"We are fighting for a Europe that refuses war" / "Wir kämpfen für ein Europa, das sich dem Krieg verweigert"
Im Folgenden dokumentieren wir - in einer deutschen Übersetzung und im englischen Original - den Text der Abschlusserklärung des Europäischen Sozialforums, das vom 14. bis zum 17. Oktober 2004 in London getagt hatte und mit einer Massendemonstration zu Ende ging.
Der Aufruf der Versammlung sozialer Bewegungen
Wir kommen von allen Kampagnen und sozialen Bewegungen, "Keine Stimme"-("no vox")Organisationen, Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Organisationen der internationalen Solidarität, Antikriegs-, Friedens- und Frauenbewegungen. Wir kommen aus allen Regionen Europas, um uns in London zum dritten Europäischen Sozialforum zu treffen. Wir sind viele und unsere Stärke ist unsere Vielfalt.
Krieg ist heute der hässlichste und realste Ausdruck des Neoliberalismus dar. Der Krieg und die Besatzung im Irak, die Besatzung Palästinas, die Massaker in Tschetschenien und die versteckten Kriege in Afrika zerstören die Zukunft der Menschheit. Der Irakkrieg war mit Lügen gerechtfertigt worden. Heute ist der Irak erniedrigt und zerstört. Die Iraker sind Gefangene des Krieges und des Terrors. Die Besatzung hat weder Freiheit noch eine Besserung der Lebensbedingungen gebracht. Im Gegenteil: Die Vertreter der These vom "Zusammenstoß der Kulturen" ("clah of civilisation") sind heute gestärkt.
Wir kämpfen für den Abzug der Besatzungstruppen aus dem Irak, für einen sofortigen Stopp der Bombardierungen und für die sofortige Wiederherstellung der Souveränität des irakischen Volkes.
Wir unterstützen die palästinensischen und israelischen Bewegungen, die für einen gerechten und dauerhaften Frieden kämpfen. Entsprechend dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes der Vereinten Nationen und dem einstimmigen Votum der europäischen Staaten in der UN-Vollversammlung fordern wir ein Ende der israelischen Besatzung und die Beseitigung der Apartheidmauer. Wir fordern politische und wirtschaftliche Sanktionen gegen die israelische Regierung, solange sie weiterhin internationales Recht und die Menschenrechte des palästinensischen Volkes verletzt. Daher werden wir für die internationale Aktionswoche gegen die Apartheidmauer vom 9. bis 16. November, zu europäischen Aktionstagen am 10. und 11. Dezember, dem Jahrestag der Verabschiedung der UN-Menschenrechtserklärung, mobilisieren.
Die Destabilisierung des globalen Klimas stellt eine beispiellose Bedrohung für die Zukunft unserer Kinder und für die Menschheit insgesamt dar. Wir unterstützen den Aufruf von Umweltorganisationen zu internationalen Aktionen gegen den Klimawandel in 2005. Wir unterstützen Kampagnen gegen gentechnisch Veränderte Organismen, für sichere Landwirtschaft, Nahrung und Umwelt.
Im Februar 2005 werden wir uns den Protestaktionen gegen den NATO-Gipfel in Nizza anschließen. Wir wenden uns gegen die von den G-8-Staaten angemaßte Übernahme globaler Regierungsfunktionen und einer Politik des Neoliberalismus. Daher bitten wir um massenhafte Mobilisierung anlässlich des G-8-Gipfels in Schottland im Juli 2005.
Wir wollen ein anderes Europa, das Sexismus und Gewalt gegen Frauen ablehnt und das Recht auf Abtreibung anerkennt. Wir unterstützen den internationalen Aktionstag gegen Gewalt gegen Frauen am 25. November und die Europäische Initiative. Wir unterstützen die Mobilisierung zu den Feiern des Internationalen Frauentags am 8. März. Wir unterstützen die Europäische Initiative zum 27./28. Mai in Marseille, die vom weltweiten Marsch für die Frauen vorgeschlagen wurde.
