"Wir stehen für Friedenspolitik durch Krisenprävention und kooperative Konfliktlösung" - "Europa muss seine militärischen Fähigkeiten weiterentwickeln"
Im Wortlaut: Die Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder am 3. April 2003 zur internationalen Lage
Im Folgenden dokumentieren wir die Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder vom 3. April 2003 zur internationalen Lage und den Ergebnissen des Europäischen Rates in Brüssel. Eine erste kritische Stellungnahme dazu liegt vom Bundesausschuss Friedensratschlag vor.
Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
in ihrer Verantwortung für Frieden und Sicherheit hat sich die Bundesregierung von folgenden Grundsätzen leiten lassen: Wir treten ein für die Herrschaft und die Durchsetzung des Rechts; wir stehen für Friedenspolitik durch Krisenprävention und kooperative Konfliktlösung; wir verfolgen das Ziel umfassender Sicherheit: durch multilaterale Zusammenarbeit, durch Schutz vor Risiken und Bekämpfung der Ursachen von Gewalt, durch nachhaltige Abrüstung und Entwicklung und, wo unabdingbar, auch durch polizeiliche und militärische Mittel; und schließlich: Wir setzen in internationalen Konflikten auf das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen.
Meine Damen und Herren,
auf dieser Grundlage hat Deutschland seine Verantwortung wahrgenommen: In der Europäischen Union, in der internationalen Allianz gegen den Terror, in Afghanistan und auf dem Balkan.
Erst zu Beginn dieser Woche hat die Europäische Union mit der Mission "Concordia" den Friedenseinsatz in Mazedonien von der NATO übernommen. Ich halte es für besonders bemerkenswert, dass die Europäische Union gerade in Mazedonien ihre militärische Handlungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Denn es war in Mazedonien, wo es uns mit unseren Partnern gelungen ist, einen schwelenden Konflikt einzudämmen und einen drohenden Bürgerkrieg gar nicht erst ausbrechen zu lassen. Das Beispiel Mazedonien steht für eine europäische Sicherheitspolitik, die auch militärische Mittel vorhält, um Kriege zu verhindern. Daran wollen wir uns auch in Zukunft orientieren.
Meine Damen und Herren,
unsere Verantwortung haben wir nachdrücklich im Weltsicherheitsrat wahrgenommen. Bis zum letzten Augenblick haben wir gemeinsam mit der Mehrheit der Mitglieder des Sicherheitsrates - mit Frankreich, Russland, China, aber auch mit Mexiko und Chile - alle Anstrengungen unternommen, um den Irak-Konflikt im Rahmen der Vereinten Nationen mit friedlichen Mitteln zu lösen. Wir waren und sind deshalb überzeugt: es hätte eine Alternative zum Krieg, es hätte einen Weg zur friedlichen Abrüstung des Irak unter internationaler Kontrolle gegeben. Dass dieser Weg nicht zu Ende gegangen wurde, hält die Bundesregierung nach wie vor für die falsche Entscheidung. Es stimmt: Wir haben den Krieg nicht verhindern können.
In diesen Momenten sind unsere Gedanken und unser Mitgefühl bei den Opfern dieses Krieges und ihren Angehörigen. Bei den zivilen Opfern ebenso wie bei den Opfern unter den Soldaten. Wir alle hoffen, dass eine möglichst rasche Beendigung des Krieges die Zahl der Opfer so gering wie möglich hält. Und wir wünschen, dass durch die Überwindung der Diktatur das irakische Volk seine Hoffnung auf ein Leben in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung so rasch wie möglich verwirklichen kann.
Aber jede Krise bietet auch eine Chance. Wenn wir Entwicklungen, wie sie zu diesem Krieg geführt haben, verhindern wollen, dann müssen wir die Mechanismen der Durchsetzung unserer Politik verbessern. Dieser Auftrag richtet sich vor allem an das gemeinsame Europa. Wir haben in Europa Krieg und Rivalität überwinden können. Aus dieser Erfahrung heraus langfristige Perspektiven für eine Welt der Sicherheit und der Zusammenarbeit zu entwickeln und zu verwirklichen - das ist unsere europäische Verpflichtung.
