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Der Appell aus Hiroshima

Zuwachs für Bewegung gegen Kernwaffen

Von Reiner Braun, Hiroshima *

Aus Anlass des 69. Jahrestags des Abwurfs der ersten Atombombe treffen sich in der japanischen Opferstadt Hiroshima Teilnehmer aus aller Welt zu einer internationalen Friedenskonferenz.

Die Stadt rüstet sich für das Gedenken an die Opfer. Sie wird festlich geschmückt, der Friedenspark für die große Erinnerungsfeier hergerichtet, die Schulen feierlich dekoriert, die Kirchen bereiten die unterschiedlichen Gottesdienste vor. Es ist fast wie immer in den vergangenen Jahren – trotzdem sind Veränderungen fast körperlich spürbar und werden auf der internationalen Konferenz gegen Atomwaffen von Teilnehmern aus aller Welt deutlich ausgesprochen: Es sind die Gefahren, die sich aus der aktuellen Konfrontation ergeben. Dazu gehört sicher die »neue« japanische Interventionspolitik, die stark an den Beginn der kriegerischen deutschen Außenpolitik in den 1990er Jahren erinnert. Mit Lügen und Verharmlosungen soll die Militarisierung Japans gegen den zähen Widerstand der Bevölkerung durchgesetzt werden. Diese hält fast verzweifelt an dem »Pazifisten-Paragrafen 9« der Verfassung fest.

Konfrontation ist das Stichwort, das die zugespitzte internationale Situation zum Ausdruck bringt. In japanischen Friedenskreisen wird dies vor allem auf die Lage in Südostasien bezogen, auf die Provokationen besonders zwischen China, Japan, Süd- und Nordkorea und Vietnam sowie die Einkreisungspolitik der USA, die die Region immer öfters an den Rand eines Krieges bringen. Kriege wie die in der Ukraine, Gaza, Syrien, Irak aber auch Afghanistan werden in ihrer Dimension als Gefahr für den Weltfrieden wahrgenommen.

Berührend sind die vielfältigen Aktivitäten der japanischen Friedensbewegung – an der zentralen Hiroshima-Veranstaltung nahmen 7000 Menschen teil –, um die Notwendigkeit der Abschaffung aller Atomwaffen immer wieder mit großer Unterstützung der Bevölkerung zu thematisieren. Junge Menschen in großer Zahl engagieren sich mit vielen Aktionsformen. Erfolge wie die neue ständige UN-Kommission zur Abschaffung aller Atomwaffen, die Anti-Atomwaffenaktivitäten der blockfreien Staaten, die Staatenkonferenzen zu »humanitären« Konsequenzen der Atomwaffen, die Beschlüsse der UN-Vollversammlung, die weltweite Isolierung der Atommächte werden immer wieder genannt.

Negative Entwicklungen, vor allem die ungehemmte Modernisierung der Kernwaffen durch alle Atomwaffenmächte und die Bewegungslosigkeit der fünf offiziellen Atommächte bei der nuklearen Abrüstung – die Verschrottung alter Atomwaffen ist nur eine partielle Abrüstungsleistung – , werden zwar gesehen, aber nicht in ihrer ganzen Tragweite wahrgenommen. Große Hoffnungen werden erneut in die Konferenz über den Atomwaffensperrvertrag 2015 gesetzt. Mit 15 Millionen Unterschriften wollen mehr als 1000 Aktivisten nach New York reisen, um am Gegengipfel und Protestdemonstrationen teilzunehmen sowie bei den Vereinten Nationen und den internationalen Delegationen »Druck zu machen« für eine Nuklearwaffenkonvention.

Auffällig auf der Hiroshima-Friedenskonferenz ist aber auch das fast vollständige Fehlen der Hibakushas (Atomwaffenopfer) der ersten Generation; umso dramatischer und erschütternder sind die Berichte über die massenhaften frühen Todesfälle u.a. durch Krebs oder die vielfältigen Missbildungen bei ihren Töchtern, Söhnen und Enkeln, den Hibakushas der zweiten und dritten Generation.

Eindeutig ist jetzt auch in Japan, die Absage an die Atomenergie. Die Folgen von Fukushima – die Katastrophe übertrifft in den Konsequenzen bei weitem die Auswirkungen von Tschernobyl – sind noch lange nicht vollständig erkennbar. Erkennbar aber ist, dass junge Menschen in die Anti-Atomwaffenbewegung hineinwachsen, die im besten Sinne des Wortes eine Volksbewegung ist, die sich verantwortlich fühlt für die Gesellschaft – kreativ, vielfältig und ausdauernd. Wir können sicher vieles von ihr lernen. In Erinnerung bleibt so nicht nur der zerstörte Dom und die ungeheure Freundschaft der Japanerinnen und Japaner, sondern die Aufgabe, auch bei uns diese Bewegung intensiv weiter zu entwickeln und die Abschaffung aller Atomwaffen auf der politischen Tagesordnung zu halten.

* Der Autor ist Geschäftsführer der Initiative »Internationale Juristen und Juristinnen gegen den Atomkrieg« (IALANA).

Aus: neues deutschland, Mittwoch 6. August 2014



Gedenken an Opfer von Hiroschima

Friedensgruppen erinnern bundesweit an US-Atombombenabwürfe auf japanische Städte vor 69 Jahren **

Am 6. August 1945 warf ein Bomber der US-Luftwaffe die erste Atombombe weltweit auf die japanische Großstadt Hiroschima, drei Tage später explodierte eine weitere über dem 420 Kilometer entfernten Nagasaki im Süden des Landes. 200000 Menschen starben damals sofort, unzählige wurden schwer verletzt. 69 Jahre danach erinnern am heutigen Mittwoch Friedensgruppen in ganz Deutschland daran. Auf rund 60 Kundgebungen, Mahnwachen und Veranstaltungen wollen sie zugleich ihre Forderung nach einem Abzug aller Atomwaffen bekräftigen, wie das Netzwerk Friedenskooperative am Dienstag mitteilte. Weiter verlangen sie einen Stopp der Modernisierungspläne für die hier stationierten Nuklearsprengköpfe, die weltweite Ächtung solcher Waffen wie auch eine Abschaltung aller Atomkraftwerke. Am Militärstützpunkt Büchel bei Cochem in Rheinland-Pfalz lagern noch immer rund 20 Atomwaffen. Gerade die aktuellen Auseinandersetzungen um die Ukraine, bei denen sich »Rußland und NATO wie zu Zeiten des Kalten Krieges gegenüberstehen«, erhöhten das Risiko eines Einsatzes der Waffen »oder eines Unfalls«, sagte Philipp Ingenleuf vom Netzwerk am Dienstag in Bonn.

Der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski erinnerte daran, daß einer 2013 veröffentlichten Studie der Organisation »Pax Christi« zufolge neben 290 weltweit agierenden Finanzdienstleistern auch acht deutsche Institute mit insgesamt knapp 7,6 Milliarden Euro an der Finanzierung von Atomwaffenherstellern beteiligt sind.

Das Münchner Friedensbündnis konstatierte, daß sich die Beschlüsse von Bundesregierung und Bundestag zum Abzug der in Deutschland stationierten Atomwaffen »als leere Versprechungen erwiesen« haben. Weiter verwies die Gruppe auf die langfristigen Gefahren, die von Uranmunition ausgeht, die von den USA und Großbritannien in allen NATO-Kriegen seit 1991 eingesetzt wurde – »im Irak, in Bosnien, Serbien, Kosovo, Afghanistan, wahrscheinlich auch in Libyen«.

** Aus: junge Welt, Mittwoch 6. August 2014

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