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Aachener Friedenspreis abgelehnt

Leiterin der Düsseldorfer "Hulda-Pankok-Gesamtschule" will Bundeswehr zurück in den Unterricht holen

Von Michael Schulze von Glaßer *

Es sei die Pflicht einer jeden Frau, den »nationalen Machtstaat« zu verneinen und als »Weltbürgerin« mitzuhelfen, »den Frieden zu sichern«, heißt es in einem Zitat der Künstlerin Hulda Pankok auf der Website einer nach ihr benannten Schule in Düsseldorf. Ganz im Sinne der Friedensaktivistin faßte die Schulkonferenz im Oktober 2010 auf Initiative der Schülervertretung gemeinsam mit Lehrern und Elternvertretern den Entschluß, Soldaten den Zugang in die Schule zukünftig zu verwehren. Seitdem wird eine in Nordrhein-Westfalen bestehende Kooperationsvereinbarung, die der Armee den Zugang an Schulen sichert, an der Hulda-Pankok-Schule nicht umgesetzt.

Friedensaktivisten halten die Entscheidung der Gesamtschule für vorbildlich. Der »Aachener Friedenspreis e.V.« wählte neben zwei bundeswehrfreien Schulen in Offenbach am Main und in Berlin die Hulda-Pankok-Schule zum Preisträger 2013. Gegenüber dem WDR zeigte sich Schulleiterin Alexandra Haußmann bei Bekanntwerden im Mai erfreut: »Ja, den Schülern und den Lehrern muß ich das heute erst mal alles mitteilen. Die werden sich ebenso freuen und das bietet doch mal Anlaß, im Unterricht über bestimmte Dinge zu sprechen«, so Haußmann im WDR.

Anfang Juni dann die Überraschung: »Die Schule nimmt den Preis nicht an«, schreibt die Schulleiterin in einem offenen Brief an den »Aachener Friedenspreis e.V.«. Die »dargestellten und für preiswürdig gehaltenen Umstände« träfen »weder tatsächlich noch rechtlich« zu, wird die Ablehnung begründet. Es habe 2010 keinen Beschluß der Schulkonferenz gegeben, so Haußmann. Zudem halte sie den Besuch der Bundeswehr im Schulunterricht pädagogisch für sinnvoll.

»Das ist in 25 Jahren Aachener-Friedenspreis das erste Mal, daß der Preis nicht angenommen wird«, erklärt Gerhard Diefenbach vom »Aachener Friedenspreis e.V.« verdutzt. Die Schulleiterin sei bereits vor Veröffentlichung der Ehrung informiert gewesen, hätte damals aber nichts von einer möglichen Ablehnung gesagt. Ihm ist schleierhaft, warum Haußmann die Ehrung nicht haben will: »Unseren Informationen nach gab es den Schulkonferenzbeschluß. Daher sehen wir auch nicht, daß wir die Auszeichnung zurücknehmen sollen«, so der Aachener. Der Schule habe man ein Gesprächsangebot übermittelt.

Auch Robin Cramer ist irritiert. Er war 2010 Schülervertreter an der Hulda-Pankok-Schule und dabei, als die Schulkonferenz den Entscheid gegen Besuche des Militärs faßte: »Der Beschluß wurde damals einstimmig gefaßt«, bestätigt Cramer. Haußmann sei erst danach Schulleiterin geworden: »Daß die Schulleitung ohne einen neuen Beschluß der Schulkonferenz, was das höchste Gremium der Schule ist, einfach den Friedenspreis ablehnt, ist problematisch«, so der ehemalige Schüler der Düsseldorfer Gesamtschule. Er besteht weiter auf der Entscheidung von 2010: »Die Schule hat gut ausgebildete Lehrkräfte, die im Bereich Politik genug Expertenwissen haben und im Gegensatz zur Bundeswehr einen neutralen Unterricht bieten können.« Wehrdienstberatern und Jugendoffizieren dürfe an Schulen kein Platz für ihre Werbung eingeräumt werden.

Der Konflikt in Düsseldorf ist nur ein Zeichen für den sich verschärfenden Streit um die Militarisierung von Bildungseinrichtungen: Friedenspolitisch engagierte Schüler, Lehrer und Eltern versuchen, den Einzug der Armee in die Klassenzimmer zu stoppen, während Schulleitungen oft die Regierungspolitik umsetzen und die Bundeswehr an die Schule holen wollen. Und wie der Fall der Hulda-Pankok-Schule zeigt, ist ihnen dabei jedes Mittel recht. Die Namensgeberin der Düsseldorfer Schule würde sich wohl im Grab umdrehen, wenn sie wüßte, daß die Schulleitung unter ihrem Namen junge Menschen für das Militär begeistern will.

Vor dem Düsseldorfer Rathaus wollen die Aktivisten des Bündnisses »Schule ohne Bundeswehr NRW« im Rahmen bundesweiter »Antimilitaristischer Aktionstage« um 13 Uhr für eine militärfreie Schule demonstrieren.

* Aus: junge welt, Samstag, 15. Juni 2013


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