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"Fromme Wünsche" und "falsche Signale"

Friedensbewegung übt scharfe Kritik an Regierungserklärung Schröders. Stellungnahme des Bundesausschusses Friedensratschlag

Im Folgenden dokumentieren wir eine Stellungnahme aus der Friedensbewegung zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 3. April.

Pressemitteilung
  • "Militarisierung im Schatten des Krieges"
  • Friedensbewegung übt scharfe Kritik an Regierungskurs
  • "Fromme Wünsche" und "falsche Signale"
Auf heftige Kritik ist die Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum Irakkrieg in den Reihen der Friedensbewegung gestoßen. Der Bundesausschuss Friedensratschlag sieht darin den verzweifelten Versuch der rot-grünen Koalition, das Nein zum US-Kriegskurs in ein bedingtes Ja zu verwandeln und die Gunst der Stunde zu nutzen, um durch die Hintertür die Militarisierung der Europäischen Union voranzutreiben.

Schröders positiver Bezug zur "Herrschaft des Rechts" und zum "Gewaltmonopol der Vereinten Nationen" sind reine Lippenbekenntnisse, wenn er gleichzeitig den Rechtsbrecher USA einen schnellen Sieg in ihrem Angriffskrieg gegen den Irak wünscht. Das ist ungefähr so, als würde man einem Massenmörder eine schnelle Hand bei seinem schändlichen Tun wünschen, anstatt ihm in den Arm zu fallen.

Fromme Wünsche, die eher auf Besänftigung kritischer Stimmen in den eigenen Reihen denn auf die Politik der USA abzielen, sind auch die vier Forderungen des Kanzlers für den Nahen Osten: Die "territoriale Integrität des Irak" ist doch bereits jetzt aufs Gröbste verletzt worden, wie solle sie da "erhalten " bleiben? Die "Selbstbestimmung des irakischen Volks": Wie kann sie unter einem Besatzungsregime realisiert werden? Die Ölvorkommen sollen in irakischem Besitz bleiben! Meint Schröder, dafür hätten die USA diesen aufwändigen Krieg geführt? Im Nahen Osten müsse ein "Stabilisierungsprozess" in Gang kommen - nachdem der Krieg die Verhältnisse in der Region gründlich erschüttern wird!

Auf erbitterten Widerstand bei der Friedensbewegung stößt die Absicht der Bundesregierung, die "militärischen Fähigkeiten" der EU "weiterzuentwickeln". Die Schaffung einer "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion", also eines neuen militärischen Bündnisses, das nicht der "Verteidigung", sondern eher der weltweiten Intervention dienen soll, ist die grundfalsche Antwort auf die gegenwärtige Weltlage. Die Folge dieser Politik wird nicht weniger, sondern mehr Rüstung, nicht weniger, sondern mehr Instabilität in der Welt sein.

Schröder sendet die falschen Signale aus, wenn er versucht, im Schatten des Irakkrieges wieder zur alten Agenda einer Militarisierung der EU zurückzukehren. Dem trotzigen Bekenntnis Schröders zur transatlantischen Partnerschaft im allgemeinen und zu den Übgerflugrechten im besonderen setzt die Friedensbewegung ihre Forderungen entgegen: "- Den britischen und US-Militärflugzeugen werden keine Überflugrechte gewährt. - Britische und US-Militärtransporte aus und nach Deutschland werden untersagt."

Beide Forderungen sind Bestandteil einer Unterschriften-Kampagne, die der Bundesausschuss Friedensratschlag vor wenigen Tagen bundesweit gestartet hat. Darin wird auch auf die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges hingewiesen - ein Punkt, über den die Regierungserklärung keine Silbe verliert. Im Appell der Friedensbewegung heißt es dazu: "Wir verlangen von der Bundesregierung, den Krieg als völkerrechtswidrige Aggression eindeutig zu verurteilen und sich aktiv für eine Resolution der UN-Generalversammlung einzusetzen, in der die Angreifer zum Rückzug aufgefordert werden und anderen Staaten jegliche direkte und indirekte Unterstützung des Krieges untersagt wird."

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, den 4. April 2003


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