Wir treten ein gegen Rassismus und die Festung Europa und für die Rechte der Einwanderer und Asylsuchenden; wir sind für Bewegungsfreiheit, für das Staatsbürgerrecht nach dem Residenzprinzip und für die Schließung der Abschiebehaftanstalten. Wir wenden uns gegen die Abschiebung von Einwanderern. Wir schlagen einen Aktionstag am 2. April 2005 vor: gegen Rassismus, für Bewegungsfreiheit und für das Bleiberecht als Alternative zu einem Europa der Exklusion und der Ausbeutung.
In der Zeit, in welcher der Entwurf für die Europäische Verfassung ratifiziert werden soll, müssen wir darauf bestehen, dass die Menschen in Europa darüber direkt befragt werden. Der Verfassungsentwurf ist unvereinbar mit unseren Vorstellungen. Dieser Verfassungsvertrag erhebt den Neoliberalismus zur offiziellen Doktrin der EU; er macht den Wettbewerb zur Grundlage des Europäischen Gemeinschaftsrechts und faktisch aller menschlichen Aktivitäten; er ignoriert vollständig die Ziele einer ökologisch nachhaltigen Gesellschaft. Dieser Verfassungsvertrag garantiert weder gleiche Rechte noch das Recht auf Bewegungsfreiheit noch das Recht auf Niederlassungsfreiheit und Staatsbürgerschaft für alle, unabhängig von ihrer Nationalität. Der Verfassungsvertrag räumt der NATO eine Rolle in der europäischen Außen- und Verteidigungspolitik ein drängt auf die Militarisierung der EU. Schließlich rückt er den Markt an die erste Stelle, drängt das Sozial an denRand und beschleunigt er die Zerstörung der öffentlichen Dienstleistungen.
Wir kämpfen für ein anderes Europa. Unsere Mobilisierung lässt auf ein Europa hoffen, in dem die Unsicherheit der Arbeitsplätze und Arbeitslosigkeit nicht mehr auf der Tagesordnung stehen. Wir kämpfen für eine überlebensfähige Landwirtschaft, die von den Landwirten selbst kontrolliert wird, eine Landwirtschaft, die Arbeitplätze bietet und die Qualität der Umwelt und der Lebensmittel zum Vorteil aller verteidigt. Wir wollen ein weltoffenes Europa mit dem Recht auf Asyl, Bewegungsfreiheit und dem Recht auf Staatsbürgerschaft nach dem Residenzprinzip. Wir verlangen wirklich soziale Gleichheit und gleichen Lohn zwischen Mann und Frau. Unser Europa wird kulturelle und sprachliche Unterschiedlichkeit respektieren und fördern. Unser Europa wird das Recht der Menschen auf Selbstbestimmung anerkennen und den verschiedenen Völkern Europas erlauben, über ihre Zukunft demokratisch zu entscheiden. Wir kämpfen für ein anderes Europa, das die Rechte der Arbeitnehmer achtet und eine angemessene Entlohnung sowie ein hohes Maß an sozialer Sicherheit gewährleistet. Wir kämpfen gegen alle Regelungen, die Unsicherheit produzieren, indem sie neue Methoden der Arbeitnehmerüberlassung ermöglichen ("new ways of subcontracting work").
Wir kämpfen für ein Europa, das sich dem Krieg verweigert, für einen Kontinent der internationalen Solidarität und für eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft. Wir kämpfen für Abrüstung, gegen atomare Waffen und gegen US- und NATO-Militärstützpunkte. Wir unterstützen all jene, die den Militärdienst verweigern.
Wir wenden uns gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und gemeinsamer Güter wie Wasser. Wir kämpfen für Menschenrechte, für soziale, ökonomische, politische und ökologische Rechte zur Abwehr und Überwindung der Herrschaft des Marktes, der Logik des Profits und der Beherrschung der Dritten Welt durch die Schuldendienste. Wir wenden uns gegen die Instrumentalisierung des "Kriegs gegen den Terrorismus" zum Zweck des Angriffs auf demokratische und Bürgerrechte und um abweichende Meinungen und soziale Konflikte zu kriminalisieren.