Meine Damen und Herren,
die Bundesregierung hat schon frühzeitig und aus einer Vielzahl von Gründen erklärt: Deutschland beteiligt sich nicht an diesem Krieg. Dabei bleibt es. Und das heißt: Deutsche Soldaten werden sich an Kampfhandlungen im oder gegen den Irak nicht beteiligen.
Klar ist aber auch: Deutschland steht zu seinen Bündnisverpflichtungen. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei jenen Staaten, die jetzt den Krieg gegen den Irak anführen, um Bündnispartner und befreundete Nationen handelt. Deshalb werden wir die ihnen gegebenen Zusagen einhalten. Das beinhaltet die Gewährung der Überflug- und Nutzungsrechte und den Schutz der Basen in Deutschland ebenso wie die Maßnahmen zum Schutz der Türkei.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 25. März die Auffassung der Bundesregierung bestätigt, dass es für die Beteiligung deutscher Soldaten an den AWACS-Aufklärungsflügen keines Bundestagsmandates bedarf. Gleichwohl hat die Bundesregierung - wie übrigens auch andere NATO-Bündnispartner und die Europäische Union die Türkei vor den Folgen einer militärischen Intervention im Nordirak gewarnt. Wir haben darauf hingewiesen, dass - sollte die Türkei Kriegspartei werden - eine solche Entwicklung den Abzug deutscher Soldaten aus den AWACS-Flugzeugen zur Folge haben müsste. Die Türkei hat wiederholt versichert, dass sie gegenwärtig keine Truppenstationierungen im Nordirak beabsichtigt, die über humanitäre und reine Sicherungsaufgaben hinausgehen. Wir haben keine Veranlassung, an diesem Wort der türkischen Regierung zu zweifeln.
Meine Damen und Herren,
die Bundesregierung stimmt mit der Staatengemeinschaft in dem Ziel überein, dass alles getan werden muss, um die Zahl der Opfer des Krieges im Irak so gering wie möglich zu halten. Vorrangig geht es darum, eine drohende humanitäre Katastrophe im Irak zu verhindern.
Die Bundesregierung unterstützt die Vereinten Nationen bei ihren Vorbereitungen, humanitäre Nothilfe zu leisten - wo immer dies derzeit möglich ist. In der vergangenen Woche hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig eine Wiederaufnahme des Hilfsprogramms "Öl für Lebensmittel" beschlossen. Diese - übrigens unter maßgeblicher deutscher Mitwirkung - erzielte Einigung erlaubt es dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, für zunächst 45 Tage das Hilfsprogramm in eigener Regie und enger Abstimmung mit den Verantwortlichen vor Ort weiterzuführen. Die Bundesregierung erwartet, dass damit auch die bereits vom Sanktionsausschuss der Vereinten Nationen gebilligten Lieferungen von Nahrungsmitteln und Hilfsgütern rasch ihre Empfänger erreichen.
Das wird jedoch bei weitem nicht ausreichen, um die humanitäre Notlage zu bewältigen, die der Krieg hervorruft. Generalsekretär Kofi Annan hat die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu schneller und großzügiger Hilfe aufgerufen. Deutschland ist bereit, sich unter dem Dach der Vereinten Nationen mit zusätzlichen Mitteln an der humanitären Hilfe im Irak zu beteiligen. So haben wir die für humanitäre Hilfe vorgesehenen Mittel von 40 auf 80 Millionen Euro aufgestockt. Weitere 10 Millionen Euro werden aus Mitteln des Bundesministeriums für Zusammenarbeit und Entwicklung für die Flüchtlings- und Nothilfe bereitgestellt.
Meine Damen und Herren,
die Vereinten Nationen müssen die zentrale Rolle spielen, wenn es darum geht, die Zukunft des Irak und die politische Neuordnung des Landes nach einem Ende dieses Krieges zu gestalten. Ich warne allerdings davor, schon jetzt über Einzelheiten eines möglichen und nötigen Wiederaufbaus des Irak zu spekulieren. Denn "Wiederaufbau", das ist mehr als die Reparatur von Gebäuden, Ölquellen und Infrastruktur. Der wirkliche Wiederaufbau der Gesellschaft ist nicht allein mit ein paar Unternehmenskonzessionen getan. Schon deshalb wird es wichtig sein, unabhängig von der finanziellen Verantwortung, die Unterstützung der gesamten internationalen Gemeinschaft zu mobilisieren. Und es ist unabdingbar, dass jeder Wiederaufbauprozess unter der Verantwortung der Vereinten Nationen organisiert wird.
