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Streit um Gelöbnis

Rund 400 Demonstranten gegen Einschwörung von Bundeswehrrekruten in Berlin. Bürgerliche Parteien sorgen sich um mediale Präsenz des Aufmarsches

Von Frank Brendle *

Insgesamt 400 Bundeswehrsoldaten legten am Freitag abend in Berlin ihr »Feierliches Gelöbnis« ab. Die Militärzeremonie löste diesmal nicht nur den Protest mehrerer hundert Antimilitaristen aus, sondern auch einen ungewöhnlichen Streit unter bürgerlichen Parteien: Diese kritisierten die Rückverlegung auf den Appellplatz des Verteidigungsministeriums. Seit 2008 hatte das Gelöbnis vor dem Reichstagsgebäude stattgefunden. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wurde das zuviel: »Das Gelöbnis immer am 20. Juli vor dem Reichstag stattfinden zu lassen, erschien dem Bundestagspräsidenten weder notwendig noch zweckmäßig«, zitierte Die Welt Lammerts Sprecher. Schließlich seien die meisten Parlamentarier am 20. Juli im Sommerurlaub. Auch diesmal machte sich die Politprominenz rar: Von Regierungsseite ließ sich außer Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) nur noch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) blicken. Auch Lammert war da. Gemäß einer neuen Absprache soll das Gelöbnis künftig in jährlichem Wechsel im Verteidigungsministerium (Bendlerblock) und vor dem Reichstag stattfinden. Dort soll ein Termin außerhalb der Sommerpause gewählt werden.

Verteidigungsminister de Maizière befürwortet diese Absprache: Der Bendlerblock stehe für militärische Prinzipien, der Reichstag für die Parlamentsarmee, deshalb sei das Pendeln zwischen beiden Orten angemessen. Andere Politiker hingegen sorgen sich darum, die Soldaten würden auf dem abgeschotteten Areal des Bendlerblocks nicht gut genug präsentiert. Es gebe keinen besseren Platz als den Reichstag, »an dem so symbolträchtige und wirksame Bilder entstehen«, sagte SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Der Wehrbeauftragte des Bundestages Hellmut Königshaus (FDP) will ebenfalls am Reichstag festhalten, schließlich sei die Bundeswehr »eine Parlamentsarmee und kein Ministerialheer«. Auch aus der Partei des Verteidigungsministers kam Kritik. CDU-Wehrexperte Bernd Siebert erklärte, »Gelöbnisse einer Freiwilligenarmee gehören nicht in die Kaserne, die Soldaten und ihr Tun müssen sichtbar bleiben.« Ebenso lehnt der Bundeswehrverband den Rückzug der Bundeswehr in den umschlossenen Ministeriumshof ab.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, plädiert gar für ein dauerhaftes Militaristenzeichen vor dem Reichstag: »Wir schlagen vor, daß zwischen Reichstag und Kanzleramt ein neues Ehrenmal gebaut wird«, erklärte Nouripour am Freitag. Die bisherige Gedenkstätte, die 2009 am Ministerium errichtet wurde, werde von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.

Einzig die Linkspartei macht sich keine Gedanken um den Gelöbnisort, sie lehnt die Zeremonie als solche ab. Das Gelöbnis sei »heuchlerisch«, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, weil die Bundeswehr nicht der Verteidigung diene, sondern »der weltweiten Intervention zugunsten deutscher Kapitalinteressen«.

Dem Aufruf zur Gegendemo waren am Freitag abend rund 200 Antimilitaristen gefolgt. Die Route führte am Sitz des Bundesverbandes der deutschen Industrie, am Außenministerium, an der britischen und US-Botschaft sowie dem Holocaust-Mahnmal vorbei, wo es jeweils Zwischenkundgebungen gab. Die Abschlußkundgebung mußte einige hundert Meter vom Bundeswehr-Appellplatz entfernt stattfinden, soll dort aber zu hören gewesen sein. Am späteren Abend gab es in Kreuzberg noch eine Videokundgebung unter dem Motto »Das Volk lacht das Militär aus«. An der nahmen ebenfalls rund 200 Menschen teil.

* Aus: junge Welt, Montag, 23. Juli 2012


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