Die Europäische Soziale Bewegung unterstützt die nationale Mobilisierung der italienischen Bewegung anlässlich der Unterzeichnung des Europäischen Verfassungsvertrags am 30. Oktober - gegen Krieg, Deregulierung ("liberalisation") und Rassismus, für den Truppenabzug aus dem Irak und für ein anderes Europa. Die Europäische Soziale Bewegung unterstützt die nationale Mobilisierung in Barcelona gegen den EU-Gipfel zur Europäischen Verfassung im Januar 2005. Wir unterstützen die Mobilisierung am 11. November 2004 gegen die Bolkestein-Richtlinie.
In einer Zeit, in der die neue EU-Kommission schamlos eine hochgradige Laissez- faire-Politik vorantreibt, müssen wir in allen europäischen Ländern einen Prozess der Mobilisierung in Gang setzen, um die Anerkennung sowohl individueller wie auch kollektiver sozialer, politischer, wirtschaftlicher, kultureller und ökologischer Rechte für Frauen und Männer gleichermaßen durchzusetzen. Um allen Menschen in Europa die Teilnahme an dieser Mobilisierung zu ermöglichen, müssen wir eine Bewegung schaffen, die unsere Differenzen überwindet und alle Kräfte in Europa vereint, die bereit sind, sich in den Kampf gegen den europäischen Neoliberalismus einzubringen.
Am 20. März 2005 jährt sich zum zweiten Mal der Beginn des Krieges gegen Irak. Am 22. und 23. März trifft sich der Europäische Rat in Brüssel. Wir rufen daher zu nationalen Mobilisierungen in allen europäischen Ländern auf. Für den 19. März rufen wir zu einer zentralen Demonstration nach Brüssel auf: gegen Krieg und Rassismus und gegen ein neoliberales Europa, gegen Privatisierung, gegen das Bolkestein-Projekt und gegen die Angriffe auf die Arbeitszeit, für ein Europa der Rechte und der Solidarität zwischen den Völkern. Wir rufen alle sozialen Bewegungen und die europäischen Gewerkschaften auf, an diesem Tag auf die Straße zu gehen.
Übersetzung aus dem Englischen: Peter Strutynski
We come from all the campaigns and social movements, “no vox” organisations, trade unions, human rights organisations, international solidarity organisations, anti-war and peace and feminist movements. We come from every region in Europe to gather in London for the third European Social Forum. We are many, and our strength is our diversity.
Today war represents the harshest and most real face of neoliberalism. The war and the occupation of Iraq, the occupation of Palestine, the massacre in Chechnya, and the hidden wars in Africa are crushing the future of humanity. The war in Iraq was justified by lies. Today Iraq is humiliated and destroyed. Iraqis are prisoners of war and terror. The occupation brought neither freedom, nor better conditions of life. On the contrary, today the supporters of the thesis of “clash of civilisation” are stronger.
We are fighting for the withdrawal of the occupying troops in Iraq, for an immediate halt to the bombing and for the immediate restitution of sovereignty to the Iraqi people.
We support the Palestinian and Israeli movements fighting for a just and lasting peace. Following the judgment of the UN International Court of Justice and the unanimous vote of the European countries in the UN General Assembly we call for an end to the Israeli occupation and the dismantling of the apartheid wall. We call for political and economic sanctions on the Israeli government as long as they continue to violate international law and the human rights of the Palestinian people. For these reasons we will mobilize for the international week of action against the apartheid wall from 9 to 16 November, and for European days of action on December 10 and 11, the anniversary of the UN Declaration on Human Rights.
The destabilisation of global climate poses an unprecedented threat to our children's future and to humanity: We support the call from environmental organisations for international action on climate change in 2005. We support the campaigns against GMOs and for safe agriculture, food and environment.
