Dienstlich mitgelesen
BND scannte fast 2,9 Millionen fremde Nachrichten - Bürger ahnungslos
Von René Heilig *
Die drei Geheimdienste des Bundes
haben 2011 massiv in das
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
eingegriffen. Allein der
BND las 2011 fast 2,9 Millionen EMails,
SMS und andere Telekommunikationsverkehre
mit. Es genügte
der Verdacht auf Terrorismus,
illegalen Waffen- oder Menschenhandel.
Der Bundesnachrichtendienst
(BND) rüstet mit ungewöhnlicher
publizistischer Begleitung
für den Kampf gegen Internet-
Spionage hoch. Eine eigene Abteilung
gegen Cyberkriminalität
soll entstehen. Selbst jedoch ist
man nicht zurückhaltend, wenn
es darum geht, in fremden Systeme
einzudringen.
Die einfachste Methode ist
das Durchforsten fremder EMails.
2011 hat der Dienst
327 557 solcher Nachrichten
(mit)gelesen, weil man einen
Zusammenhang mit Terrorismus
witterte. 2010 hatte der
BND noch 38 Millionen Telekommunikationsverkehre
abgefangen und die enorme Anzahl
mit dem Anwachsen sogenannter
Spam-Mails begründet.
Der Dienst bezeichnete das als
»Ausreißer« und hat inzwischen
eine verbesserte Spamerkennung
und -filterung eingeführt.
Auch das Suchverfahren
wurde optimiert. Im Terrorismusbereich
suchte man 2011
im ersten Halbjahr nach 1450
und im zweiten Halbjahr 1660
verdächtigen Begriffen. Im Ergebnis
wurden 136 der im Terrorismusbereich
erfassten Kommunikationsverkehre als
relevant eingestuft.
Im Bereich »Proliferation
und konventionelle Rüstung«
gab man 2011 in der ersten
Jahreshälfte 13 521 und in der
zweiten 13 786 Suchbegriffe
ein. So fingen die Agenten
2 544 936 Telekommunikationsverkehre
ab. 56 davon wurden
als nachrichtendienstlich
relevant eingestuft. Bei der »Illegalen
Schleusung« suchte man
im ersten Halbjahr 2011 nach
348 und in der zweiten Jahreshälfte
nach 294 Begriffen. Man
filterte 436 Treffer heraus.
Der stellvertretende Regierungssprecher
Georg Streiter beschwichtigte: Nur ein eingeschränkter
Teil der internationalen Telekommunikation unterliege
der Überwachung durch den BND. Zudem: Nur
wenige Bürgern scheinen zu bemerken, dass sie bespitzelt
werden. 2011 gingen laut Bericht
des Kontrollgremiums nur 16 Beschwerden ein.
In allen Fällen wurde nachgewiesen,
dass das Grundrecht auf Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
nicht verletzt worden sei. Das Grundrecht der
Bürger wird allerdings beschränkt,
wenn die Überwachung dem Schutz der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung gilt. Das ist dehnbar
und die so Betroffenen müssen nicht über das Mithören oder
Mitlesen informiert werden.
Befugt sind neben dem BND
auch das Bundesamt für Verfassungsschutz
(BfV) und der Militärische Abschirmdienst
(MAD). Sie verzeichnen insgesamt
einen Aufwärtstrend bei
der Anzahl sogenannter Individualmaßnahmen.
Laut dem Parlamentarischen Kontrollgremium
des Bundestags genehmigte
die zuständige G10-Kommission den drei Diensten
2011 insgesamt 156 Beschränkungsmaßnahmen.
Im Vorjahr waren es 137. Das BfV zeigte
mit 133 Maßnahmen das größte
Schnüffelinteresse.
Die Geheimdienste können
laut Terrorismus-Bekämpfungsgesetz
von Luftfahrtunternehmen,
Kreditinstituten, Post- und Telekommunikationsunternehmen
sowie anderen Auskünfte verlangen. Zudem
dürfen sie technische Mittel
zur Ortung und Identifizierung
von Mobiltelefone – sogenannte
IMSI-Catcher – einsetzen. Allein
die Verfassungsschützer starteten
14 solche IMSI-Catcher-
Einsätze, von denen 19 Menschen
betroffen waren.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 6. April 2013
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