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"Ein Rüstungswettlauf zeichnet sich ab"

Bundeswehr will Kampfdrohnen - Wir sagen NEIN

Von Wolfgang Kirstein *

Liebe Hamburgerinnen, liebe Hamburger, liebe Gäste unserer Stadt,

hier gegenüber am Infostand des Hamburger Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung sammeln wir Unterschriften unter den bundesweiten Appell: „Keine Kampfdrohnen!“ Wir tun das, weil die Bundeswehr immer deutlicher nach diesen gefährlichen Waffen strebt.

Der zuständige Bundesminister, Thomas de Maizière, der hier beim Kirchentag auch seinen Auftritt hat und der sich immer noch Verteidigungsminister nennt, obwohl er weltweit Kriege führen lässt, hat bis vor Kurzem noch erklärt, er wolle noch vor der Sommerpause im Bundestag die Beschaffung von Kampfdrohnen beantragen. Offenbar weil das inzwischen in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird, sagt er jetzt, das hätte auch Zeit bis nach der Bundestagswahl. Er will die Frage doch wohl lieber aus dem Wahlkampf heraushalten.

Wie den Nachrichten über den Besuch von de Maizière in den USA zu entnehmen war, besorgte er sich dort gerade ein Angebot für die Kampfdrohne Predator (das heißt bezeichnenderweise Raubtier) der Hightech-Firma General Atomics und zwar deren derzeitiges Topprodukt Predator B oder Reaper (das heißt ebenso bezeichnend Schnitter oder Mähmaschine). Dieser aktuell von den USA eingesetzte Typ ist mit einer Rakete bewaffnet, die sinnigerweise Hellfire (also Höllenfeuer) heißt.

Der Minister will also vollendete Tatsachen für die Entscheidung „nach der Wahl“ schaffen. Auf den Typ der zu beschaffenden Kampfdrohne will er sich aber noch nicht festlegen. Hat er doch verlauten lassen, auch mit Israel würde verhandelt werden. Die jetzt von der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzte Aufklärungsdrohne Heron (das heißt Reiher) hat sie nämlich bei einem Konsortium aus der israelischen Herstellerfirma Israel Aerospace Industries (IAI) und der deutschen Waffenschmiede Rheinmetall geleast. Zur Zeit arbeitet IAI an der Weiterentwicklung der Heron zu einer Kampfdrohne.

Die Generalität der Bundeswehr scheint das US-Modell zu bevorzugen, weil es bewährt und sofort einsetzbar ist. Die Rüstungsindustrie würde wohl lieber das israelische Modell sehen, weil sie die Chance wittert, an dessen Entwicklung und Produktion beteiligt zu werden. Ein interessanter Konflikt im deutschen militär-industriellen Komplex zeichnet sich ab. Wir aber wollen nicht, dass die Bundeswehr mit Kampfdrohnen ausgerüstet wird, egal woher die kommen – auch nach der Wahl nicht. Deshalb müssen wir das zum Wahlkampfthema machen!

Über Luftfahrzeuge für die Aufklärung, die ohne Piloten automatisch oder ferngelenkt fliegen, kurz Drohnen, verfügt die Bundeswehr schon länger. Jetzt will sie bewaffnete Drohnen, die aufgeklärte „Ziele“ gleich mit Raketen angreifen können. De Maizière sagt, das diene dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Das mag schon sein, darin steckt aber auch das Problem: Wenn Politiker glauben, das Risiko eigener Opfer sei gering, sind sie noch eher bereit, die Bundeswehr in aggressive Auslandseinsätze zu schicken. Hinzu kommt noch, dass Kampfdrohnen billiger und leichter zu verlegen und einzusetzen sind als die sonst verwendeten bemannten Kampfflugzeuge. Und wie die USA etwa über Pakistan und dem Jemen demonstriert haben, lassen sie sich auch leicht über Staaten einsetzen, mit denen man gar nicht im Krieg ist, was man mit Kampfflugzeugen wohl kaum wagen würde, weil es politisch wie militärisch zu riskant ist.

Deshalb sagen wir: Wir lehnen Kampfdrohnen ab, weil ihr Einsatz die Schwelle zu bewaffneten Aggressionen weiter senkt.

Seit 2001 konnten wir erfahren, wie die USA bewaffnete Drohnen – etwa in Afghanistan, im Irak, in Pakistan, Somalia und Libyen – für die „gezielte Tötung“ von Personen einsetzt, die sie für „illegale Kämpfer“ oder deren Unterstützer halten – entgegen Menschen- und Völkerrecht. Und seit der Friedensnobelpreisträger Barack Obama Präsident ist, haben diese Einsätze deutlich zugenommen. Minister de Maizière sagt, dass sich die Bundeswehr auch beim Kampfdrohneneinsatz an Gesetz und Recht halten werde. Das kann man nicht erwarten, hat doch die Bundeswehr nicht nur zielstrebig vermieden, Oberst Klein wegen des von ihm befohlenen Massakers von Kundus zur Rechenschaft zu ziehen, sondern ihn jetzt auch noch zum General befördert. Das kann man auch deshalb nicht erwarten, weil die Bundeswehr – wie jede Armee im Einsatz – den Schutz ihrer Soldatinnen und Soldaten über das Völkerrecht stellen und darauf vertrauen wird, dass eine Völkerrechtsverletzung bei einem Drohneneinsatz noch schwerer nachweisbar ist als jetzt schon.

