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"Abstimmung der Ahnungslosen" in Deutschland - Frankreich hat es besser

Kritische Kommentare für und gegen die EU-Verfassungs-Abstimmung im Bundestag: Von Habermas bis PANORAMA

Im Folgenden dokumentieren wir eine kleine Auswahl an Kommentaren zur Verabschiedung der EU-Verfassung im Deutschen Bundestag am 12. Mai 2005, die wir der Tagespresse entnommen haben. Wir beginnen aber mit einem Auszug aus einem Essay von Jürgen Habermas, womit sich dieser in die Auseinandersetzung um das EU-Verfassungsreferendum in Frankreich eingebracht hat: mit einem zwar kritischen, aber doch bedingungslosen "Ja", das er den Franzosen empfiehlt. Am Ende unserer Pressestimmen folgt ein Auszug aus der Panorama-Sendung im Ersten Deutschen Fernsehen vom 12. Mai, in der Bundestagsabgeordnete, die zuvor über die EU-Verfassung abgestimmt haben, auf ihr Wissen in europäischen Angelegenheiten befragt wurden. Das Ergebnis ist erheiternd und deprimierend zugleich.

Auszug aus: Das illusionäre 'Nein der Linken'. Die Verfassung annehmen, um Europas Handlungsfähigkeit zu stärken. Von Jürgen Habermas

(...) Eine Linke, die sich gegen das neoliberale Wirtschaftregime stemmt, muss auch über Europa hinausschauen. Eine im weitesten Sinne sozialdemokratische Alternative zum herrschenden Washington Konsens kann sie nur verfolgen, wenn die Europäische Union Handlungsfähigkeit nicht nur nach innen, sondern auch nach außen gewinnt. Sie muss ohnehin lernen, außenpolitisch mit einer Stimme zu sprechen, wenn sie einem hegemonialen Liberalismus begegnen will, der freie Wahlen und freie Märkte notfalls im Alleingang und mit militärische Gewalt weltweit durchsetzen will.
Es ist Bush, der sich über ein Scheitern der europäischen Verfassung freuen dürfte. Im Rahmen dieser Verfassung könnte Europa nämlich eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln, die über genügend soft power verfügt, um der Opposition gegen die Weltordnungsvorstellungen der Neokonservativen, auch in den Vereinigten Staaten selbst, den Rücken zu stärken. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, die Vereinten Nationen und das Völkerrecht zu einer politisch verfassten Weltgesellschaft ohne Weltregierung fortzuentwickeln. Wir müssen zu einer effektiven Verrechtlichung der internationalen Beziehungen gelangen, bevor andere Weltmächte in die Lage versetzt werden, die völkerrechtswidrige Machtpolitik der Bush-Regierung nachzuahmen.
Den Herausforderungen und Risiken einer Welt im Umbruch können wir nur offensiv begegnen, wenn wir Europa stärken und nicht die verständlichen Ängste der Bevölkerung auch noch populistisch ausbeuten. Die unfreiwillige Koalition des Neins der Linken mit dem reaktionären Nein der Rechten hat eine tragisch Note, weil sie auf einer Illusion der Linken beruht. Sie kommt auf der Grundlage der Illusion zustande, dass ein Nein aus Frankreich die anderen Mitgliedstaaten dazu veranlassen könnte, die Verhandlungen über die europäische Verfassung wieder aufzunehmen. Diese Erwartung ist ein doppelter Irrtum. (...)

Aus: Perlentaucher: http://perlentaucher.de/artikel/2355.html%22
Dieser Artikel erschien zuerst auf französisch im Nouvel Observateur am 5. Mai 2005. Die von uns auf Deutsch zitierte Passage heißt im französischen Original:

