der Affäre um den »Netzpolitik«-Blog beschäftigen. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), kritisierte den Beschluss. Sie sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), am Donnerstag in Berlin, die große Koalition habe nicht verstanden, dass zur Demokratie Transparenz, Parlamente und die Pressefreiheit gehörten.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte am Mittwochabend einen entsprechenden Antrag der grünen Fraktion abgelehnt, wie am Donnerstagmorgen mitgeteilt wurde. Zuvor hatten die beiden Koalitionsfraktionen Union und SPD erklärt, sie hielten eine Sondersitzung nicht für notwendig.

»Das setzt den Skandal nur weiter fort, dass die Koalitionsfraktionen uns mit einer regulären Sitzung irgendwann im September abspeisen will«, sagte Künast. Was der Präsident des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen mit einer Strafanzeige zum Zwecke der Einschüchterung begonnen habe, »wird fortgesetzt, indem jetzt eine Sondersitzung abgelehnt wird«.

Rechtsausschuss des Bundestages wird sich an diesem Freitag nicht mit der Affäre um den »Netzpolitik«-Blog beschäftigen. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), kritisierte den Beschluss. Sie sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), am Donnerstag in Berlin, die große Koalition habe nicht verstanden, dass zur Demokratie Transparenz, Parlamente und die Pressefreiheit gehörten.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte am Mittwochabend einen entsprechenden Antrag der grünen Fraktion abgelehnt, wie am Donnerstagmorgen mitgeteilt wurde. Zuvor hatten die beiden Koalitionsfraktionen Union und SPD erklärt, sie hielten eine Sondersitzung nicht für notwendig.

»Das setzt den Skandal nur weiter fort, dass die Koalitionsfraktionen uns mit einer regulären Sitzung irgendwann im September abspeisen will«, sagte Künast. Was der Präsident des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen mit einer Strafanzeige zum Zwecke der Einschüchterung begonnen habe, »wird fortgesetzt, indem jetzt eine Sondersitzung abgelehnt wird«.

Union gegen Maas, SPD gegen Maaßen

Berlin. Die Staatsaffäre um Ermittlungen gegen Journalisten wegen Landesverrats hat bisher den Generalbundesanwalt Harald Range seinen Posten gekostet. Nun streiten die Koalitionsparteien über das Gebaren von Justizminister Heiko Maas und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Die Opposition verlangt weitere personelle Konsequenzen - und eine umfassende Reform.

»Ich kann das Verhalten von Minister Maas nicht nachvollziehen«, ging Berlins Justizsenator Thomas Heilmann von der CDU in der »Rheinischen Post« den SPD-Bundesminister an. »Entweder er versteht sich als vorgesetzte Behörde des Generalbundesanwalts, dann hätte er aber schon seit zwei Monaten eingreifen müssen. Oder er ist wie ich der Meinung, dass Politik nicht über politische Strafverfahren entscheiden darf, dann hätte er auch jetzt nicht eingreifen dürfen«, so Heilmann.

Maas hatte von den Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen zwei Journalisten von netzpolitik.org wegen Landesverrats seit mindestens dem 27. Mai gewusst und so, sieht es die Union, darauf Einfluss genommen. In den Reihen von CDU und CSU dies nun zunehmend kritisch gesehen. Nach der Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range durch Maas prüft die Berliner Staatsanwaltschaft nun auch den Anfangsverdacht einer Strafvereitelung im Amt. Mehrere Anzeigen gegen den Minister seien eingegangen, diese würden geprüft, sagte Staatsanwaltschafts-Sprecher Martin Steltner am Mittwoch.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich an die Seite von Maas gestellt. Der Minister genieße in dieser Frage die volle Unterstützung der Kanzlerin, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Mittwoch in Berlin. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung sehe vor, dass für derartige Personalentscheidungen die Stellungnahme der Kanzlerin eingeholt werden müsse. »In diesem Zusammenhang hat die Bundeskanzlerin keine Einwände gegen das Vorgehen des Bundesjustizministers geäußert«, sagte Wirtz.

Die Frage, ob Verfassungsschutzpräsident Maaßen ebenfalls das volle Vertrauen der Kanzlerin habe, wollte Wirtz nicht beantworten - oder konnte es nicht. »Es ist im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums, diese Frage«, sagte die Sprecherin. Derweil nimmt der Druck auf Maaßen zu, jedenfalls Seitens der SPD und der Opposition.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, die Ermittlungen gegen Journalisten wegen Landesverrats seien »ein schwerwiegender Fauxpas, den der Generalbundesanwalt zu verantworten hat«. Er sehe nun aber Verfassungsschutzpräsident Maaßen im Zentrum der Affäre. »Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass vor allem der Verfassungsschutzpräsident Maaßen auf dünner Rechtsgrundlage ein Exempel an einem kleinen Blog statuieren wollte«, so Schäfer-Gümbel der »Rheinischen Post«.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, nannte die Entlassung von Maaßen »überfällig, er hat die ganze Landesverratsaffäre mit seiner Anzeige erst angestoßen«. Scharfe Kritik äußerte der Linkenchef auch am Bundesinnenminister. Dem »Handelsblatt« sagte Riexinger, de Maizière habe Maaßen nicht rechtzeitig gestoppt.

Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast, sagte der »Saarbrücker Zeitung«, die ganze Affäre habe mit einer Anzeige des Verfassungsschutzpräsidenten begonnen, »der offensichtlich nicht akzeptieren wollte, dass Journalisten investigativ tätig sind und die Machenschaften seiner Behörde aufdecken«. Daher sei auch ein Rücktritt von ihm nicht auszuschließen. »Maaßen hat offenbar ein gestörtes Verhältnis zu den demokratischen Grundprinzipien«, kritisierte Künast. »Deshalb fordern wir ja auch eine vollständige Aufklärung der Angelegenheit.«



Der Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, Jan Korte, sagte, »die Entlassung von Generalbundesanwalt Range war zwar folgerichtig, ein substanzieller Beitrag zur Aufklärung der vom Bundesamt für Verfassungsschutz ausgelösten Affäre war sie nicht«. Die Verantwortung liege »letztlich bei Innenminister de Maizière und Verfassungsschutzpräsident Maaßen«, so Korte, der forderte, deren Rolle in der Affäre »jetzt dringend« aufzuklären. Er erwarte »von allen Beteiligten, jetzt die Karten auf den Tisch zu legen und den Schriftwechsel, insbesondere Weisungen und Genehmigungen zu der Affäre öffentlich zu machen, bevor es wieder Wikileaks und andere machen müssen«.

Damit ist auch die mögliche Verantwortung des Innenministers angesprochen. Der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil nannte das Verhalten des CDU-Politikers Thomas de Maizière (CDU) ein »Wegducken«. Sowohl die Rolle des Bundesinnenministers als auch des Verfassungsschutzpräsidenten müssten nun aufgeklärt werden, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung«.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings (CDU), äußerte dagegen Verständnis für das Vorgehen von Maaßen geäußert. »Die Weitergabe des Wirtschaftsplans des Verfassungsschutzes, aus dem alle Arbeitsschwerpunkte und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten dieser Sicherheitsbehörde ersichtlich sind, stellt eine neue Dimension des Durchstechens von Geheimnissen dar«, sagte Krings der »Rheinischen Post«.

Auch Bundesinnenminister Thomas de Mainiziere hatte Maaßen bereits den Rücken gestärkt. Der Verfassungsschutzchef habe sich »völlig korrekt« verhalten, sagte Ministeriumssprecher Tobias Plate. Das betreffe die Anzeige seiner Behörde gegen unbekannt und das Gutachten zur Frage des Staatsgeheimnisses. »Das wird auch bis hinauf zum Bundesinnenminister selbst so gesehen«, betonte Plate.

Die Linkenpolitikerin Halina Wawzyniak hat als Konsequenz aus der Landesverratsaffäre einen fünf Punkte umfassenden Katalog an Sofortmaßnahmen gefordert. So müssten Journalisten aus dem Straftatbestand des Landesverrats ausgenommen und ein umfassender Whistleblowerschutz eingeführt werden. Auch müsse nun gesetzlich festgeschrieben werden, dass Blogger unter den Zeugenschutz der Strafprozessordnung fallen. Wawzyniak forderte zudem, die politische Einflussnahme auf den Generalbundesanwalt gesetzlich auszuschließen. »Dazu wird es auch erforderlich sein, die Stellung des Generalbundesanwaltes als politischen Beamten zu beenden«, so die Juristin. Wawzyniak forderte zudem, den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung abzulehnen. Insbesondere der geplante Straftatbestand der Datenhehlerei »darf so nicht beschlossen werden«.

Auch Linkenchef Riexinger brachte gesetzgeberische Konsequenzen ins Spiel. »Um der künftigen Strafverfolgung von Journalisten durch die Geheimdienste einen Riegel vorzuschieben, müssen Journalisten aus dem Straftatbestand des Landesverrats ausgenommen werden.« FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki lehnt Gesetzesänderungen jedoch ab. »Wenn die staatlichen Behörden die institutionellen Garantien der Pressefreiheit achten, brauchen wir auch keine Schutzklauseln für Journalisten«, sagte er. Das Problem sei vielmehr, dass Maaßen »die grundgesetzlich zugesicherte Aufgabe der Medien, Versäumnisse oder Missstände aufzudecken, offensichtlich nicht vollumfänglich anerkennt und Innenminister de Maizière dies zumindest billigt, während der Bundesjustizminister Maas die Pressefreiheit trotz rechtlicher Vorbehalte erst schützt, nachdem der öffentliche Druck zu groß geworden ist«.

*** Aus: neues deutschland (online), Donnerstag, 6. August 2015


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