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DER KRIEGS-GAUCK

Auf Heinrich Lübkes Spuren an der "Führer-Akademie"

Von Uli Gellermann *

"Ich habe mich", sagte der unvermeidliche Bundespräsident Gauck bei seinem Besuch an der Führungsakademie der Bundeswehr, "auf meinen Antrittsbesuch ... gefreut" Und er sei, fuhr er fort, gern an die Akademie gekommen. Um dann ein wenig später zu erzählen: "Unsere Bundeswehr hat sich von unseligen militärischen Traditionen gelöst." Weiß er wo er das erzählt hat? In einem Laden, der im August 1957 mit Ludwig Heinrich „Heinz“ Gaedcke erstmalig von einem Ex- Generalmajor der Wehrmacht kommandiert wurde, um dann in die Hände eines weiteren Generalmajors der Nazi-Armee zu geraten, dem dann alle paar Jahre Generalstabsmitglieder der Wehrmacht folgten, um dann 1974 mit Rudolf Jenett, den letzten Generalstabsoffizier einer Nazi-Fliegerformation zu erleben: Langsam wurden die Hitler-Offiziere zu alt für den aktiven Dienst. In Bundeswehrkreisen hieß die Akademie damals "Führer-Akademie", weil all ihre Kommandeure ihren Eid auf den "Führer" geleistet und natürlich auch gehalten hatten. Dass dann 1995 der bekannte Holocaustleugner Manfred Roeder dort seinen Vortrag zum Thema "Die Übersiedlung von Rußlanddeutschen in den Raum Königsberg" halten konnte, zeigt nur, wie virulent die "unseligen militärischen Traditionen" an dieser Akademie sind. Für den Gauck sind sie leider nicht sichtbar.

Nun hätte der seltsame Präsident ja in der Akademie auch etwas zum Verfassungsauftrag der Bundeswehr, unser Land zu verteidigen, sagen können. Das ist ihm wohl gerade nicht eingefallen. Statt dessen lobte er militärische Gewalt, die sinnvoll sei, "um ihrerseits Gewalt zu überwinden." Um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen, preist er die "lieben Soldatinnen und Soldaten" dafür, dass sie ihren Job "auch über die Grenzen unseres Landes hinaus" verrichten und freut sich unbändig, dass er weiß, wo die Soldaten schon überall waren: "Die Bundeswehr auf dem Balkan, am Hindukusch und vor dem Horn von Afrika, im Einsatz gegen Terror und Piraten - wer hätte so etwas vor zwanzig Jahren für möglich gehalten?" Wer hätte es, könnte einem einfallen, der am Grundgesetz festhält, vor zwanzig Jahren für möglich gehalten, dass ein Bundespräsident dem Verfassungsbruch Beifall zollt? Da musste erst der Gauck kommen.

Und natürlich macht er sich auch Sorgen, das verbogene präsidiale Verfassungsorgan, Sorgen, dass die neue Interventionsarmee im öffentlichen Bewusstsein "nicht sehr präsent" sei. Das läge sicher daran, weil der Zivilist sich einfach die "Entbehrungen" nicht vorstellen könne, denen die armen Soldaten für doppelten Sold im "Feldlager" ausgesetzt seien. Mit den Entbehrungen hat er recht: Der arme Bundeswehrsoldat, sitzt da in seinem dicken Panzer in Afghanistan und die Ziegenhirten halten nicht einmal ordentlich still wenn er Granaten auf sie abfeuert. Das entbehrt einfach jeder Kooperation zwischen Opfer und Täter. Wohl deshalb nennt Gauck die Bundeswehr eine "Armee des Volkes, im besten, im eigentlichen Sinne." Nur das Volk scheint zu doof zu sein, sich mit den Auslandskriegen dieser Armee zu identifizieren.

Wenn der Mann die Bundeswehr einen "Friedensmotor" nennt gerät er nicht ins Stottern, auch nicht, wenn er in fader Anspielung auf die Stuttgarter "Wutbüger" von den "Mut-Bürgern in Uniform" schwätzt, die offenkundig all ihren Mut aufbringen müssen, um von ihren fetten Fregatten mit Maschinenkanonen auf "Piraten" zu schießen. Als er den versammelten Offizieren dann auch noch "Gottvertrauen" wünscht, wartet man atemlos darauf, dass er endlich "Helm ab zum Gebet" kommandiert und ist ein wenig enttäuscht als der Befehl nicht kommt: Von einem deutschen Pastor hätte man mehr erwartet. Viele Erwartungen richten sich auch darauf, wie GRÜNE und SPD, die den Mann schon früh gesponsert haben, sich aus diesem Ritterkreuz-Gerede rauswinden werden.