(...) Une gauche qui entend tenir tête au régime économique néolibéral doit regarder plus loin que l’Europe. Face au consensus dominant qu’est en train d’arracher Washington, elle ne peut proposer une solution sociale-démocrate au sens large que si l’Union européenne est capable d’agir non seulement à l’intérieur, mais également à l’extérieur. Contre un libéralisme hégémonique qui associe élections libres et marchés libres et entend imposer ses vues à l’échelle mondiale – s’il le faut en solo et par les armes –, l’Europe doit, de toute façon, apprendre à mener une politique extérieure où elle parlera d’une seule voix.
C’est George Bush qui ne pourrait que se réjouir d’un échec de la Constitution européenne. Grâce à cette Constitution, en effet, l’Europe pourrait développer une politique extérieure et de sécurité commune qui disposerait d’un soft power suffisant pour conforter l’opposition aux idées que se font les néoconservateurs de l’ordre mondial, et ce aux Etats-Unis même. Il est dans notre intérêt commun d’aider au développement des Nations unies et du droit international en vue d’une société mondiale politiquement constituée, sans gouvernement mondial. Nous devons parvenir à faire entrer effectivement dans un vrai cadre juridique les relations internationales, avant que d’autres puissances mondiales ne soient à même d’imiter, dans sa conception étroite du droit international, la politique de la force de l’administration Bush.
Nous ne pourrons faire face de manière offensive aux défis et aux risques liés à un monde en rupture que si nous renforçons l’Europe plutôt que de chercher à exploiter, au prix d’un vieux populisme, les angoisses, par ailleurs bien compréhensibles, de la population. La coalition malgré elle du non de gauche avec le non réactionnaire d’une certaine droite a par surcroît une note tragique, en ce qu’elle repose sur une illusion de la gauche. Elle fait fond en effet sur cette illusion qu’un non émis par la France conduirait nécessairement les autres membres à reprendre les négociations sur la Constitution européenne. Attendre cela revient à commettre une double erreur. (...)


Das Neue Deutschland lieferte am 13. Mai nicht nur einen ausführlichen Bericht über die Plenardebatte im Bundestag ab, sondern kommentierte auch die Abstimmung. Gabriele Oertel schrieb über "Himmel und Horizonte":

Wie recht doch Konrad Adenauer hatte. »Wir leben alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont«, soll der erste Kanzler der Bundesrepublik einmal gestöhnt haben. Unter dem 25-Sterne-Himmel wurde gestern in Berlin eine historische Entscheidung getroffen. Für Europa, vor allem für seine Bewohner. Ein Verfassungsvertrag wurde ratifiziert – ein bisschen Verfassung, ein bisschen Vertrag. Und der soll für uns alle so gut sein – weshalb wir es, glaubt man Gerhard Schröder, mit Groß- wie Kleingedrucktem nicht allzu detailversessen genau nehmen sollten. Ein zumindest zweifelhaftes Verständnis eines Kanzlers wie Juristen von Verfassung wie Vertrag.
Himmel – hoch jauchzend? Eine übergroße Mehrheit im Bundestag sah es wohl so. Wenn auch bezweifelt werden darf, dass alle sich durch das 800-Seiten-Werk gekämpft haben und Probeabstimmungen her mussten, um die unterschiedlichen Horizonte in den Griff zu bekommen. Und selbst bei den wenigen Nein-Sagern tun sich Welten auf. Hier vermisster Gottesbezug oder Angst vor Entmachtung des Nationalen – da prinzipielle Unwilligkeit, militärischer Aufrüstung und Konfliktlösung sowie zementiertem Neoliberalismus in Europa sein Amen zu geben, ohne dem Volk Mitspracherecht zu geben.
Die Angst vor einem gemeinsamen Votum Linker und Konservativer kann sich dann in Grenzen halten, auf die Argumente kommt es an. Adenauer hat Recht: Letztlich macht’s der Horizont.

Aus: Neues Deutschland, 13. Mai 2005

"Europa braucht Volk", ist der Kommentar von Daniela Weingärtner in der taz überschrieben. Es geht ihr also um die verhinderte Möglichkeit zu einem Referendum in Deutschland:

Die Verfassungsabstimmung im Deutschen Bundestag, dieser fromme Wunsch war oft zu hören, möge als positives Signal nun auch in Frankreich vernommen werden. Bundesregierung und Opposition hatten sich mächtig beeilt, um die Nachbarn noch rechtzeitig vor deren Volksabstimmung am 29. Mai positiv einzustimmen. Diese Optik aber stellt den Sachverhalt auf den Kopf. Denn in Wirklichkeit ist es Frankreich, das Signale sendet - negative in diesem Fall -, und die deutsche Öffentlichkeit, die darauf reagiert hat.
Die Franzosen haben sich mit dem Inhalt der Verfassung auseinander gesetzt, als der Abstimmungstag in greifbare Nähe rückte. Die daraus resultierende leidenschaftliche Debatte ist nach Deutschland übergeschwappt, obwohl die Deutschen gar nicht direkt gefragt werden. So sind zarte Anfänge einer europäischen Auseinandersetzung entstanden. Derzeit diskutieren deutsche Spitzenpolitiker auf französischen Podien, der Anfang für eine europaweite Wahlkampagne ist damit gemacht.
Der Prozess, der derzeit in Frankreich zu beobachten ist, spricht dafür, die nächste Vertragsreform mit einem europaweiten Referendum zu besiegeln. Die Motivation, sich mit einem komplizierten Sachverhalt zu befassen, ist offenbar sehr hoch, wenn man seine Meinung dann auch in die Waagschale werfen kann.
Genau das braucht die Europäische Union. Die Risiken und Nebenwirkungen allerdings bleiben unverändert bestehen. Deshalb sollte dieses Instrument wirklich Vertragsänderungen vorbehalten bleiben. Eine europaweite Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei zum Beispiel könnte populistische Reflexe stimulieren, die brandgefährlich sind.
Selbst wenn europaweite Referenden Vertrags- und Verfassungsfragen vorbehalten bleiben, steckt darin Sprengstoff genug. Nach welchen Regeln soll das Ergebnis bewertet werden? Reichen 50 Prozent der abgegebenen Stimmen, oder muss dieses Quorum in jedem Mitgliedsland einzeln erreicht werden? Wie wird das Resultat aus Ländern gewichtet, in denen die Wahlbeteiligung unter 30 Prozent lag? Diese Fragen haben es in sich, sind aber nicht unlösbar. Damit bis zur nächsten Verfassungsreform eine befriedigende Antwort gefunden ist, sollte die Debatte jetzt beginnen. Europaweit.

Aus: taz, 13. Mai 2005


Der Chefredakteur der "jungen Welt" kommentiert die Abstimmung im Bundestag gewohnt kritisch. Auch bei ihm spielt das verweigerte Plebiszit eine wichtige Rolle:

Die deutsche Verfassungsgeschichte ist relativ kurz. Am 18. März 1848 versprach der preußische König Friedrich Wilhelm IV. seinen Untertanen die Aufhebung der Pressezensur und eine gesamtdeutsche Verfassung. Anschließend ließ er das Militär schießen. Ihm ist die Einführung der »Schutzhaft« und die Wendung zu verdanken, zwischen Gott und ihn solle sich kein Blatt Papier, nämlich eine Verfassung, drängen. Adolf Glassbrenner definierte damals: »Konschtitution, des is Teilung der Gewalt. Der König dut, wat er will.«
Seitdem haben es die Deutschen mit ihren Verfassungsgebern verscherzt. Volksentscheide über Verfassungen fanden nicht mehr statt, dafür war der Satz, daß alle Macht vom Volke ausgeht, stets festgeschrieben. Wie insgesamt von der deutschen Geschichte, machte die DDR auch in dieser Angelegenheit eine Ausnahme. Walter Ulbricht regte Ende der 60er Jahre an, die Bevölkerung über eine neue Verfassung abstimmen zu lassen. Das SED-Politbüro soll etwas verwirrt gewesen sein, auf jeden Fall war die landesweite Abstimmung im Frühjahr 1968 die bisher einzige über eine Verfassung in der deutschen Geschichte. Da sie in der DDR stattfand, fällt sie unter Totalitarismusverdacht, kann also nicht gewesen sein, weil sie nicht sein durfte.
Ignoranz gegenüber demokratischen Willensäußerungen in Verfassungsfragen ist das leitende Prinzip – von der Herrschaft des preußischen Königs »mit dem weichen Kopf« (Karl Marx) bis heute. Konstitutionen gehen das Volk nichts an, es hat sie »verfassungspatriotisch« zu lieben. Heiligkeit aber stellt sich nicht durch Debatte, schon gar nicht durch Kenntnisse und Abstimmungen her. Die am Donnerstag vom Bundestag verabschiedete EU-Verfassung dürfte im Ranking sakraler Texte daher weit vorn liegen. Bundestagsabgeordnete bekundeten, daß sie nicht wußten, worüber sie abstimmten. Der Bevölkerung wurde das Schriftstück gar nicht erst unterbreitet. Übertroffen wird der Vorgang nur durch jenen in der letzten DDR-Volkskammer, als der sofortige Beitritt zum Grundgesetz ohne Einigungsvertrag vorgeschlagen wurde. Inzwischen stellte sich allerdings heraus, daß der dann abgeschlossene ebenso als Makulatur behandelt wird wie das Grundgesetz, wenn es z. B. um einen Angriffskrieg gegen Jugoslawien oder »Landesverteidigung am Hindukusch« geht.
Für deutsche Könige, Kaiser und Kanzler sind Verfassungen und Verträge Fetzen Papier, die sich zwischen sie und ihre Politik stellen. Die Bevölkerung ist bei ihnen daher konstant unpopulär.