Deshalb sagen wir: Wir lehnen Kampfdrohnen ab, weil ihr Einsatz „gezielte“ Tötungen von Menschen innerhalb und außerhalb von Kriegen bedeutet – ohne Anklage, Verfahren und Urteil.

De Maizière behauptet, dass Kampfdrohnen „potentielle Ziele“ mit kleineren Waffen bekämpfen als Kampfflugzeuge, so dass „ungewollte“ Schäden besser vermieden werden können. Das lässt sich kaum nachprüfen, aber: Studien US-amerikanischer Universitäten belegen, dass die Kampfdrohneneinsätze in Pakistan und Afghanistan erschreckend viele „zivile“ Opfer fordern, auch Frauen und Kinder, und dass die Bevölkerung in den von den Einsätzen heimgesuchten Gebieten durch die ständige Bedrohung unter Angstzuständen leidet und psychisch traumatisiert wird.

Deshalb sagen wir: Wir lehnen Kampfdrohnen ab, weil ihr Einsatz die Bevölkerung betroffener Landstriche terrorisiert und sie an Leib und Leben gefährdet.

Dabei sind die derzeit im Einsatz befindlichen Kampfdrohnen nur der Einstieg in eine völlig neue Militärtechnologie: Weltweit arbeiten Forscher bereits an Konzepten für „autonome“ Kampfroboter, die selbständig die von ihnen aufgeklärten Ziele bewerten und über den Waffeneinsatz entscheiden. Es gibt sogar „Fachleute“, die behaupten, solche Roboter seien viel eher als Kampfpiloten geeignet, die völkerrechtlichen Gebote einzuhalten, weil sie ganz ohne Stress und Emotionen nach den vorgegebenen Regeln handeln. In England hat sich gerade eine Initiative von besorgten Fachleuten gebildet, die ein internationales Verbot von autonomen Kampfrobotern fordern. Denn: Mit solchen Kampfrobotern würde die Büchse der Pandora geöffnet: Wen kann man dann noch für Völkerrechtsverletzungen und außergesetzliche Hinrichtungen verantwortlich machen? Diejenigen, die den Roboter beschafft oder losgeschickt haben, oder etwa den Programmierer? Getrieben wird diese Entwicklung auch dadurch, dass die Drohnen im Einsatz bald mehr Daten erzeugen, als sich zur Bodenstation übertragen lassen. Was liegt da näher, als sie gleich onboard verarbeiten zu lassen? Hier gilt: Wehret den Anfängen!

Deshalb sagen wir:
Zur Zeit verfügen nur die USA und Israel über einsatzfähige Kampfdrohnen. Man weiß aber von etlichen Staaten, dass sie bereits an der Entwicklung von Kampfdrohnen arbeiten oder deren Erwerb anstreben. Ein Rüstungswettlauf zeichnet sich ab, ein Rüstungswettlauf, bei dem Milliarden Umsätze für die Rüstungsindustrie winken.

Deshalb sagen wir: Wir lehnen Kampfdrohnen ab, weil ihr Einsatz eine neue Rüstungsspirale in Gang setzt.

Weil noch nur sehr wenige Staaten über Kampfdrohnen verfügen, sollte man die Chance nutzen, zu einem internationalen Verbot dieser Waffen zu kommen. Wie die internationalen Übereinkommen zur Ächtung von Streumunition und Landminen zeigen, sind solche Verbote auch dann möglich, wenn zunächst einige Staaten nicht mitmachen, und sie sind auch dann ein Segen für die Menschheit. Hier könnte Deutschland endlich einmal einen positiven Beitrag zur internationalen Politik leisten.

Deshalb sagen wir: Wir fordern von Bundesregierung und Bundestag,
  • den Irrweg der Anschaffung und Produktion bewaffneter Drohnen sowie die diesbezügliche Forschung und Entwicklung aufzugeben und
  • sich für ein weltweites Verbot und die völkerrechtliche Ächtung dieser Waffen einzusetzen.
Bitte unterstützen Sie unsere Forderungen, unterschreiben Sie den Appell „Keine Kampfdrohnen!“ und helfen Sie, weitere Unterschriften zu sammeln. Unterschreiben können Sie am Stand des Hamburger Forums hier gegenüber, und Unterschriftenlisten bekommen Sie dort auch.

* Wolfgang Kirstein, Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung und Mitglied im Bundesausschuss Friedensratschlag. Die Rede wurde gehalten beim Hamburger Klotzfest aus Anlass des Kirchentags am 2. Mai 2013


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