Für die Schaffung einer gerechten und demokratischen Nachkriegsordnung im Irak und der gesamten Region erscheint mir dabei Folgendes wesentlich:
Erstens: Die territoriale Integrität des Irak muss erhalten bleiben. Seine Unabhängigkeit und politische Souveränität muss vollständig wiederhergestellt werden.
Zweitens: Das irakische Volk muss über seine politische Zukunft selbst bestimmen. Die Rechte der dort lebenden Minderheiten müssen gewahrt werden.
Drittens: Die Ölvorkommen und natürlichen Ressourcen des Landes müssen im Besitz und unter der Kontrolle des irakischen Volkes bleiben und diesem zugute kommen.
Viertens: Im Nahen und Mittleren Osten muss ein politischer Stabilisierungsprozess in Gang kommen, der für alle in der Region lebenden Völker eine Perspektive auf ein Leben in Frieden und Wohlstand eröffnet.
Dazu gehört vor allem eine Lösung des Nahostkonflikts im Rahmen einer stabilen Friedensordnung, welche das Existenzrecht Israels garantiert und den Palästinensern einen unabhängigen, lebensfähigen und demokratischen Staat ermöglicht. Zentrale Voraussetzung dafür ist die rasche Veröffentlichung des vom so genannten Nahost-Quartett erarbeiteten "Friedensfahrplans" und dessen Annahme durch die Konfliktparteien. Das heißt unmittelbar, dass die Gewalt wirksam eingedämmt, dass die Reformschritte in der palästinensischen Selbstverwaltung vorangetrieben und der israelische Siedlungsbau gestoppt werden müssen.
Meine Damen und Herren,
ich habe von unserer Verantwortung gesprochen, die über den augenblicklichen Konflikt hinausweist. Auf seiner außerordentlichen Tagung nach den Terroranschlägen auf New York und Washington hat der Europäische Rat am 21. September 2001 unter anderem beschlossen, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik weiter auszubauen und aus der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik "umgehend ein einsatzbereites Instrument" zu machen. Als Ziel haben die europäischen Staats- und Regierungschefs die "Integration aller Länder in ein gerechtes weltweites System für Sicherheit, geteilten Wohlstand und weitere Entwicklung" genannt. An diesem Ziel halten wir fest.
Aber wir müssen auch erkennen, dass es mit der Proklamation von Zielen nicht getan ist. Weltweite, grenzüberschreitende Risiken nehmen eher zu als ab. Die Entwicklung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen haben ein höheres Ausmaß angenommen als selbst zu Zeiten des Kalten Krieges. Diesen Risiken können wir nur multilateral begegnen, indem wir uns dem Thema der "Sicherheit" umfassend nähern: als Sicherheit im politischen und sozialen, im militärischen, aber auch im kulturellen und ökologischen Sinne.
Gleichzeitig aber müssen wir davon abkommen, auf die Bedrohung etwa durch Massenvernichtungswaffen stets nur punktuell zu reagieren. Der Konflikt um den Irak und sein mögliches Waffenpotential muss der Staatengemeinschaft eine Lehre sein, neue Ansätze zur Stärkung multilateraler Regelungen der Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle und der dazu gehörenden Verifikationsmechanismen zu entwickeln.
Niemand darf sich bei der Verbreitung von Material, das zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen taugt, damit herausreden können: Wenn man es selbst nicht exportiere, werde das doch der Nachbar tun. Deshalb brauchen wir umgehend eine weitergehende Vereinheitlichung des Ausfuhrsystems innerhalb der Europäischen Union. Dies wäre ein wichtiger Anfang und ein deutliches Zeichen für andere Akteure in der Welt - vor allem aber für die potentiellen Abnehmer.
Wir werden dem Problem der Proliferation eben nicht allein mit moralischen Argumenten beikommen können - so wesentlich diese auch sind. Vielmehr brauchen wir eine umfassende, multilaterale Politik für mehr Sicherheit und mehr Gerechtigkeit in der Welt. Ob Freihandel, Klimaschutz oder Terrorismus-Bekämpfung: Der Multilateralismus ist nicht am Ende. Wir müssen klar machen: Die Probleme des 21. Jahrhunderts können nur multilateral gelöst werden.
