KSK-Kämpfer der Bundeswehr wieder nach Afghanistan?
Im Wortlaut: Presseerklärung aus der Friedensbewegung - "Militärische Kumpanei mit den USA in Afghanistan"
Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung aus der Friedensbewegung, die sich mit Planungen des Verteidigungsministeriums befasst, wieder KSK-Soldaten nach Afghanistan zu schicken.
So meldeten die Agenturen bereits am 10. Januar 2005:
Die Bundesregierung will das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr nicht verändern. Im Moment gebe es keine Veranlassung dazu, sagte Regierungssprecher Thomas Steg am Montag (10. Jan.) in Berlin. Es würden alle Vorkehrungen getroffen, um die Sicherheit der deutschen Soldaten zu gewährleisten. Die Opposition forderte hingegen eine Verknüpfung der Antiterror-Operation mit dem Kampf gegen Drogen.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Christian Schmidt, sagte, es wäre "eine Katastrophe für unsere Sicherheit, wenn Afghanistan statt einer Brutstätte des Terrors nun die Heroinfabrik der Welt wird". Die Bundesregierung müsse klären, welche Konsequenzen für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu ziehen seien. Das Bundeswehrmandat für Afghanistan beinhaltet nicht den Kampf gegen den Drogenanbau, der vorrangig Aufgabe der amerikanischen und britischen Truppe ist.
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte, bislang lägen keine Vorschläge vor, die eine qualitative Änderung des Mandats bedeuten würden. Insofern gebe es keine Probleme innerhalb der Koalition. Es gehe lediglich darum, die Eigensicherung der Truppe zu verstärken.
Verteidigungsminister Peter Struck will nach Medienberichten vom Wochenende mit den Parlamentsfraktionen über einen robusteren Einsatz sprechen. Geprüft werden solle unter anderem, ob die bisher auf 2.250 Soldaten begrenzte Truppenstärke erhöht werde und Spezialkräfte zur großräumigen Sicherung der Lager entsandt werden sollten."
Am 12. Januar wusste der Spiegel in einem ddp-Artikel, dass die Entsendung von KSK-Kämpfern beschlossene Sache sei:
"Nachdem sich jetzt nach den Berichten der Geheimdienste gerade für die im Norden Afghanistans eingesetzten Wiederaufbauteams der Bundeswehr 'erhebliche Gefahren' abzeichnen, werden die KSK-Männer nach zuverlässigen Informationen wieder zum Hindukusch zurückkehren.
Die USA und Großbritannien haben nach Darstellung westlicher Nachrichtendienste beschlossen, im Frühjahr mit einer Großoffensive gegen den Drogenanbau in Afghanistan vorzugehen."
Weiter heißt es in dem Artikel:
"Die KSK-Spezialisten sollen die Soldaten in Kundus und Faisabad schützen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums lehnte jede Stellungnahme zu einem erneuten Einsatz der KSK in Afghanistan ab. 'Zu operativen Einzelheiten gibt es wie immer keine Auskunft', hieß es. Nach den Informationen sollen etwa 50 KSK-Soldaten in den Norden Afghanistans entsandt werden."
Friedensbewegung protestiert gegen Verteidigungsminister Struck:
"Militärische Kumpanei mit den USA in Afghanistan"
Pressemitteilung-
Struck schickt KSK-Kämpfer nach Afghanistan ...
- ... und verstößt damit gegen Bundestags-Beschluss
- Militär gegen Drogenanbau: militärisch sinnlos - zivil kontraproduktiv
- Politische Morgengabe an Präsident Bush
Kassel, 13. Januar 2005 - "Die Absicht des Verteidigungsministers Dr.
Peter Struck, 50 KSK-Elitekampfsoldaten nach Afghanistan zu entsenden,
entbehrt jeder militärischen Logik, widerspricht den Anforderungen eines
zivilen Aufbaus im Land, stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die
Beschlusslage des Deutschen Bundestags dar und ist geeignet, Deutschland
noch tiefer in das afganische Schlamassel hineinzuziehen."