In February 2005 we will join the actions of protest against the NATO summit in Nice. We oppose the G8’s self-assumed task of global government and neo-liberal policies, and therefore we pledge to mobilise massively on the occasion of the G8 summit in Scotland in July 2005.
We want another Europe which rejects sexism and violence against women and recognises the right to choose an abortion. We support the international day of mobilisation against violence against women on 25 November and the European initiative. We support mobilisation to celebrate International Women's Day on 8 March. We support the European initiative on 27/28 May in Marseilles proposed by the World March for Women.
We stand against racism and Fortress Europe and for the rights of migrants and asylum seekers; for freedom of movement; for citizenship of residence and the closing of detention centres. We oppose deportation of migrants. We propose a day of action on 2 April 2005, against racism, for freedom of movement and for the right to stay as an alternative to a Europe based on exclusion and exploitation.
At a time when the draft for the European Constitutional treaty is about to be ratified, we must state that the peoples of Europe need to be consulted directly. The draft does not meet our aspirations. This constitution treaty consecrates neo-liberalism as the official doctrine of the EU; it makes competition the basis for European community law, and indeed for all human activity; it completely ignores the objectives of ecologically sustainable society. This constitutional treaty does not grant equal rights, the free movement of people and citizenship for everyone in the country they live in, whatever their nationality; it gives NATO a role in European foreign policy and defence, and pushes for the militarisation of the EU. Finally it puts the market first by marginalising the social sphere, and hence accelerating the destruction of public services.
We are fighting for another Europe. Our mobilisations bring hope of a Europe where job insecurity and unemployment are not part of the agenda. We are fighting for a viable agriculture controlled by the farmers themselves, an agriculture that preserves jobs, and defends the quality of environment and food products as public assets. We want to open Europe to the world, with the right to asylum, free movement of people and citizenship for everyone in the country they live in. We demand real social equality between men and women, and equal pay. Our Europe will respect and promote cultural and linguistic diversity and respect the right of peoples to self-determination and allow all the different peoples of Europe to decide upon their futures democratically. We are struggling for another Europe which is respectful of workers’ rights and guarantees a decent salary and a high level of social protection. We are struggling against any laws that establish insecurity through new ways of subcontracting work.
We are fighting for a Europe that refuses war, a continent of international solidarity and ecologically sustainable society. We fight for disarmament, against nuclear weapons, and against US and NATO military bases. We support all those who refuse to serve in the military.
We reject the privatization of public services and common goods like water. We are fighting for human, social, economic, political and environmental rights to defeat and overcome the rule of the market, the logic of profit and the domination of the third world by debt. We refuse the use of “war on terrorism” to attack civil and democratic rights, and to criminalise dissent and social conflict.
The European Social Movement supports the national mobilisation of the Italian movement on 30 October to mark the signing of the European Constitutional Treaty – against war, liberalisation and racism, to get the troops out of Iraq and for another Europe. The European Social Movement supports the national mobilisation in Barcelona against the European summit on the European constitution in January 2005. We support the mobilisation on November 11, 2004 against the Bolkestein directive.
At a time when the new European Commission shamelessly boasts a high profile of laissez-faire politics, we must start a process of mobilisation in all European countries in order to impose the recognition of both collective and individual social, political, economic, cultural and ecological rights for men and women alike. To enable all the peoples of Europe to join this process, we must build a movement that overrides our differences and groups all the forces of the peoples of Europe ready to be involved in the struggle against European neo-liberalism.
20th March 2005 marks the second anniversary of the start of the war against Iraq. On 22 and 23 March the European Council meets in Brussels. We call for national mobilisations in all European countries. We call for a central demonstration in Brussels on 19 March against war, racism, and against a neo-liberal Europe, against privatisation, against the Bolkestein project and against the attacks on working time; for a Europe of rights and solidarity between the peoples. We call all the social movements and the European trade union movements
to take to the streets on this day.
Source: http://www.fse-esf.org/
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