Meine Damen und Herren,
Deutschlands Platz bei der Durchsetzung von Frieden und Sicherheit ist in der Staatengemeinschaft, in unseren Bündnissen und vor allem in Europa.
Die Vereinten Nationen sind nicht "irrelevant" geworden. Im Gegenteil: sie werden nach den kriegerischen Auseinandersetzungen bei der humanitären Hilfe und beim Wiederaufbau des Irak eine wichtige Rolle spielen. Unsere Politik ist es, die Vereinten Nationen - auch durch weitere und durchgreifende Reformen - zu stärken und ihr Gewaltmonopol in internationalen Konflikten zu behaupten.
Wir stehen zu unserem Engagement im transatlantischen Bündnis. Die NATO hat als Bündnis gemeinsamer Verteidigung und gegenseitigen Beistands keineswegs ausgedient. Es gilt aber, dieses Bündnis den neuen Bedrohungen und Konfliktstellungen in der Welt anzupassen - womöglich noch stärker, als wir das bereits getan haben. In jedem Fall muss die NATO wieder zu einem Ort intensiverer gegenseitiger Konsultation, gemeinsamer Analyse und konstruktiver Prävention werden.
Wenn wir aber wollen, dass - übrigens auch innerhalb der NATO - unsere Interessen und Vorschläge mehr Gehör finden, dann müssen wir in erster Linie Europa dazu in die Lage versetzen: und zwar als ein Europa, das mit einer Stimme spricht. Dabei werden wir auf Dauer nicht trennen können zwischen unserem gemeinsamen Bemühen um Sicherheit und unseren Anstrengungen für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. Wir sehen schon heute, wie sehr die Unsicherheit durch den Krieg überall in Europa die Wachstumshoffnungen zunichte macht.
Und natürlich wissen wir, dass Europa in der augenblicklichen internationalen Krise nicht die Einigkeit an den Tag gelegt hat, die wünschenswert gewesen wäre. Ich gebe allerdings zu bedenken: Die Regierungen mögen nicht in allen Fragen einer Meinung sein. Die europäischen Gesellschaften sind in ihrer Ablehnung des Krieges aber durchaus einig.
Meine Damen und Herren,
die Herausbildung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik steht erst am Anfang. Wenn wir wollen, dass Europas Stimme in der Welt vernehmlicher und wirkungsvoller wird, müssen wir uns auf einen langwierigen Prozess und auch auf gelegentliche Rückschläge einrichten. Das ändert aber nichts daran, dass es zu dieser gemeinsamen Politik keine vernünftige Alternative gibt.
Die europäische Integration war die Antwort auf Krieg und Zerstörung auf unserem Kontinent. Es wäre fatal, wenn dieses integrierte Europa gerade angesichts neuer Ungleichgewichte in der Welt seiner Verantwortung nicht gerecht würde. Deshalb müssen wir eine wirklich gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln, die Europa auch faktisch in die Lage versetzt, mehr Verantwortung zu übernehmen. Das könnte mit bald 25 Mitgliedstaaten noch schwieriger sein als heute mit 15 Staaten. Nur darf das kein Argument sein, die historische Chance der Einheit des ganzen Europa zu verzögern.
Vor diesem Hintergrund habe ich gemeinsam mit Präsident Chirac dem Europäischen Konvent vorgeschlagen, das Amt eines europäischen Außenministers zu schaffen, also die Aufgaben, die heute von Javier Solana und Chris Patten wahrgenommen werden, zusammenzuführen. Der europäische Außenminister soll die gemeinsamen europäischen Interessen herausarbeiten und Initiativen für gemeinsames Handeln ergreifen. Nach unserer Vorstellung soll in den meisten Bereichen darüber mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt werden. Dieser französisch-deutsche Vorschlag ist im Konvent gut aufgenommen worden.
