Riskanter Protest in Pink
Friedensaktivistin Medea Benjamin über den Drohnenkrieg der USA *
Medea Benjamin ist Gründerin der Friedensorganisation Code Pink in den USA und Autorin des Buches »Drone Warfare« (Drohnenkriegsführung). Mit ihr sprach für »neues deutschland« Johanna Treblin.
Sie tragen ein pinkes T-Shirt, selbst Ihr Koffer und der Einband Ihres Schreibblocks sind pink. Warum gerade diese Farbe?
Nach dem 11. September 2001 hatte sich Präsident George W. Bush ein farbcodiertes Alarmsystem ausgedacht. Ich habe nie verstanden, wozu das gut sein sollte. Es wurde zum Beispiel nie erklärt, was wir hätten tun sollen, wenn Alarmstufe rot ausgerufen worden wäre. Es diente eigentlich nur dazu, die US-amerikanische Öffentlichkeit in einen permanenten Angstzustand zu versetzen und so gewalttätige Einsätze wie die militärische Intervention in Irak zu legitimieren. Deswegen haben ein paar Frauen mit Code Pink eine weitere Alarmstufe dazu erfunden, um darauf hinzuweisen, dass es auch gewaltfreie Wege gibt, auf den 11. September zu reagieren. Es ging auch darum, das Alarmsystem ins Lächerliche zu ziehen.
Sie stellen gerne unbequeme Fragen, zuletzt bei einer Rede von Barack Obama im Mai. Wie sind Sie in die Nationale Verteidigungsakademie in Washington hereingekommen?
Manche Geheimnisse kann ich nicht verraten. Wir haben immer wieder Freunde, die uns Eintrittskarten besorgen. Ich denke, dass wir eine Position vertreten, die Menschen in wichtigen Funktionen und in unterschiedlichen Parteien teilen, aber selbst nicht aussprechen können, weil sie beispielsweise um ihren Job fürchten. Wir stellen Fragen und heben Plakate hoch und riskieren damit, verhaftet zu werden. Was auch oft vorkommt.
Sie wurden in den vergangenen elf Jahren mehr als 50 Mal verhaftet. Welche Konsequenzen hat das?
Zum Beispiel darf ich nicht mehr nach Kanada einreisen. Oder mir oder einer der anderen Frauen von Code Pink wird der Zugang zum Capitol für sechs Monate versperrt. Deshalb brauchen wir immer neue Aktivisten, neue Leute, die sich für unsere Sache einsetzen. Frisches Blut.
Ihre Sache, das ist vor allem die Drohnenpolitik. Unter Obama gab es mehr Einsätze bewaffneter Drohnen als unter George W. Bush. Würden Sie sagen, dass Bush eher den Friedensnobelpreis verdient hätte als Obama?
Ich halte es für eine Schande, dass Obama den Friedensnobelpreis bekommen hat und dass er als Verfassungsrechtler offensichtlich nicht versteht, dass auch die globale Gemeinschaft einer Gesetzmäßigkeit unterliegen muss. Obama hat nicht nur den Einsatz von Drohnen erheblich intensiviert, er hat auch die Zahl der Truppen in Afghanistan erheblich erhöht, anstatt sie abzuziehen.
Was haben Sie im Bereich der Drohnenpolitik bisher erreicht?
Seit 2010 sind die Drohnenangriffe zurückgegangen. Das ist auf den Protest zurückzuführen. Es ist aber vor allem ein Erfolg für die Bevölkerung Pakistans und Jemens, da dort weniger Menschen getötet werden.
Präsident Obama muss in seiner zweiten und letzten Amtsperiode nicht mehr auf die nächste Wahl schielen. Machen Sie sich Hoffnung, dass er künftig seinem Friedensnobelpreis ein bisschen gerechter wird?
Er hat zum Beispiel versprochen, der CIA die Drohnen aus den Händen zu nehmen. Das hat er noch nicht gemacht, ich kann mir aber vorstellen, dass das noch kommt.
Am Freitag übergeben Sie Kanzlerin Angela Merkel eine Erklärung. Was steht da drin?
Wir schreiben die Erklärung erst im Laufe des Donnerstags bei einem internationalen Treffen mit Anti-Drohnen-Aktivisten. Aber ich nehme an, eine Forderung wird sein, dass Deutschland auf den Besitz und Einsatz bewaffneter Drohnen verzichtet. Das könnte den Rüstungswettlauf sehr verlangsamen. Eine weitere Forderung sollte sein, dass Deutschland den USA nicht mehr erlaubt, das deutsche Territorium für seinen Drohnenkrieg zu benutzen. Ramstein ist der größte US-Luftstützpunkt außerhalb der Vereinigten Staaten, und die USA nutzen ihn ohne Rücksprache mit Deutschland oder der NATO für ihren Drohnenkrieg.
Ist die deutsche Friedensbewegung zu zahm? Sollten ihre Mitglieder hier auch bei öffentlichen Veranstaltungen aufstehen und unangenehme Fragen stellen?
Die Situation in Deutschland ist eine andere als in den USA, weil es hier gewählte und im Parlament vertretene Parteien gibt, die die Positionen der Antidrohnenbewegung unterstützen. In den USA haben wir das nicht. Aber es könnte sicherlich mehr Proteste in Ramstein geben.
* Aus: neues deutschland, Freitag, 13. Dezember 2013
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