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Drei "Schulen ohne Bundeswehr" erhalten Aachener Friedenspreis

Ein weiterer Preis geht an die Internationale Schule in Dohuk (Nordirak)


Am 9. Mai wurden die diesjährigen Preisträger des Aachener Friedenspreises bekannt gegeben. Es handelt sich einmal um die Internationale Schule in Dohuk (Nordirak). 2004 öffnete die Internationale Schule in Dohuk für die ersten 75 Schülern/innen ihre Pforten. Schulleiter ist Bischof Rabban Al-Qas. Das Lehrer/innen-Kollegium gehört verschiedenen Ethnien und Religionsgemeinschaften an. Die Schule ist koedukativ, Mädchen und Jungen lernen gemeinsam, Gleichberechtigung und Chancengleichheit wird konkret umgesetzt. Weder die ethnische, die religiöse, noch die soziale Herkunft spielen eine Rolle. „Für Religionskonflikte ist bei uns kein Platz“, sagt der kurdische Pädagoge Abdul Wahid A. Atrushi, der als gläubiger Muslim im besten Einvernehmen mit den Christen des Landes steht, gegenüber einer österreichischen Delegation. „Alle Schüler nehmen Anteil am kulturellen Hintergrund der anderen und laden einander z.B. zu religiösen Festen ein, sie sollen von klein auf kulturelle Vielfalt erleben und so zu einer neuen Generation heranwachsen, die den Hass überwindet“, erklärt Rabban die Philosophie der Modellschule. Friedenserziehung spielt eine wichtige Rolle, das Einüben der gewaltfreien Kommunikation. Diese Schule hat Vorbildcharakter. Sie braucht internationale Anerkennung und Rückendeckung, für einen sicheren Fortbestand.
Die Auszeichnung der Internationalen Schule Dohuk mit dem Aachener Friedens­preis 2013 hat auch Signalwirkung im Land selbst. Die Schule ist ein Mo­dellprojekt für Frieden, Versöhnung und Verständigung zwischen Volksgruppen und Reli­gionsgemeinschaften.

Im Folgenden dokumentieren wir die Informationen über die drei Schulen in Deutschland, die den Preis für ihre antimilitaristische Haltung erhalten haben.


"Schulen ohne Bundeswehr" – Hulda-Pankok-Gesamtschule (Düsseldorf), Robert-Blum-Gymnasium (Berlin), Käthe-Kollwitz-Schule (Offenbach a.M.)

Stellvertretend für alle Schulen, die per Schulkonferenzbeschluss festgelegt haben, die Bundeswehr nicht an ihre Schule einzuladen, geht der Aachener Friedenspreis 2013 an: Wir zeichnen damit die Schulen aus, die als erste in den Jahren 2010 und 2011 diesen Beschluss in ihren Schulkonferenzen gefasst haben. Wir wollen den Mut und die Courage der Schülerinnen und Schüler, der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer mit dem Aachener Friedenspreis 2013 würdigen und gleichzeitig ein Signal gegen den Mainstream der Militarisierung in unserer Gesellschaft setzen.

Unsere Vorstellung ist, dass junge Menschen sich für Freiheit und Gerechtigkeit in Frieden, ohne Gewalt und Krieg, stark machen.

Die Entscheidung deutscher Regierungen der vergangenen Jahre, sich seit dem völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieg immer wieder an Kriegs- und militärischen Gewalthandlungen zu beteiligen, führt unsere Gesellschaft in eine Kriegsnation zurück, wie sie schon einmal vor mehr als 300 Jahren begonnen hat. So befindet sich Deutschland zur Zeit weltweit in 12 Auslands- bzw. Kriegseinsätzen.

Ein Element der dazu erforderlichen Mobilisierung der Bevölkerung für den Kriegseinsatz ist die Rekrutierung von jungen Menschen für den „Dienst an der Waffe“. Als Lehrveranstaltung über Sicherheitsfragen getarnte Werbeveranstaltungen an Schulen vor zum Teil minderjährigen Schülerinnen und Schülern sind besonders zu verurteilen.

Durch in 8 Bundesländern zwischen Bundeswehr und den Ländern geschlossene Kooperationsvereinbarungen ist der Zugang für die Bundeswehr zu Schulen und Bildungseinrichtungen erleichtert und intensiviert worden. Wenn diese enge Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Bildungseinrichtungen von ihren BefürworterInnen begründet wird, ist häufig von der demokratischen Tradition der Armee die Rede. Die Bundeswehr sei integraler Bestandteil unseres Staatswesens und daher sei es selbstverständlich, dass die Armee an den Schulen präsent sein müsse. Dagegen lassen sich viele Argumente anführen, z.B. die Tatsache, dass die Bundesrepublik zu Beginn ihrer Geschichte keine Armee hatte. Offenbar ist unser Staat also auch ohne eine Armee denkbar. Auch die Frage, ob der Friedensauftrag des Grundgesetzes mit militärischen Mitteln überhaupt erfüllbar ist, muss diskutiert werden.