Aus den Aufgaben, die uns in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zufallen, ergibt sich auch, dass wir ernsthaft über unsere militärischen Fähigkeiten nachdenken müssen. Dabei geht es nicht darum, dass wir auf die gegenwärtige Krise eindimensional, mit einer bloßen Steigerung unserer Rüstungshaushalte, antworten sollten. Und es kann auch nicht darum gehen, nun mit Macht zu dem aufschließen zu wollen, was etwa die Vereinigten Staaten für ihren Militärhaushalt aufwenden. Europa sollte nicht daran denken, sich für eine Rolle als "Weltpolizist" zu rüsten. Aber Europa muss seine militärischen Fähigkeiten so weiterentwickeln, dass sie unserem Engagement und unserer Verantwortung für Konfliktprävention und Friedenssicherung entsprechen.
Der belgische Ministerpräsident hat nun zu einem Treffen eingeladen, um die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiter voranzubringen. Auch in diesem Bereich haben Deutschland und Frankreich dem Europäischen Konvent gemeinsame Vorschläge gemacht. Wir denken an eine engere Zusammenarbeit bei der Entwicklung der militärischen Fähigkeiten, bei den Planungs- und Entscheidungsstrukturen sowie in der Rüstungsindustrie.
In der Perspektive wollen wir die Fortentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion. Denkbar ist, als einer der ersten Schritte, dass sich in Zukunft europäische statt nationale Truppen an Blauhelm-Einsätzen der Vereinten Nationen beteiligen.
Mir ist in der gesamten Diskussion zweierlei wichtig:
Zum einen: Niemand kann und soll ausgeschlossen werden. Je mehr Mitgliedstaaten sich bei Fortschritten in der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen, desto besser für das Ganze. Dabei ist es mir besonders wichtig, auch Großbritannien, das in der Vergangenheit immer wieder wichtige Impulse für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegeben hat, in diesen Prozess eng einzubeziehen.
Und zweitens: Die Stärkung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik richtet sich nicht gegen die NATO, sondern sie dient dem Bündnis und damit den transatlantischen Beziehungen, die auch künftig für uns als Deutsche und Europäer von zentraler Bedeutung bleiben. Ein starkes Europa ist im beiderseitigen Interesse, und im Interesse der von uns gemeinsam vertretenen Werte in der Welt.
Meine Damen und Herren,
es ist sicher richtig, dass es auch beim Ausbau unserer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik insbesondere auf eine enge französisch-deutsche Zusammenarbeit ankommt. Deutschland und Frankreich bleiben der Motor der europäischen Integration. Der erreichte Grad an Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Staaten gehört zu den wenigen erfreulichen Entwicklungen der augenblicklichen Situation.
Allerdings ist ebenso klar: Ohne umfassende Zusammenarbeit mit Großbritannien und auch den anderen Mitgliedern des gemeinsamen Europa werden wir die internationale Verantwortung nicht tragen können, die zu Recht von uns erwartet wird. Und ebenso deutlich ist es gerade in der gegenwärtigen Krise geworden, dass der Weg, auf Grundlage gemeinsamer Prinzipien eine enge Zusammenarbeit mit Russland zu suchen, richtig war und zukunftsweisend ist.
Meine Damen und Herren,
Europa muss auch dafür Sorge tragen, dass die kriegsbedingten Risiken nicht die gesamte Weltwirtschaft aus dem Lot bringen. Der Europäische Rat hat vor zwei Wochen hier genau das richtige Signal zum richtigen Zeitpunkt gesetzt. Wir haben gemeinsam mit den Beitrittsländern klar gemacht, dass die Europäische Union im Rahmen der so genannten Lissabon-Strategie ihre Wachstumskapazitäten zur Schaffung von Wohlstand und Beschäftigung trotz schwieriger ökonomischer Rahmenbedingungen weiter erhöhen wird. Dabei geht es um weitere Fortschritte im Binnenmarkt, bei Forschung und Entwicklung, bei der Reform der Arbeitsmärkte, um Bildung und um einen effektiveren Umweltschutz.
Diese Strategie ist eng mit unserer nationalen Reform Agenda 2010 verknüpft. Gerade in einer schwierigen Situation brauchen wir diese Reformen. Wir werden sie zügig umsetzen, damit wir unser Gesellschaftsmodell, das auf Teilhabe und Gerechtigkeit beruht, auch in Zukunft bewahren können.
Ich danke Ihnen.
Quelle: Homepage der Bundesregierung (www.bundesregierung.de)
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