Aus: junge Welt, 13. Mai 2005


Auch der Berliner "Tagesspiegel", durch und durch für die EU-Verfassung, kritisiert die Entmündigung des deutschen Wahlvolkes. Im Kommentar von Gerd Appenzeller ("Freude, kleiner Götterfunken") heißt es dazu:

(...) In Deutschland gibt es keine Volksabstimmung über die Verfassung. Hier misstrauen die Politiker der rechtsstaatlichen Reife ihrer Bürger auch nach 60 Jahren Demokratie noch so sehr, dass sie das Volk direkt nur sozusagen im Laufstall mitreden lassen. Aber die Voten von Bundestag und Bundesrat sollen dann das französische Volk dazu bringen, dass es doch bitte für die Verfassung stimmen möge. Die Franzosen müssen nicht einmal in einem gallischen Dorf leben, um sich solche deutschen Ratschläge hinter den Hinkelstein zu stecken.
Wahrscheinlich wäre das deutsche Interesse für diese Verfassung Europas in den vergangenen Wochen wesentlich größer gewesen, wenn der Bürger direkt hätte darüber entscheiden dürfen. Aber so standen selbst die Politiker nicht einmal unter Druck, das Wahlvolk zu überzeugen. Sie hatten genug damit zu tun, durch kluges Argumentieren und geduldiges Bereden die Zahl der Abweichler und Zweifler im Bundestag klein zu halten. (...)

Aus: Der Tagesspiegel, 13. Mai 2005

Abstimmung der Ahnungslosen – Die EU-Verfassung im Bundestag

Aus: PANORAMA Nr. 253 v. 12.05.2005 (ARD) - A u s z u g -

Anmoderation
Anja Reschke:

Wie gut, dass wir keine Franzosen oder Niederländer sind. Sonst müssten wir uns jetzt in fünfhundert Seiten, 448 Artikel und 36 Zusatzprotokolle einarbeiten. Aber hier in Deutschland stimmt nicht das Volk, sondern das Parlament über die neue EU-Verfassung ab. Praktisch, sparen wir uns auch gleich teure Aufklärungskampagnen. Unsere Aufgabe als Bürger ist simpel, wir sollen Europa einfach gut finden und uns sonst möglichst nicht einmischen. Da uns ja der Blick auf das Große und Ganze fehlt, wie Politiker immer wieder beteuern, sollen wir uns nur auf unsere gewählten Volksvertreter verlassen. Und dass die 601 deutschen Abgeordneten heute morgen nach bestem Gewissen und vor allem aber Wissen abgestimmt haben, versteht sich ja von selbst – oder? Ein kleiner Test im Bundestag von Tamara Anthony, Gesine Enwald und Eilika Meinert lässt allerdings Zweifel aufkommen. Berlin heute morgen. Die wackren Volksvertreter eilen ihrer ureigensten Aufgabe entgegen. Vom höchsten Rang ist die Mission, schließlich gilt es die Hand zu heben für die Verfassung der EU. Ein Vertragswerk, das im Prinzip über dem Grundgesetz steht. Entsprechend ist der Bundespolitiker im Bilde, hat sich in den letzten Tagen in Fraktionen und Ausschüssen noch mal auf die Höhe der Information gepuscht.
Er wird dieses Werk kennen. Zum Beispiel sollte er wissen: Was schreibt die Verfassung fest in punkto demokratische Rechte des ganz normalen Menschen.

Erste Frage - ganz leicht. Zunächst FDP-Außenexperte Gerhard.
Frage: „Gibt es auf EU-Ebene die Möglichkeit für ein Bürgerbegehren?“
Richtige Antwort heißt: Ja, mit einer Million Unterschriften.

Antworten:
Wolfgang Gerhardt (FDP-Außenexperte): „Soweit ich weiß, nein.“

Friedbert Pflüger (CDU-Außenexperte): „Auf EU-Ebene glaube ich nicht.“

Horst Schild (SPD, MdB): „Nein“

Ernst-Reinhard Beck (CDU, MdB): „Nein, das ist nicht der Fall.“

Marga Elser (SPD, MdB): „Das ist nicht vorgesehen.“
(...)
Noch mal zur Erinnerung: Die richtige Antwort heißt: JA. Bürgerbegehren sind möglich, verbrieft in der Verfassung und sogar nachzulesen in kleinen Broschüren fürs Volk.

