Keine Macht den Drohnen
Kampagne sammelt über 10000 Unterschriften, präsentiert »Wahlprüfsteine«
Von Michael Merz *
Das Euro-Hawk-Debakel, die Snowden-Enthüllungen, Krieg im Nahen Osten – Drohnen scheinen allgegenwärtig. Wieviel öffentliche Aufmerksamkeit die unbemannten Todbringer im Laufe dieses Jahres bekommen, hatten sich die Aktivisten der »Kampagne gegen die Etablierung von Drohnentechnologie für Krieg, Überwachung und Unterdrückung« im März nicht zu träumen erhofft. Zu diesem Zeitpunkt setzten sie sich erstmals zusammen und formulierten ihren Appell gegen Kampfdrohnen. »Soviel Zuspruch haben wir damals nicht voraussehen können«, sagt Michael Ebeling vom Friedensbüro Hannover. Zugute kam auch, daß sich hier klassische Friedensaktivisten mit den Gegnern von Überwachung treffen.
Am Mittwoch präsentierten die Initiatoren der Kampagne in Berlin einen Zwischenstand ihrer Arbeit: Über 10000 Unterschriften wurden bisher von derzeit 138 Unterstützergruppen und vielen tausend Einzelunterstützer gesammelt. »Teilweise ist es so, daß sich sogar Menschentrauben vor unseren Ständen bilden – alle wollen unterschreiben«, freut sich die jahrzehntelang in der Friedensbewegung aktive Laura von Wimmersperg. Darunter sind auch etliche Prominente, wie der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky, die Band Tocotronic oder Kabarettist Volker Pispers. Auch online kann man gegen die Etablierung der Drohnentechnologie unterschreiben.
Die von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) unterstützte Aktion veröffentlichte darüber hinaus »Wahlprüfsteine« zur Bundestagswahl. Acht Parteien wurden hierbei mit elf Thesen zu Drohnen konfrontiert. Die Tendenzen überraschen nicht: CDU/CSU und FDP liegen auf deutlichem Kurs für die Anschaffung von Kampf- und Überwachungsdrohnen, die SPD äußert sich differenzierter, aber oftmals schwammig und ausweichend. Grüne und Piraten sind gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen, aber bei weitergehenden Fragen – beispielsweise der Erforschung von Beobachtungssystemen – uneindeutig. Nur die Linkspartei steht zu den Forderungen der Kampagne.
Vertagt auf Ende des Jahres ist die Bundestagsentscheidung über die Anschaffung von Kampfdrohnen. »Das wird die Chance, ein Zeichen zu setzen, die Verbreitung von Drohnen zu stoppen und ein internationales Abkommen für deren Ächtung zu erreichen«, sagt Aktivistin Elsa Rassbach.
* Aus: junge Welt, Donnerstag, 12. September 2013
Dokumentiert: Statements aus der Pressekonferenz
Ergänzend zu dem doch etwas lückenhaften Zeitungsbericht dokumentieren wir im Folgenden noch zwei Statements von Teilnehmer/innen an der Pressekonferenz: von Lühr Henken (der im Bericht nicht einmal erwähnt wird) und Elsa Rassbach.
