Dortmund stellt sich quer
Antifaschisten rufen zu Massenblockaden gegen "Nationalen Antikriegstag" auf. Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Polizeipräsidenten eingereicht
Von Markus Bernhardt *
Dortmund ist die Hochburg der militanten »Autonomen Nationalisten« im
östlichen Ruhrgebiet. Darin waren sich die etwa 50 Teilnehmer einer vom
bundesweiten Bündnis »Dortmund stellt sich quer!« durchgeführten
antifaschistischen Aktion am Sonnabend einig. Die Antifaschisten hatten
am Wilhelmplatz im Dortmunder Stattdteil Dorstfeld zu einer öffentlichen
Pressekonferenz direkt vor den Wohnungen einiger Kader der Neonazis
geladen, um für die von ihnen für den 4. September geplanten Blockaden
gegen eine geplante Großaktion der Rechten zu werben. An diesem Tag
wollen Neonazis aus dem In- und Ausland zum sechsten Mal in Folge einen
sogenannten Nationalen Antikriegstag in der Ruhrgebietsmetropole
durchführen.
Harsche Kritik wird diesbezüglich wiederholt an der Dortmunder Polizei
laut. Die Behörde hat den Rechtsextremen einen Marsch durch die
nördliche Innenstadt genehmigt, der entgegen aller Beteuerungen der
Beamten ausgerechnet in direkter Nähe zur Mahn- und Gedenkstätte
Steinwache, einem ehemaligen Gestapo-Gefängnis, starten soll. Dies rief
die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten
auf den Plan, die unter anderem aus diesem Grund eine
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Dortmunds Polizeipräsidenten Hans
Schulze (SPD) eingelegt hat. Dieser habe nicht einmal den Versuch
unternommen, den Aufmarsch zu verbieten, obwohl sich verbesserte
Möglichkeiten als in den Vorjahren dafür böten, erklärte
VVN-Bundessprecher Ulrich Sander. »Das Gelände vor der Gedenkstätte
Steinwache darf niemals den Nazis für ihre Jubelfeier aus Anlaß des
Überfalls auf Polen 1939 überlassen werden«, so der Antifaschist weiter.
Bärbel Beuermann, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Landtag von NRW,
rief am Samstag auf, den Neonazis den Weg zu versperren: »Die Zeit der
Symbolpolitik ist in Dortmund lange vorbei. Ich rufe von hier aus
öffentlich dazu auf, den Naziaufmarsch am 4.9. mittels Massenblockaden
nach dem Vorbild Dresden zu stoppen.« Außerdem kritisierte Beuermann das
am Ende der Woche von der Polizei erlassene Verbot von zwei
Kundgebungen, die Wolfgang Zimmermann, Vorsitzender der Fraktion Die
Linke im Landtag von NRW, und die Dortmunder Bundestagsabgeordnete Ulla
Jelpke (Die Linke) für den 4. September angemeldet hatten.
Professor Wolfgang Richter (Linkes Bündnis), ehemaliger Alterspräsident
des Rates der Stadt Dortmund, wies darauf hin, daß den Nazis mit der
Nordstadt ein Stadtteil zur Verfügung gestellt worden sei, der für die
politische und gewerkschaftliche Arbeiterbewegung in Dortmund
historische und aktuelle Bedeutung habe. Das Demonstrationsrecht der
Antifa- und Friedensbewegung sei hingegen von der Polizei massiv
eingeschränkt worden. Richter forderte die Polizeiführung auf, »endlich
die Seite zu wechseln - weg vom Nazimilieu, hin zur Friedens- und
Antifabewegung«.
Das Bündnis »Dortmund stellt sich quer!« wird aktuell von über 130
Organisationen unterstützt. Aus allen Teilen der Bundesrepublik haben
sich Busse mit Antifaschisten angekündigt, um den braunen Spuk zu
verhindern.
»Mittlerweile schwappt das massive Naziproblem von Dortmund auch auf die
Nachbarstädte über«, so Peter Neuhaus, Sprecher des Bündnisses, am
Sonntag gegenüber jW. Diese Entwicklung gelte es zu stoppen, bevor es zu
spät sei.
Unterstützung erhält das Bündnis mittlerweile auch von Oskar Lafontaine,
der den Antifaschisten in einem am Sonnabend übermittelten Grußwort
wünschte, »daß es gelingt, den Aufmarsch der braunen Kriegshetzer
mittels zivilen Ungehorsams zu verhindern«.
Das örtliche Bündnis »Dortmund gegen rechts« ruft für kommenden Freitag
(27. Aug., 15 Uhr, Treffpunkt U-Bahnhof Heinrichstr./Ecke Falkenstr.) zu
einem sogenannten Saubermach-Spaziergang in Dorstfeld auf. Im Rahmen der
Aktion soll der Bezirk von neofaschistischer Propaganda gereinigt werden.
* Aus: junge Welt, 23. August 2010
Dokumentiert:
Grußwort von Oskar Lafontaine
Liebe Nazigegnerinnen und Nazigegner, liebe Friedensfreundinnen und
Friedensfreunde, ich begrüße Euer Engagement gegen den sogenannten
»Nationalen Antikriegstag« der militanten »Autonomen Nationalisten« am
4. September in Dortmund sehr. Auch für mich ist es unerträglich, daß
Hunderte Neonazis versuchen wollen, sich in Dortmund als Friedensfreunde
zu inszenieren. Umso wichtiger ist es, daß Ihr den Rechtsextremen die
Straße nicht überlassen wollt. Wir alle wissen, daß Neonazis - egal, ob
aus den Reihen der NPD oder der sogenannten Freien Kameradschaften - für
Krieg, Völkermord und Rassismus stehen.
Die politische Linke ist die einzige Kraft, die seit jeher für soziale
Gerechtigkeit, Völkerverständigung, ein gleichberechtigtes Miteinander
aller Kulturen und vor allem für eine engagierte und glaubwürdige
Friedenspolitik steht.
Ich wünsche Euch daher von Herzen viel Kraft und drücke Euch die Daumen,
daß es gelingt, den Aufmarsch der braunen Kriegshetzer mittels zivilen
Ungehorsams zu verhindern. Seid Euch gewiß, Ihr habt sowohl mich als
auch Die Linke an Eurer Seite!
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