Auf der Suche nach der Nulllösung
Wie die Zivilgesellschaft Druck auf die Abrüstungspolitik machen will
Von Hubert Thielicke *
Wie ist nukleare Abrüstung zu erreichen?
Was kann die Zivilgesellschaft
tun? Das diskutierten am Mittwochabend
in der Humboldt-Universität
Parlamentarier, Wissenschaftler, Vertreter
nichtstaatlicher Organisationen.
Das Auditorium war überfüllt –
nach Meinung der Organisatoren eine
der größten Berliner Veranstaltungen
über Abrüstung seit Langem.
Jetzt sollten die günstigen internationalen
Bedingungen genutzt
werden, um auf eine globale nukleare
Nulllösung hinzuarbeiten,
meint Tadatoshi Akiba, ehemaliger
Bürgermeister von Hiroshima und
heute Vorsitzender der »Middle
Powers Initiative«, eines internationalen
Netzwerks nichtstaatlicher
Organisationen. Die nukleare Abschreckung
müsse durch eine kooperative
und gemeinsame Sicherheit
ersetzt, die jährlich für nukleare
Aufrüstung ausgegebenen über
100 Milliarden Dollar sollten für
zivile Zwecke genutzt werden. Auf
das Missverhältnis zwischen den
gewaltigen Ausgaben für Rüstungszwecke
und den geringen Mitteln für internationale Abrüstungsinstitutionen
wies Randy Rydell vom UN-Sekretariat hin. Gemeinsam
müssten nichtstaatliche Organisationen und die an nuklearer
Abrüstung interessierte Staatenmehrheit
auf die Kernwaffenmächte
einwirken.
Die gefährlichen Folgen eines
nuklearen Krieges erläuterte Lars
Pohlmeier, Vorsitzender der Internationalen
Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). Nötig sei
es, mit Verhandlungen über einen
globalen Vertrag zum Verbot der
Kernwaffen zu beginnen und in
verschiedenen Weltregionen die
Verbreitung von Kernwaffen zu verhindern.
»Wir müssen aber bei uns in Deutschland mit der Abschaffung der Nuklearwaffen anfangen. Doppelstandards
darf es hier nicht geben«, so Pohlmeier.
Immerhin seien auf deutschem
Boden US-amerikanische Atombomben
stationiert, betreibe
Deutschland eine Politik der »nuklearen
Teilhabe«.
Einmütig sprachen sich die
Teilnehmer der anschließenden
Podiumsdiskussion für den Abzug
dieser Waffen aus – von der Medizinstudentin
über Abrüstungs- und Rechtsexperten
bis zur Parlamentarierin. Auf den eklatanten Widerspruch zwischen der Erklärung der NATO für eine
kernwaffenfreie Welt und das gleichzeitige Festhalten an nuklearer
Erstanwendung und Teilhabe
verwies etwa die Bündnisgrüne
Agnieszka Brugger, jüngste Abgeordnete
des Bundestages. Mutige
Entschlüsse seien nötig. Warum
nicht über eine kernwaffenfreie
Zone in Europa sprechen? Solche
Themen dürften nicht von vorn herein
als »naiv« abgeblockt werden.
Ihre Fraktion habe dieser Tagen
eine Bundestagsdebatte zum Thema
»Konsequent vorangehen für
eine atomwaffenfreie Welt« angeregt.
Die Bundesregierung habe es
bisher versäumt, die Chancen zur
nuklearen Abrüstung zu nutzen,
kritisierte die Abgeordnete.
Deutschland solle dem Beispiel
anderer Staaten folgen, forderte
Otto Jäckel von den Juristen und
Juristinnen gegen Atomwaffen
(IALANA). So hätten die NATO-Staaten
Kanada und Griechenland auf die nukleare Teilhabe verzichtet.
Österreich habe sich nach einem
Volksentscheid per Gesetz zum nuklearfreien Land erklärt.
Seine Organisation klagte 2010 beim Verwaltungsgericht Köln gegen
die Bundesregierung, so Jäckel, weil der Umgang der Bundeswehr
mit US-Atombomben am Standort Büchel gegen ihre Verpflichtungen
aus dem Kernwaffensperrvertrag verstoße.
Diese Waffen könnten angesichts der NATO-Verpflichtungen
nicht einseitig abgezogen werden, meinte demgegenüber die Vertreterin
des Auswärtigen Amtes. Die Regierung werde sich im Rahmen
ihrer Möglichkeiten weiter für Abrüstung
einsetzen. Großes Interesse fand die von der IPPNW-Expertin
Xanthe Hall vorgetragene Initiative »Wir sehen uns in Büchel« für
eine kreative Protestaktion am 11. und 12. August.
www.atomwaffenfrei.de
* Aus: neues deutschland, Freitag, 22. Februar 2013
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