Statement von Lühr Henken (Bundesausschuss Friedensratschlag)
Wir sind alarmiert darüber, dass die Anfrage des Bundesverteidigungsministeriums nach vier Kampfdrohnen des Typs REAPER (Sensenmann) von den USA positiv beantwortet wurde. Minister Thomas de Maizière hat um eine Verlängerung der Angebotsfrist von Ende September auf Ende 2013 gebeten. Die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr wird damit konkret. Die Bundesrepublik würde mit Kampfdrohnen einen fatalen Weg einschlagen. Ich erinnere an die diesbezüglichen Warnungen der fünf deutschen Friedensforschungsinstitute in ihrem Friedensgutachten: „Da Computer jede Information viel schneller verarbeiten als Menschen, sind Automatisierung und Verselbständigung nicht aufzuhalten. Entscheidungsspielräume für Menschen verringern sich zusehends. […] Am Ende dieser absehbaren Entwicklung werden Entscheidungen über Leben und Tod an Computer abgegeben – das läuft auf die Automatisierung eines nicht erklärten Krieges hinaus.“
Die Bundeswehr will Kampfdrohnen in Auslandseinsätzen verwenden: im Gefechtsfeld an Land, aber auch auf See. Sie würden beispielsweise zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, erkämpftes Gebiet aus der Luft abzusichern, eigene militärische Stellungen in Feindesland vor Angriffen zu bewahren sowie Flugverbotszonen zu schaffen und abzusichern. Sie können im Stadt- und Ortskampf Verwendung finden und auf See zum Beispiel den Rohstoffabbau absichern. In sämtlichen möglichen Szenarien des Einsatzes von Kampfdrohnen, sei es an Land oder auf See, zeigt sich, dass sie der gewaltsamen Sicherung von Macht, Einfluss und Rohstoffen effektiver dienen sollen, als das mit herkömmlichen Kriegsmitteln bisher der Fall ist. Kampfdrohnen würden zukünftig ein zentrales Kriegsmittel darstellen.
Verteidigungsminister de Maizière betont, dass er „Menschenjagd nach US-Muster“ , also so genanntes „gezieltes Töten“ aus Verfassungsgründen ablehnt. Uns beunruhigt in dem Zusammenhang, dass der Generalbundesanwalt gezielte Drohnenangriffe von zu Terroristen erklärten Menschen im Kriegsgebiet erlaubt. Der Generalbundesanwalt ist angewiesen, die sicherheitspolitischen Ziele der jeweiligen Bundesregierungen zu teilen und unterliegt der Dienstaufsicht des Justizministeriums. Der Generalbundesanwalt wies die Klage von Angehörigen des im pakistanischen Waziristan von US-Drohnen getöteten Deutsch-Türken Bünyamin G. ab. Dieser Entscheid ist juristisch hoch umstritten, was den Kombattantenstatus des Getöteten und die Definition des Konfliktgebiets betrifft. Allerdings kam keine Kritik von der Regierung an dem Entscheid. Zu befürchten ist, dass hier juristische Schleusen geöffnet werden, die „gezieltes Töten“ weitgehend zulassen.
Wir weisen noch einmal mit Nachdruck darauf hin, dass hier rechtsstaatliche Grundsätze in Gefahr sind. Das Grundgesetz verbietet die Todesstrafe.
Wir begrüßen die Stellungnahme der fünf Friedensforschungsinstitute, die in ihrem aktuellen Friedensgutachten schreiben: „Wir wiederholen unsere Forderung, Kampfdrohnen völkerrechtlich zu ächten. Wir halten es für dringend geboten, der Entwicklung derartiger Waffensysteme einen Riegel vorzuschieben, bevor sie eine fatale Eigendynamik entfalten.“
Angesichts der Brisanz dieses völlig neuen Waffentyps bitten wir die Bürgerinnen und Bürger darum, die Einführung von Kampfdrohnen als ein für sie wahlentscheidendes Kriterium zu bewerten und nur solchen Parteien ihre Stimme zu geben, die die Anschaffung von Kampfdrohnen ablehnen.
Statement von Elsa Rassbach (deutsch-amerikanische Journalistin und Friedensaktivistin)
Wie Chemiewaffen, Landminen und Streubomben müssen auch Kampfdrohnen international geächtet werden.
Die US-Praxis der so genannten gezielten Tötungen und der Verletzung der Souveränität verschiedener Länder durch den Einsatz von Drohnen droht die internationale Rechtsordnung zu zerstören und die UN-Charta zu untergraben. Die Verbreitung von Drohnentechnologie für Krieg, Überwachung und Unterdrückung wird dazu führen, dass eine Vielzahl von Ländern ferngesteuerte Angriffe ausführen wird, mit ganz offensichtlichen Folgen für den globalen Frieden.