Das ist der Tenor einer Presseerklärung des Bundesausschusses
Friedensratschlag. Offenbar, so heißt es darin weiter, diene die
Ausweitung des militärischen Engagements in Afghanistan in erster Linie
der Polithygiene in den transatlantischen Beziehungen: Die "Politik" in
Berlin ist mittlerweile so weit entzivilisiert worden, dass sich die
Bundesregierung eine Wiederannäherung zwischen Berlin und Washington nur
noch in Form einer verstärkten militärischen Kumpanei vorstellen kann.
Nicht einmal in Kategorien militärischer Logik macht die Entsendung der
KSK-Einheit Sinn. Sie taugt weder zur Absicherung ziviler
Wiederaufbauprojekte noch zum Schutz der bereits im Rahmen von ISAF
stationierten Bundeswehrkontingente. KSK-Kämpfer operieren in der Regel
als örtlich nicht gebundene, offensive, blitzschnell zuschlagende
Eingreiftruppe, nicht als lokalisierbare Schutztruppe.
Militär eignet sich zudem nicht für den Kampf gegen den Drogenanbau. Das
zeigt das Beispiel Kolumbien, wo seit Jahren mit Unterstützung
US-amerikanischer Einheiten und Militär-"Berater" ein regelrechter
Drogenkrieg. Ohne jeden Erfolg, denn die neu hinzu kommenden illegalen
Anbauflächen übersteigen bei weitem die Flächen, die durch Besprühen mit
Pflanzengiften und/oder durch Vertreibung der Koka-Bauern vernichtet
werden. Das Problem wird lediglich regional verschoben. Wenn der
außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Friedhelm Pflüger am 30.
September l.J. im Bundestag forderte: "Unsere Bürger haben ein Recht auf
Sicherheit vor dem Terror aus Afghanistan; aber sie haben auch ein Recht
darauf, dass nicht Drogen aus Afghanistan Tod für unsere Kinder
bringen", dann übersieht er, dass die Hauptverantwortung für das
Drogenproblem hier zu Lande nicht in Afghanistan, sondern bei uns selbst
liegt.
Dass das Problem in Afghanistan selbst auch nicht durch Militär zu lösen
ist (vgl. hierzu unseren Anhang), hat Außenminister Fischer in der
Bundestagsdebatte um die Verlängerung des ISAF-Einsatzes in
dankenswerter Klarheit zum Ausdruck gebracht:
"Viele Familien sind vom Anbau von Schlafmohn finanziell abhängig. Sie
werden daran festhalten, wenn die Alternative schlicht und einfach darin
besteht, ansonsten kein Auskommen mehr für die Familie und damit keine
Perspektive zu haben. Diese Erfahrung wird nicht nur in Afghanistan
gemacht. Deswegen sind ökonomische Alternativen wie die Entwicklung
einer legalen Ökonomie und einer Lebensperspektive für diese Menschen
von entscheidender Bedeutung." (Bundestagsprotokoll vom 30. September 2004)
Verteidigungsminister Struck verstößt mit der Entsendung der KSK-Kämpfer
gegen den Beschluss des Bundestags. Am 30. September befürwortete der
Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit die Verlängerung des
Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Sowohl der Beschluss als auch die
Debatte machten klar, worin die Aufgaben der Soldaten liegen sollten: In
der Absicherung des politischen Stabilisierungsprozesses, insbesondere
der bevorstehenden Präsidentenwahl und der in diesem Jahr stattfindenden
Parlamentswahlen. Außerdem wurden schon zuvor zwei "Wiederaufbauteams"
nach Kunduz und Faizabad verlegt, die im Rahmen zivil-militärischer
Zusammenarbeit für die Absicherung des regionalen Wiederaufbaus
gewährleisten sollten. Welche Aufgaben den deutschen Soldaten dabei
zufallen sollten, stellte der Bundesaußenminister klipp und klar fest:
"Wir sind für den Polizeiaufbau zuständig und die Briten für die
Drogenbekämpfung."