Die Politiker kurz vor der Abstimmung, nach besten Wissen und Gewissen greifen sie nach den Stimmkarten. Ihr Gewissen mag rein sein, ihr Wissen ist nicht unbedingt das beste.
Nächste Frage: „Auf welchen Politikfeldern zum Beispiel hat laut Verfassung dieser illustre Bundestag nichts mehr zu melden, wo ist allein die EU zuständig?“

Antworten:
Marga Elser (SPD, MdB): „Ja, das ist die europäische Verteidigungspolitik.“

Verteidigungspolitik? Völlig falsch. Richtig ist: Zoll-Union und Wettbewerb im Binnenmarkt und Eurowährungspolitik.

Hans-Christian Ströbele (Grüne, MdB): „Das kann ich Ihnen auch auswendig nicht sagen. Das sind sehr viele.“

Ortwin Runde (SPD, MdB): „Mir, ehrlich gesagt, keine richtig bekannt als ausschließliche Kompetenz.“

PANORAMA: „Fallen Ihnen da zwei ein?“

Petra Pau (PDS, MdB): „Kann ich Ihnen jetzt so ganz konkret nicht beantworten.“

Silke Stokar (Grüne, MdB): „Allein die EU, hm.....Außen....ich passe.“
(...)
Spätestens jetzt wissen wir, Abgeordnete brillieren vielleicht im Sport oder Verkehrsausschuss, aber in Sachen Verfassung folgen sie weitgehend blind der Fraktionslinie. Und da war doch noch der Knackpunkt der Verfassung, um den mehr als ein Jahr gestritten wurde. Es ging um die sogenannte qualifizierte Mehrheit und deren Stimmgewichtung. Welche Mehrheiten braucht es in der Regel, um im fernen Brüssel ein Gesetz zu verabschieden?
Es steht heute in den Zeitungen: 55 % der Mitgliedsstaaten mit mindestens 65 % der EU- Bevölkerung sind nötig, um im Ministerrat ein Gesetz zu verabschieden.

Marga Elser (SPD, MdB): „Oh (lacht), in Zahlen und Prozenten habe ich mir das noch gar nicht überlegt.“

Silke Stokar (Grüne, MdB): „Kann ich Ihnen nicht sagen.“

Cornelia Pieper (FDP, MdB): „Ach, jetzt werden Sie aber sehr detailliert zum frühen Morgen (lacht).“

Friedbert Pflüger (CDU-Außenexperte): „Das weiß ich nicht, das muss ich im Einzelnen nachschauen.“

Petra Pau: „Oh, da passe ich jetzt.“

Endlich ist es so weit. Begierig stürzt sich das Stimmvieh auf die Urnen. Namentliche Abstimmung, blaue Karte: ein klares Ja für die Verfassung. Es ist vollbracht, die Arbeit ist getan, bleibt Zeit für eine Frage, nachzulesen im Artikel 8 der Verfassung: „Wie viel Sterne sind denn auf der EU-Flagge?“

Wolfgang Thierse (SPD, MdB): „Gott, hab’ ich noch nie gezählt, ich hoffe, es sind dann 25, so viel wie Mitgliedsstaaten.“

Wolfgang Gerhardt (FDP-Außenexperte): „Oh, das kann ich Ihnen nicht sagen.“

Wolfgang Clement (Wirtschaftsminister): „Da zählen Sie selbst mal nach.“
(...)
Renate Künast (Grüne, MdB): „12 oder 15. Auf alle Fälle nicht die Zahl, die wir jetzt an Mitgliedsstaaten sind und sein werden.“

Wenigstens eine, die es fast gewusst hat. Es sind 12, das war schon immer so und dabei wird es bleiben. Es dauert wahrscheinlich noch ein bisschen, bis wir alle Europäer sind.

Abmoderation
Anja Reschke:
Was sie da heute beschlossen haben, ist also nicht allen Abgeordneten klar. Um so klarer war allerdings das Ergebnis: 569 stimmten für die Verfassung, die sie wohl kaum gelesen haben. Das sind satte 95 %. In Vielfalt geeint? So das Motto der EU. Heute muss es eher heißen: in Unwissenheit geeint.


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