Die Vereinten Nationen haben eine Untersuchung gegen Drohnen-Einsätze der USA und anderer Nationen eingeleitet. Die Uno will feststellen, ob die tödlichen Angriffe gegen das Völkerrecht verstoßen. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen hat schon im März gefunden, dass die US-Drohnenangriffe die Souveränität Pakistans verletzen. Auch die Souveränität Deutschlands ist durch die US-Nutzung deutschen Territoriums für illegale Drohnenangriffe verletzt worden. Wir begrüßen deswegen die Strafanzeige von mehreren Abgeordneten der LINKEN im Bundestag gegen die Bundesregierung wegen Unterstützung des US-Drohnenprogramms.
In der aktuellen internationalen Debatte wird die Entscheidung der deutschen Regierung und des Bundestags zu Kampfdrohnen eine besonders wichtige Rolle spielen. Bisher weiß man nur von drei Ländern, die bewaffnete Drohnen zu Angriffen eingesetzt haben: Israel, die USA und Großbritannien, das seit 2008 bewaffnete US Reaper von der kalifornischen Firma General Atomic in Afghanistan einsetzt. Mit dem Anbieten der bewaffneten Drohnen an weitere europäische Verbündete, erhofft sich die US Regierung nicht nur eine "militärische Lastenteilung", sondern auch mehr internationale Akzeptanz und Legitimierung für eine Kriegsmethode, die zunehmend unter internationale Kritik geraten ist.
Bereits seit mehreren Jahren haben sich Aktivisten in den USA, in Großbritannien und in den ins Visier genommenen Ländern wie Pakistan an Hunderten von Versammlungen, Demonstrationen und Mahnwachen bis hin zu Aktionen des zivilen Ungehorsams beteiligt und auch Gerichtsverfahren eingeleitet, um politische Aufmerksamkeit auf diese neue Bedrohung zu lenken. Delegationen von US- und UK-Friedensaktivisten sind nach Pakistan und in den Jemen gefahren, um gemeinsam mit den bedrohten Bevölkerungen dort zu demonstrieren. Der Report der Universitäten von Stanford und New York „Das Leben unter Drohnen“ ("Living UnderDrones") sowie die Klage der New York Times und der American Civil Liberties Union (ACLU) gegen die US-Regierung und die Klage bei dem britischen Obersten Zivilgericht wegen Informationsaustausch britischer Geheimdienste mit den USA für gezielte Tötungen haben eine breite Öffentlichkeit gefunden.
Die Kritik an Drohnen in den USA und in Großbritannien ist nicht parteigebunden. In der UK wurde im Oktober 2012 eine multifraktionelle parlamentarische Gruppe ("All-Party Parliamentary Group on Drones") unter Führung der Konservativen und der Labour Partei gegründet, um "die rapide Verbreitung von Drohnen sowohl auf den Schlachtfeld wie im Zivilleben zu hinterfragen." Es gibt Kritiker der Drohnenkriege in beiden großen Parteien im US Kongress. Es war der republikanische US Senator Rand Paul der im Frühling eine 13-stündige Marathon-Rede (sog. Filibuster-Rede) gegen die Tötung von US Staatsbürger durch Drohnen hielt.
Die Antidrohnen-Bewegungen in den USA und in Großbritannien sind erst nach der Etablierung von Drohnentechnologie für die Kriegsführung ihrer Länder entstanden. In Deutschland wäre es noch möglich, die Verbreitung von Kampfdrohnen von vorn herein zu verhindern.
Die deutsche Regierung und der Bundestag haben eine historische Chance, in der internationalen Debatte zu Drohnen ein starkes Zeichen für die Erhaltung des internationalen Rechts zu setzen. Wenn die deutsche Regierung die Anschaffung der Kampfdrohnen durchsetzt, ist zu erwarten, dass die bewaffneten Drohnen sich in Europa und auch in anderen Ländern schnell ausbreiten werden. Wenn aber die deutsche Regierung "nein" sagt, bestünde zumindest eine Chance, eine Grundlage für ein verbindliches internationales Abkommen zur Ächtung von Kampfdrohnen durchzusetzen.
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