Inzwischen können laut einer neu gefassten Kooperationsvereinbarung JugendoffizierInnen der Bundeswehr und Organisationen der Friedensbewegung gleichberechtigt über die zur Friedenssicherung möglichen Instrumente der Politik und die Aufgabenstellung der Bundeswehr informieren. Dass diese Änderung der Kooperationsvereinbarung reine Augenwischerei ist, zeigen die folgenden Zahlen.

Die Ausgaben der Bundeswehr für die Nachwuchswerbung stiegen von 9,8 Millionen Euro im Jahr 1998 auf 29 Millionen Euro im Jahr 2012. Das entspricht einem Faktor 3. Auch wenn nicht alle diese Mittel für die Werbung in Schulen aufgewendet werden, zeigen die Zahlen dennoch den enormen finanziellen und personellen Aufwand, dem die Friedensbewegung mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit nichts entgegensetzen kann.

Insgesamt traten 100 JugendoffizierInnen in der BRD im Jahr 2011 an Schulen, bei Jugendorganisationen und MultiplikatorInnen wie Lehrkräften, PolitikerInnen etc. auf. So erreichte die Bundeswehr 156.800 Personen – davon 133.600 Schülerinnen und Schüler in mehr als 5000 Veranstaltungen und rund 1500 Personen in Jugendorganisationen, insgesamt also rund 135.000 Jugendliche. Auch hier kann die Friedensbewegung personell in keiner Weise mithalten.

Oft wird so getan als ob SoldatIn ein ganz normaler Beruf sei. Diejenigen, die meinen, JugendoffizierInnen und WehrdienstberaterInnen müssten an die Schule kommen, argumentieren häufig damit, dass die Bundeswehr eine normale Arbeitgeberin sei und daher die Jugendlichen über diese Berufsmöglichkeit genau wie über jede andere informiert werden müssten. Jedoch ist der Soldatenberuf keinesfalls ein normaler Beruf. Soldatinnen und Soldaten verzichten mit ihrem Eintritt in die Armee auf wesentliche Grundrechte, wie auf das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und Leben. Die freie Meinungs- und Willensbildung wird beschränkt, Gehorsamsverweigerung wird bestraft.

Der Bildungsauftrag der Schule wird gemäß unserer Landesverfassung in Artikel 7 Abs. 2 und im Schulgesetz §2, Abs.2 gleichlautend beschrieben: „Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen […]. In Liebe zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.“ Diesen Auftrag können VertreterInnen einer Armee nicht erfüllen.

Um eine Welt ohne Krieg und militärische Gewalt zu erreichen, ist eine völlig andere Art des Denkens und Handelns unserer Gesellschaft nötig. Neben der Anwendung von Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung zur Beilegung gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Staaten und Gemeinschaften brauchen wir vor allem eine andere, auf Friedenserziehung orientierte, Bildungspolitik und Ausbildung unserer Jugend. Diese kann von Soldatinnen und Soldaten nicht gewährleistet werden, zumal diese ihrer Arbeitgeberin, der Bundeswehr, verpflichtet und damit deutlich interessengeleitet sind.

Quelle: Website des Aachener Friedenspreises; http://www.aachener-friedenspreis.de


Glückwunsch

Von René Heilig *

In einem aktuellen Schulkonferenzbeschluss der »Käthe-Kollwitz-Schule« in Offenbach heißt es: »Wir wollen nicht, dass unsere Schülerinnen und Schüler für einen Krieg gegen andere Völker rekrutiert werden. Und wir wollen auch nicht, dass sich die Bundeswehr als friedensschaffende Kraft anpreisen kann.« Für diese konsequent antimilitaristische Haltung bekommt die Schule gemeinsam mit zwei anderen aus Düsseldorf und Berlin, die der Bundeswehr gleichfalls keine Unterrichtswerbung gestatten, den diesjährigen Aachener Friedenspreis zuerkannt.

Man wünschte sich die Schüler und ihre Lehrer an den Kabinettstisch von Frau Merkel. Dort wurde gerade ein Zwischenbericht zur Bundeswehrreform abgenickt, der »Deutschlands Platz in der Welt« und »unser Gewicht als starke Nation« mit der »Übernahme weiterer Verantwortung - auch durch die Auslandseinsätze der Bundeswehr« verknüpft.

Weiter liest man, dass Deutschland als stärkste Volkswirtschaft Europas und eine der bedeutendsten Exportnationen der Welt in hohem Maße von der Stabilität des internationalen Staatensystems und dem freien Welthandel abhängig sei. Stimmt! Wie aber kommt es dann zu Panzerexporten nach Indonesien oder Saudi-Arabien? Wieso stützt Deutschland mit Hightech-Waffen Regime, für die Menschenrechte nichts zählen? Wie kann es sein, dass sich selbst die Kanzlerin als Rüstungslobbyistin einspannen lässt?

Auf diese Fragen haben die Kollwitz-Schüler Antworten gefunden. Und sie haben Konsequenzen gezogen. Glückwunsch!

* Aus: neues deutschland, Freitag, 10. Mai 2013 (Kommentar)


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