"Der Soldat der Bundeswehr kann in die Lage kommen, einmal gegen eigene Landsleute kämpfen zu müssen. Mit diesem Problem ist ein Gefühls- und Gewissenskonflikt angesprochen, die nur Menschen mit einer festen inneren Bindung an die politische Idee der westlichen Welt und damit auch unserer Bundesrepublik lösen können." Nein, das ist nicht die nächste, noch geheime Gauck-Rede zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Das ist der O-Ton von Heinrich Lübke, der 1961 vor der selben Akademie die Offiziere auf den Kampf gegen die Soldaten der DDR einstimmte. Aber der Präsident Lübke - der, als wir noch einen richtigen Krieg führten, für seine Baustelle in Peenemünde gern KZ-Häftlinge anforderte - konnte immerhin auf seine fortgeschrittene Zerebralsklerose verweisen. Was Gauck zu seiner Entschuldigung vorweisen kann, ist ungewiss. Vielleicht eine feste innere Bindung an ein Wertesystem, in dem Kriege, von Vietnam bis zum Irak, immer nur in allerbester Absicht geführt worden sind.

PS

Der Ungeheuerlichkeiten nicht genug, mochte der furchtbare Pfarrer, vom offiziellen Skript abweichend, mündlich noch hinzufügen:

"Und dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen."

Wer also keine Gefallenen ertragen will, der ist glücksüchtig, will uns der Mann sagen. Unerträglich ist ein Bluthund an der Spitze des Staates.

* Aus: RATIONALGALERIE. Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer, 13. Juni 2012; www.rationalgalerie.de


Durchhalteparolen

Gauck – Feldprediger an der Heimatfront

Von Werner Pirker **


Sein Vor-Vorgänger Horst Köhler war wenigstens so ehrlich, den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan nicht nur mit der Verteidigung des Rechts afghanischer Mädchen auf Schulbesuch, sondern auch mit deutschen Wirtschaftsinteressen zu rechtfertigen. Auf eine solch profane Argumentation läßt sich ein Joachim Gauck natürlich nicht ein. Für den sind imperialistische Weltordnungskriege eine hochmoralische Angelegenheit. Und so ließ er auch bei seinem Auftritt vor der Führungsakademie der Bundeswehr die Gelegenheit nicht aus, seine »Freiheit in Verantwortung«-Litanei herunterzubeten.

Dabei stellte der Bundespräsident klar, daß die Freiheit, die er meint, nicht mit »Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit und Hedonismus« zu verwechseln sei. »Daß es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft nur schwer zu ertragen«, beschied Gauck seinen Landsleuten eine schlechte Kampfmoral. Blut, Schweiß und Tränen stehen seiner Vorstellung von Freiheit offenkundig näher als Glück und Wohlergehen. Was dieser Bundespräsident zum Besten gibt, sind völkische Durchhalteparolen in neoliberalen Zeiten, die an die Bereitschaft zum Krieg nach außen und zur Hinnahme von Sozialabbau im Inneren appellieren.

Daß Gauck von »Mutbürgern in Uniform« spricht, die er offenbar als das heroische Gegenteil der von ihm als wildgewordene Hedonisten verachteten »Wutbürger« betrachtet, sagt auch einiges über das Demokratieverständnis des selbsternannten Demokratielehrers aus. Das kollektive Einstehen für selbstbestimmte Interessen erscheint ihm als egoistische Verantwortungslosigkeit, der Kriegseinsatz für fremdbestimmte Interessen als gemeinnütziges Heldentum. Aktion "junge Welt ist für uns das Non plus ultra der deutschen Printmedien, ergänzt durch die Zweiwochenschrift"Ossietzky", die UZ und die "Marxistischen Blätter". Kurt Tucholsky: "Kaufen, was einem die Kartelle vorwerfen; lesen, was einem die Zensoren erlauben; glauben, was einem die Kirche und Partei gebieten. Beinkleider werden zur Zeit mittelweit getragen. Freiheit gar nicht."" Julia & Rolf, Flensburg

Der präsidiale Kriegsappell findet unter den Vertretern der Parlamentsparteien – Die Linke ausgenommen – großen Zuspruch. Das gilt vor allen für jene Passagen, in denen Gauck »eine gewisse Ignoranz der Bürger gegenüber den Streitkräften« bemängelte. Die Frage der Auslandseinsätze gehöre in die Mitte der Gesellschaft, sprach der Herr Bundespräsident dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, aus der Seele. Würde aber über die Auslandseinsätze der Bundeswehr tatsächlich in der Mitte der Gesellschaft entschieden werden, dann gäbe es längst keine mehr. So aber halten die »Volksvertreter« seit Jahren gegen den Willen einer großen Bevölkerungsmehrheit an den Kriegseinsätzen fest, lassen sie grundgesetzwidrig Deutschland von der Bundeswehr am Hindukusch und anderswo verteidigen.

Statt dem Friedenswunsch der Bürger nachzukommen, sind die politische Kaste und ihr höchster Repräsentant um die Formierung einer stabilen Heimatfront bemüht. Was der Grünen-Politiker Omid Nouripour als »offenen Diskurs über Auslandseinsätze« bezeichnet, ist nichts anderes als eine Mobilmachungskampagne, angeführt von einem Feldprediger im Präsidentenamt.

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 14. Juni 2012

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