Der Bundesausschuss Friedensratschlag sieht in den forschen Avancen des
Verteidigungsministers - der gewiss nicht ohne Rückendeckung von Kanzler
und Außenminister handelt - den Versuch, die Bundesrepublik Deutschland
wieder fester in die Front des von den USA angeführten weltweiten
"Anti-Terror-Kriegs" einzugliedern. Für den Besuch des zur Zeit
mächtigsten und gefährlichsten Mannes der Welt, George W. Bush, in
Deutschland am 23. Februar muss Berlin offenbar noch ein paar Gesten des
guten Willens und Treuegeschenke bereit halten. Bezüglich der
Solidarität mit den USA im Irakkrieg sind es die Lieferung von
Schützenpanzern und die Ausbildung irakischer Soldaten, in Afghanistan
ist es die Verstärkung der Kampftruppen. Bush soll mit der
Bundesregierung zufrieden sein.
Die Friedensbewegung hat das militärische Engagement Deutschlands in
Afghanistan immer kritisiert, weil es - wie zivile Hilfsorganisationen
immer wieder betont haben - den zivilen Aufbau eher behindert als
fördert. Dies gilt umso mehr für die Entsendung von Elitetruppen, die
nicht dem Schutz des zivilen Aufbaus, sondern dem - verdeckten - Kampf
an verschiedenen Fronten verpflichtet sind. Wenn Struck nicht
zurückgepfiffen wird, kann die Bundeswehr in Afghanistan selbst zum
begehrten Objekt paramilitärischer Angriffe werden. Vielleicht
entspricht das der Vorstellung des Verteidigungsministers, wonach die
Verteidigung Deutschlands "am Hindukusch" stattzufinden habe.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Anhang:
Auszug aus einer Erklärung verschiedener Friedensorganisationen "Nur
zivile Kooperation kann in Afghanistan helfen" vom September 2004
(...) Eine zivile Kooperation bedarf nicht des militärischen Schutzes.
Er behindert nur die zivile Kooperation, da das Militär die
Glaubwürdigkeit der Neutralität der Kooperationsorganisationen
beschädigt. Darüber hinaus gefährdet die Verquickung humanitärer und
militärischer Interessen die Arbeit der zivilen Helfer. Auch kann das
Militär keineswegs die zivilen MitarbeiterInnen vor Entführungen und
sonstigen Bedrohungen schützen, wie im Irak nur allzu deutlich wird.
Darauf verweist jüngst noch einmal die Direktorin der Diakonie
Katastrophenhilfe, Frau Cornelia Füllkrug-Weitzel (FR 13.9.2004). Das
Militär selbst ist für zivile Friedensarbeit weder ausgebildet noch
psychisch geeignet und außerdem viel zu kostspielig.
Die Mittel, die bisher für den Bundeswehreinsatz ausgegeben wurden,
sollen deshalb der zivilen Konfliktbearbeitung für geeignete
Kooperationsprojekte zur Verfügung gestellt werden. Die Federführung
könnte das Bundesministerium für Zusammenarbeit übernehmen. Damit würde
deutlich gemacht, dass die Zusammenarbeit in Afghanistan mit der
Entwicklungshilfe in anderen Ländern gleichgestellt ist und nicht mit
der militärischen Besetzung des Landes in Verbindung steht. Das BMZ hat
ebenso wie zivile Organisationen bereits wichtige Erfahrungen aus der
Arbeit in Afghanistan, die für eine verstärkte Kooperation genutzt
werden können.
Neben humanitären Aufgaben, die sich auf die Sicherung von
Grundbedürfnissen (Wasser, Gesundheit, Elementarbildung, Energie)
richten sollten, halten wir Qualifikationsprogramme für besonders
vordringlich, um kommunale Arbeit zu verbessern. Vordringlich ist auch
die Förderung von Bauern, die nach Alternativen zum Mohnanbau suchen.
Bisher scheinen die versprochenen Hilfen gerade in diesem Bereich nicht
angekommen zu sein. (...)
Quelle: www.uni-kassel.de/fb10/frieden
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