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Tausende Antifaschisten blockierten Nazis in Dortmund

Stopp trotz Karlsruher Erlaubnis und polizeilicher Milde

Von Ulrich Sander *

In der Liste der Städte, in denen Naziaufmärsche von Antifaschisten blockiert wurden, könnte bald auch Dortmund Aufnahme finden. Lange vor dem 4. September hat das bundesweite Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ einen Blockadeaufruf herausgegeben. Dessen Strategie ist weitgehend aufgegangen, wenn auch nur mit unfreiwilliger Hilfe der Polizei. Vor allem wirkte sich erfolgreich aus, dass über 40 Veranstaltungen von Initiativen und Vereinigungen in Dortmund am 4. September den Nazis für ihren 6. bundesweiten „Nationalen Antikriegstag“ die Räume streitig machten. So konnte die Polizei den Nazis wenig Platz zum Marschieren und Hetzen bieten.

Und dann blieb das Marschieren ganz aus, und die 500 angereisten Braunen wurden per Polizeibus und Gefangenentransporter in die Hafennähe gebracht, wo drei Stunden lang Reden gehalten wurden, die von einer Qualität waren, dass die Nazis bis auf 20 vorzeitig den Platz verließen. Die Herrschaften waren frustriert, weil die Blockaden bereits auf dem Hauptbahnhof wirkten, so dass nur mit Hilfe brutaler Polizeieinsätze gegen die Antifaschisten und mildtätigen behördlichen Geleites die „Nationalisten“ aus dem Zug und in die Busse gerieten. Die Straße blieb ihnen verwert. Eine weitere große Gruppe von 500 Nazis hatte es vorgezogen, nicht in den blockierten Bahnhof zu fahren, sondern in einem Dortmunder Vorort auszusteigen. Doch ihr Marsch zum Zentrum wurde von der Polizei gestoppt und Richtung Hamm umgeleitet. In Dortmund hatten schon Blockierer gewartet. Diese protestierten ungeachtet massiver Versammlungsverbote, Massenfestnahmen, Polizeikessel, Platz- und Ortsverweise.

Doch die Dortmunder Probleme bleiben bestehen. Jahrelang haben Stadt und Polizei in Dortmund zugesehen, wie die rechte Gewalt in der Stadt zunahm, linke Jugendliche und Migrantinnen und Migranten auf offener Straße angegriffen wurden und dann ganze Straßenzüge unter die Kontrolle von Neo-Nazis und „Autonomen Nationalisten“ gerieten. Unter Beteiligung der Stadt haben jedoch in den letzten Monaten Koordinierungen von Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und anderen Gruppen, auch der VVN-BdA und des Bündnisses Dortmund gegen Rechts, gegriffen, so dass eine ständige Aufklärungsarbeit und andauerndes Widerstehen den Nazigruppen ihre Grenzen aufzeigen. Denn in und um Dortmund sind inzwischen gut 150 Nazis von jetzt auf gleich mobilisierungsfähig. Da ist es notwendig, die auswärtigen Nazikader wie am 4. September zu vertreiben – und gleichzeitig das alltägliche Netzwerk gegen rechts immer fester zu knüpfen.

Es wächst die Unzufriedenheit mit der Rolle der Polizei in diesem Prozess. Wenn eine Familie genervt vor den Drohungen der Nazis zurückweicht und den Schwerpunktstadtteil Dorstfeld verlässt, zuckt man die uniformierten Schultern. Bei Überfällen der Rechten auf linke Szenelokale erscheint die Polizei oft zögerlich. So auch wenige Tage vor dem „Nationalen Antikriegstag“ – es muss hier nicht ausführlich betont werden, dass es besser „Kriegstag“ heißt –, als nur ein kleiner Teil einer brutalen Schlägertruppe gefasst werden konnte. Dabei auch jener Falko Wolf aus Aachen, der in Dortmund das Nazitreffen mit vorbereitete und zugleich gefährliche Splitterbomben für den Einsatz gegen Linke bastelte. In Berlin war er damit aufgefallen. Und nun endlich, fünf vor zwölf entschloss sich Polizeipräsident Hans Schule, den Naziaufmarsch zu verbieten, konnte damit aber wieder mal das Bundesverfassungsgericht nicht überzeugen, das den Nazis insofern recht gab, dass Wolfs Aktivitäten keine ausreichende Gefahrenprognose zulasse. (Schulze hatte nur mit Gewaltbereitschaft der Nazis und nicht mit Volksverhetzung argumentiert.) Nur wenige Dortmunder Demokraten haben Verständnis für das Verfassungsgericht, und immer mehr verurteilen auch die mangelnde Verbotsbereitschaft der Polizei gegen Rechts. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt einmal mehr: Wir müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen. Das offene und aktive Blockieren als Akt des zivilen Ungehorsams bleibt notwendiges und richtiges Mittel, Nazidemos tatsächlich zu verhindern.“ (Aus der Erklärung des Quer-Bündnisses)

An den Protesten gegen rechts haben sich mindestens 15.000 Menschenbeteiligt. Und die Vielfalt ihrer Aktivitäten gegen rechts ist ermutigend. Es zeigt sich aber auch ein Problem: Wenn jeder seins macht, dann mangelt es leicht an der Einheitlichkeit und der Abgestimmtheit der antifaschistischen Kräfte. Diese – auch die Bundesweiten - müssen sich noch stärker zusammentun und Eigenbröteleien und Besserwisserei in Frage stellen.

Die VVN-BdA wirkt in diesem Sinne. Ihre Mitglieder aus ganz NRW waren an den verschiedensten Aktionen am 4. September beteiligt, vor allem beim örtlichen Bündnis gegen Rechts mit seiner „Kulturtour“. Eine besondere Aktion war der VVN-BdA durch plötzliche Ereignisse quasi aufgezwungen worden. Als bekannt wurde, dass die Polizei den Nazis genehmigt hatte, sich in der Nähe der Auslandsgesellschaft nebst Steinwache, das heißt an der Gedenkstätte „Widerstand und Verfolgung 1933 – 1945“ zu formieren, da riefen VVN-BdA, Förderverein Steinwache und Internationales Rombergparkkomitee mit Unterstützung der Föderation des Internationalen Widerstandes FIR zu einer ganztätigen Mahnwache an der Gedenkstätte auf. Hunderte besonders junge Menschen haben sich für kurz oder lang daran beteiligt. Die Mahnwache veranlasste die Polizei, zu vermeiden, dass auch nur ein Rechter in die Nähe der Gedenkstätte kam.

* Ulrich Sander, Dortmund, ist einer der Sprecher der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen)


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